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Der entschärfte Brief

Arno Kompatscher bei der Haushaltsrede (Foto: lpa)

Die Entscheidung des Landeshauptmannes zu seiner Wiederkandidatur hätte die SVP eigentlich befrieden sollen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

von Matthias Kofler

Wer erwartet hat, dass seit Freitag – dem Tag, an dem Landeshauptmann Arno Kompatscher seine Entscheidung zur Wiederkandidatur bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr bekanntgegeben hat – in der SVP wieder Friede, Freude, Eierkuchen herrschen würde, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Fraktion im Landtag ist auf den Barrikaden, der Obmann weiß nicht mehr, wie er den Laden bis zur Schicksalswahl 2023 zusammenhalten soll – und dem LH stehen wohl weitere stürmische Wochen bevor. Auslöser der Krisenstimmung unterm Edelweiß ist der Brief, den Kompatscher am Freitagabend an die Parteibasis verschickt hat. Was bisher nicht bekannt war: Bei dem Schreiben an die Funktionäre handelt es sich um eine in Inhalt und Form deutlich abgeschwächte Fassung. Der LH wollte ursprünglich viel härter gegen seine Partei und seine Fraktion vorgehen, wurde in seinem Vorhaben aber vom Obmann eingebremst.

Die Tageszeitung ist in der Lage, den Ablauf der turbulenten Entstehungsgeschichte des Kompatscher-Briefes nachzuzeichnen.

Die Chronik des Briefes

Es ist Freitagmorgen, im Landtag wird das Wohnbauförderungsgesetz diskutiert. Kompatscher und Achammer treffen sich zu einem Vier-Augen-Gespräch, zu dem der LH den Obmann am Morgen eingeladen hat. Der Inhalt des Gesprächs könnte bewegender nicht sein: Nach den Unsicherheiten der vergangenen Wochen und Monate teilt Kompatscher seinem Parteichef mit, bei den Wahlen im kommenden Jahr wieder antreten zu wollen. Achammer fällt ein Stein vom Herzen. Er weiß: Hätte Kompatscher das Handtuch geworfen, hätte auch seine politische Karriere einen Dämpfer erfahren.

Vor wenigen Tagen hat der LH dem Obmann noch signalisiert, unter den gegebenen Umständen nicht mehr anzutreten. Doch jetzt drückt Kompatscher aufs Gaspedal. Seitdem öffentlich wurde, dass er ans Hinschmeißen denkt, wurde der Völser massiv unter Druck gesetzt, sowohl von Vertrauensleuten als auch von Funktionären, die nicht gut mit ihm können. Kompatscher hat gemerkt, dass jeder Tag, den er verstreichen lässt, seine Autorität untergraben würde.

Der LH will seine Entscheidung der Basis mitteilen, und zwar mit einem Schreiben, das er über den SVP-Verteiler verschickt. Achammer erklärt sich damit einverstanden, will aber zuvor den Inhalt des Schreibens kennen. Der LH legt den Brief vor – und der Obmann fällt fast vom Stuhl. Kompatscher attackiert darin scharf die Landtagsfraktion und wählt dabei Worte, die den Eindruck entstehen lassen von einer Truppe, die völlig außer Rand und Band geraten ist. Kompatscher greift auch seine Partei an, teilt diese sinnbildlich in die Guten und Bösen ein. Achammer legt ein Veto ein: Für eine gute Zusammenarbeit sei ein solches Schreiben nicht förderlich. Fraktionschefin Magdalena Amhof wird hinzugeholt. Auch sie ist mit dem LH-Brief in dieser Form nicht einverstanden und fordert, gemeinsam mit Achammer, eine Überarbeitung des Schreibens. Der Text, der kurz vor 18 Uhr nach außen geht, ist deutlich abgeschwächt, auch wenn man die Botschaften, die Kompatscher der Basis übermitteln will, noch durchlesen kann.

Die aufgebrachte Fraktion

„Man kann eine Fraktion nicht so abwatschen“, sagt ein SVP-Abgeordneter im Hintergrundgespräch. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der amtierenden Mandatare auch in der nächsten Legislatur wieder an Bord sein werden. Fraktionschefin Amhof kann nicht nachvollziehen, warum ihr, die immer loyal zur Landesregierung gestanden hat, jetzt der Schwarze Peter zugeschoben wird. „Sie wirkte total zerknirscht, als sie nach der Aussprache mit dem LH wieder in die Aula zurückgekommen ist“, berichtet eine Oppositionspolitikerin. Auf der Habenseite der Fraktionschefin steht eine hohe Quote von gewonnen Abstimmungen im Landtag: Über 95 Prozent der Abstimmungen fielen so aus, wie es sich SVP und Landesregierung gewünscht hatten. Zuletzt gab es aber zwei Ausreißer: zuerst der „Alleingang“ von Landesrätin Waltraud Deeg, den Arbeitnehmern und den Bauern beim Wohnbaugesetz, dann der verabschiedete Beschlussantrag des Team K zur IDM.

Die schlechte Stimmung zwischen Fraktion und Landesregierung/LH hat aber tiefergehende Wurzeln. „Wir werden von der Landesregierung vor vollendete Tatsachen gestellt“, meint der Vinschger Sepp Noggler. Ein Beispiel: Heute stellt Kompatscher im Landtag den Haushalt für 2023 vor – doch die Abgeordneten haben noch keinen Entwurf und keine Abänderungen zu sehen bekommen. In einer Klausur der Fraktion wurde kürzlich ein Arbeitsprogramm erarbeitet, um sicherzustellen, dass die Mandatare früh genug Bescheid wissen, wann welches Gesetz im Landtag behandelt wird. Doch ausgerechnet der LH verließ die Fraktionssitzung frühzeitig. Intern ist auch nicht gut angekommen, dass die Abgeordneten nicht vorab über die Wiederkandidatur informiert wurden, sondern erst durch das Schreiben, das am Freitagabend nach draußen gegangen ist.

Bei der Parteiklausur am 17. Dezember soll die (mangelnde) Fraktionsdisziplin nicht zum Thema gemacht werden. „Fraktion und Partei sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe“, heißt es unmissverständlich aus der Fraktion. Auch wolle man sich vom LH nicht länger als „Deppen der Nation“ darstellen lassen.

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