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Harte Schule

Wie kommt man vom höchsten Hof im Pustertal in die Schule? In diesem Jahr fährt der Schulbus nicht mehr zum Biohof Kofler oberhalb von Rein in Taufers. Das bringt die Familie in eine missliche Lage.

von Silke Hinterwaldner

„Wie soll es im Winter weitergehen?“ Diese Frage stellt sich Irmgard Oberhauser ohne eine echte Antwort darauf geben zu können. Sie sagt nur: „Dann kommen wir eben zu spät zur Schule. Oder mein Sohn kann gar nicht mehr hingehen.“ Zu Fuß den vier Kilometer langen Weg durch den Wald will die Mutter ihren Siebenjährigen nicht schicken. Der Schulbus fährt nicht mehr.

Vor drei Jahren ist Irmgard Oberhauser mit ihrem Mann auf den Koflerhof gezogen, er liegt auf 1.800 Metern Meereshöhe oberhalb von Rein in Taufers und ist damit der höchste Hof im Pustertal. Die Familie hat mittlerweile Zuwachs bekommen: Das Paar hat ein Kind in der zweiten Klasse Grundschule und ein sechs Monate altes Baby. Auf dem Biohof gibt es allerhand zu tun. Man teilt sich die Aufgaben: in den Stall gehen, Käse machen, Gäste bewirten.

Um den Hof nicht zu vernachlässigen, hat der Familienvater seinen Arbeitsplatz nach der Geburt des zweiten Kindes sozusagen in Vollzeit auf den Koflerhof verlegt. Welche Folgen diese Entscheidung für den Schülertransport des älteren Kindes haben würde, konnte man wohl nicht ahnen. Aber es ist so: Während der Bub im ersten Schuljahr jeden Tag mit dem Schulbus fahren konnte, kommt der Bus jetzt nicht mehr bis zum Koflerhof. Dabei hatte der Schulbus bisher nicht nur den Erstklässler vom Koflerhof gefahren, sondern gleichzeitig einige Nachbarskinder mitnehmen können. Weil in diesem Jahr der Schülertransport für die kleine Gruppe oberhalb von Rein gestrichen wurde, müssen die Eltern die Kinder mit dem eigenen Auto bringen und holen, es muss viel öfter gefahren werden. Ganz nebenbei, sagt Irmgard Oberhauser, wäre der Busfahrer auch gern bereit die Fahrt zu übernehmen, aber er darf nicht, eben weil der Dienst gestrichen wurde. So sitzt er die Zeit ab, anstatt die Schulkinder fahren zu können.

Die Straße zum Koflerhof wurde seit Jahrzehnten nicht saniert, sie ist in schlechtem Zustand. Vor allem wird die Fahrt hinauf auf 1.800 Meter im Winter nicht selten zum Husarenritt. „Ich traue mich im Winter nicht über diese Straße“, sagt Irmgard Oberhauser, „mit zwei Kindern im Auto.“ Und außerdem: In der Früh ist die Arbeit am Hof eng getaktet. Nach dem Aufstehen muss der Mann in den Stall die Tiere versorgen. Die Frau kümmert sich um die Kinder, sie sollte bald auch mit der Verarbeitung der Milch zu Käse beginnen. Aber seit sie den Schulbus ersetzen muss, geht das nicht mehr. Alles andere als leicht ist es für Irmgard Oberhauser auch, das Baby frühmorgens bei Kälte in das Auto zu packen – geschweige denn die steile, möglicherweise schneebedeckte Straße ins Tal zu fahren. Apropos Schnee: Wie soll sie die Garage und die Einfahrt freischaufeln, wenn das Baby versorgt werden und der Siebenjährige in die Schule muss?

Irmgard Oberhauser fühlt sich alleingelassen mit ihrem Problem. Sie hat bei den Behörden und bei zuständigen Politikern vorzusprechen versucht, aber ist mit ihrem Anliegen abgeblitzt. „Wenn es darum geht, die Besonderheiten des Bauernlebens und Traditionen aufzuzeigen, sind alle interessiert“, sagt sie, „geht es jedoch um die tatsächliche Unterstützung, steht man allein da.“ Sie weiß, dass sie nicht wirklich allein ist mit diesem Problem, mittlerweile kennt Irmgard Oberhauser andere Familien, die ebenfalls auf den öffentlichen Schülertransport verzichten müssen, obwohl sie ihn dringend benötigen würden. Nur: Was tun?

„Der Schülertransport wurde neu eingeteilt“, sagt Irmgard Oberhauser, „aber es hat sich alles zum Schlechteren verändert und macht einfach keinen Sinn.“ So werden etwa die Kinder von einem wenig entfernten Hof getrennt gefahren, erst der Mittelschüler, dann die Grundschülerin. Auf dem Papier mögen all diese Regelungen berechtigt erscheinen, im echten Leben aber schütteln die Menschen den Kopf.

