Laufend neue Träume
Mit „Junge Solist:innen am Podium 2022“ setzt das Tiroler Kammerorchester InnStrumenti die erfolgreiche länderübergreifende Konzertinitiative zur Förderung junger herausragender Instrumentalsolisten fort. Ein Gespräch mit dem Gründer und künstlerischen Leiter des Orchesters Gerhard Sammer.
Tageszeitung: Herr Sammer, wer ein neues Orchester gründet, sollte einen guten Grund dafür haben. Was hat Sie vor 25 Jahren verleitet, verführt, gedrängt oder genötigt, Ihre Kraft und Zeit in ein neues Ensemble zu investieren?
Gerhard Sammer: Ich träumte davon, ein neues professionelles Ensemble zu gründen, das junge hochqualifizierte Musiker:innen zusammenführt, das Offenheit und Mut zeigt für neue Konzertformate am Puls der Zeit, das in Teamarbeit versucht einige der vielen Ideen umzusetzen, auch von Impulsen für Komponistinnen und Komponisten und für die Förderung junger Solist:innen. Von Anfang an bestand das Anliegen der länderübergreifenden Vernetzung und Kooperation mit Kulturschaffenden in der Region, v.a. auch zwischen Tirol und Südtirol. Die Umsetzung dieser Vision und auch der Wunsch des Aufbaus einer interessierten Zuhörerschaft aus allen Alters- und Sozialgruppen, die kritisch, aufgeschlossen, begeisterungsfähig usw. ist, hat dann doch einige Zeit gebraucht. U.a. arbeiten wir intensiv daran, jedem unserer Konzertformate ein starkes, unverwechselbares Profil zu geben, das sich aber auch weiterentwickeln kann. Die Entwicklung der letzten Jahre hat erfreulicherweise die Anfangsträume weit überflügelt, dafür kommen aber laufend neue Träume hinzu J
Wie war die Situation in Tirol Ende der 1990er Jahre? Gab es Ensembles und Aufführungsmöglichkeiten für Neue Musik?
Solche Einschätzungen lassen sich tatsächlich mit etwas zeitlichem Abstand rückblickend besser treffen: Es war in Südtirol & Tirol in der Kultur eine Zeit des Aufbruchs, z.B. wurden viele Ensembles und Initiativen/Festivals in diesem Zeitraum gegründet oder haben sich stetig weiterentwickelt. Verstärkt haben sich Ensembles auch ausschließlich auf Neue Musik spezialisiert. Obwohl das Kammerorchester InnStrumenti mittlerweile eines der aktivsten Orchester ist, was die Vergabe und Realisierung von Uraufführungen betrifft, war uns immer die Brücke und Aufführung von Musik vorausgehender Zeit wichtig. Daher haben wir auch für die unterschiedlichen Zielrichtungen über die Jahre sehr spezifische Konzertformate entwickelt, die auch Verbindungen schaffen: Wenn etwa Komponist:innen für junge Solist:innen komponieren, wenn unterschiedliche Musikstile miteinander verwoben werden, wie etwa Jazz und Klassik oder Volksmusik und Klassik.
Der Begriff Neue Musik ist schwammig und wird inflationär über fast alles gestülpt, was heute komponiert wird. Wie definieren Sie das „Neue“?
Das ist eine gute Frage: Neue Musik würde ich aber dennoch möglichst offen definieren, als klassische Musik, die in unserer Zeit entsteht. Das Neue kann sich in ganz unterschiedlicher Weise zeigen/ etablieren, von der Besetzung bis zu den musikalischen Parametern, welche die Klangsprache bestimmen (Tonalität, Rhythmik, Form), dem Umgang mit dem Raum, der Vernetzung von Kunstsparten bzw. dem Kontext und der Kommunikation mit dem Publikum. Wir wissen, dass die Musik im Kopf der Hörer entsteht und insofern hängt die Bewertung des „Neuen“ auch sehr von den individuellen Vorerfahrungen ab. Das merke ich oft in der Arbeit mit jungen Menschen, die eine ganz andere Hörbiografie mitbringen.
Wie ist das Tiroler Kammerorchester InnStrumenti zusammengesetzt? Gibt es einen harten, fixen Kern aus professionellen Musikerinnen und Musikern?
Das Orchester besteht ausschließlich aus professionellen Musikerinnen und Musikern, ca. zu einem Drittel aus Südtirol, aus Tirol und aus anderen Ländern, die aber teilweise als freischaffende Künstler international tätig, aber dennoch in der Region wohnhaft. Trotz des fixen Stamms ist es uns ein Anliegen und aufgrund der zahlreichen Aktivitäten auch immer wieder möglich, neue junge Musiker:innen einzubinden.
Mehr als 200 Orchesterwerke hat InnStrumenti in25 Jahren uraufgeführt, dazu kommen zahlreiche Rundfunkaufnahmen, CD-Produktionen und diverse Liveformate. Haben sie von Anfang an geplant, ein produzierendes und nicht nur reproduzierendes Ensemble zu formieren?
Der Wunsch Musik am Puls unserer Zeit zu realisieren, mit Menschen die in unserer Region in der „Jetzt-Zeit“ leben, war stets ein zentrales Anliegen, ja! Es ist aus meiner Sicht sehr wichtig Zuhörer:innen aber auch Musiker:innen noch stärker für die Musik lebender Kunstschaffende zu gewinnen/ zu begeistern, die in den ganz spezifischen Rahmenbedingungen unserer Gegenwart entsteht. Die Aufträge an lebende Komponist:innen sind dabei sehr wichtige Impulse, denn wo keine zeitgenössische Musik gespielt wird, braucht es auch keine Komponisten. Die zahlreichen Aufnahmen haben sich dann aber erst mit der Zeit entwickelt, u.a. mit den besonderen Konzertformaten mit besonders vielen Uraufführungen (u.a. Komponist:innen unserer Zeit). Das finde ich auch gut so, denn es hat schon auch einige Jahre gedauert den heutigen hohen Qualitätsstandard zu erreichen. …
Wie finanziert sich das Ensemble?
Aufgrund von durchwegs sehr gut besuchten, (vor Corona) vielfach ausverkauften Konzerten und zahlreichen Engagements, können wir ca. 2/3 der Einnahmen selbst erwirtschaften, 1/3 bestreiten wir aus öffentlichen Förderungen. Natürlich ist das Geld immer knapp, v.a. im Bereich der Organisation und im Marketing wird gespart, auch nötigen wir den professionellen Musiker:nnen viel Idealismus ab. Wir hoffen aber durch Qualität mittel- und langfristig zu überzeugen. Vor allem im Bereich des Privatsponsoring ist die Situation äußerst schwierig und hier würden wir uns mehr Unterstützung erhoffen…
Eine enge Zusammenarbeit besteht mit dem Südtiroler Partnerverein Kammerorchester InnStrumenti Südtirolunter der Präsidentin Paula Mair. Worin besteht diese Zusammenarbeit?
Wir haben ein tolles Team um Paula Mair, das sich darum engagiert jene Aktivitäten zu verstärken, die für Südtirol Relevanz haben: Dazu zählt die Förderung Südtiroler Musiker:innen und Komponist:innen sowie die Zusammenarbeit mit Südtiroler Institutionen, wie der Landesdirektion Musikschulen, mit Veranstaltern und Festivals, wie dem Festival für Zeitgenössische Musik und die Realisierung von gemeinsamen Projekten mit anderen Südtiroler Ensembles, wie zuletzt mit dem hervorragenden Vocalensemble AllaBreve. Wir hoffen demnächst neue Akzente wie das Konzertformat „Ope[r]n Air“ realisieren zu können.
In Südtirol ist InnStrumenti vor allem durch die erfolgreiche länderübergreifende Konzertinitiative„ Junge Solist:innen am Podium“ zur Förderung junger herausragender Instrumentalsolisten bekannt. Bringen die Tiroler und Südtiroler Musikschulen viele Talente hervor?
Nicht zuletzt aufgrund der hochqualifizierten und engagierten Musikschullehrenden und der vergleichsweise guten Rahmenbedingungen, sind Südtirol und Tirol hier ein überregionales Vorzeigemodell, z.B. in ganz Deutschland gibt es kaum vergleichbare Musikschulstrukturen. Damit das auch nach Corona und in Zeiten knapper Budgets erhalten und ausgebaut wird, gilt es dies bewusst zu machen und dafür gemeinsam zu kämpfen, u.a. auch die Leistungen auf die Bühne zu bringen.
Beim heurigen Konzert im Kursaal war auch Andrea Götsch von den Wiener Philharmonikern dabei. Die ist über das Talentstadium doch längst hinaus.
Das Konzertformat bindet bewusst Solist:innen aus ganz unterschiedlichen Lebensphasen bis max. 35 Jahren ein. Ich erlebe es sehr bereichernd und motivierend, wenn es hier bei den Proben und Konzerten zu einer Begegnung von noch sehr jungen mit bereits international etablierten Musiker:innen kommt, aber auch für das Publikum ist das eine spannende Erfahrung. Oft verbinden wir diese Gelegenheiten mit Kompositionsaufträgen, oder wie heuer mit Gastworkshops und stärken damit auch entgegen einer regionalen Inselbildung die Perspektive auf internationale Qualitätsmassstäbe.
Interview: Heinrich Schwazer
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