Der Fall sei abgeschlossen, ist der Familie Goller am Biohof Kofler oberhalb von Rein in Taufers mitgeteilt worden. Auch der Abgeordnete des Team K, Alex Ploner hatte sich versucht einzuschalten, aber bisher wenig erreicht. Er sagt: „Man kann nicht verstehen, warum einer Bergbauernfamilie die Hilfe durch den Schülertransport verwehrt wird.“

In der Zwischenzeit hat es am Koflerhof geschneit. Den Winter kann man riechen, der Boden ist gefroren, es wird kalt – und damit wird jeder Schultag für Irmgard Oberhauser zu einer nicht nur unangenehmen, sondern oft auch gefährlichen Odyssee.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (39)

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  • gorgo

    Ich weiß nicht Recht. Wenn man sich auf 1800m setzt wäre etwas Selbstorganisation gefragt. Statt gleich zu jammern das Bergbauern im Stich gelassen werden.

  • robby

    Ich habe selbst einen Schulweg von über 6 km tagtäglich – auch im Winter – bewältigt. Wir haben es alle in der Familie überlebt.
    Warum sollte das heute nicht mehr gehen?
    Ah – der Wolf!

  • gerhard

    Ein weiteres Beispiel egoistischer Selbstbedienungsmentalität einzelner Bauern.
    Ich mach, was ich will, und die Anderen sollen das gefälligst zahlen.
    Wenn ich auf 1.800 Meter Höhe ziehe, ohne Not und nur aus eigenem Befinden, dann weiss ich das vorher.
    Diese rücksichtslose Selbstbedienung zu Lasten der Allgemeinheit hat Grenzen.
    Das Baby ins kalte Auto zu packen, Schnee zu räumen. ist zu viel verlangt.
    Und dann die ureigenste Forderung gewisser Bauern: Drohungen!
    Dann bleibt das Kind zu Hause oder kommt später.
    Die Bildung des Kindes zu vernachlässigen, das Wohl des Kindes zu gefährden, weil man wieder einmal Andere für das zahlen lassen möchte, was man selber nicht will.
    Typisch und bezeichnend.
    Selbst kein Hirn, aber den Kindern die gleiche Bildungslosigkeit aufzuzwängen.
    Jammern, abzocken, ausnutzen und betteln.
    Und sich dann wundern, wenn Bauern einen solch schlechten Ruf in der Gesllschaft haben!

  • franz19

    Wir haben es mit Lärmer zu tun in Südtirol auf höchsten Niveau!!!
    Ich bin auch selbständig ,wohne aufn Berg mit 2 Kinder und wenn die Frau arbeitet führ ich Sie sonst Sie…
    Ein Mann der täglich zuhause ist wird die Zeit haben das Kind in die Schule zu fahren oder sonst kann er ja aufs Baby aufpassen!!@ Jammerer!!!

  • sabine

    Natürlich ist es nicht ok, wenn der bus plötzlich nicht mehr fährt. Aber der jammernd- anklagende ton gefällt mir nicht. Und im winter wird doch wohl auch der mann zum fahren zeit haben!

  • cosifantutte

    Bis in die 70er Jahre war das Leben auf so einem Hof elende Subsistenzwirtschaft, verbunden mit kurzer Lebenserwartung. Die Entwicklung der Kinder war entsprechend gehemmt. Erst der Straßenbau hat dank billiger fossiler Brennstoffe die Hoferschließung und den Individualverkehr ermöglicht. Finanzielle Beiträge jeglicher Art, erwirtschaftet in anderen Wirtschaftszweigen, haben es ermöglicht, die Nischenprodukte im Luxusbiosegment zu vermarkten und mit ein paar Litern Milch ins Tal zu fahren. Fossile Brennstoffe bringen über die Straße Gäste auf den Hof, die oben Geld aus dem Tal ausgeben. Die Verteuerung der Energie wird die künstliche Bewirtschaftung eines solchen Hofes fundamental in Frage stellen. Früher oder später wird man sich entweder als Freak auf die Subsistenzwirtschaft begrenzen, mit allen unangenehmen Konsequenzen, oder die Hofstelle auflassen, da die Straße aufgrund immenser Kosten für die Bedienung von ein paar Häusern nicht mehr zu erhalten sein wird.

  • exodus

    Das ewige Bauerngejammere, immer muss alles geboten werden, natürlich gratis. Wie wäre es sich an den Bauernbund zu wenden, vielleicht hat der eine Lösung….

  • semperoper

    Für einen seriösen Artikel befragt man normalerweise beide Parteien (betroffene Bürger und zuständige Behörde). Dies scheint mir hier nicht der Fall zu sein.

    Ganz nebenbei glaube ich sind mit dem Bau und dem Erhalt einer dezidierten Zufahrtsstraße schon genug öffentliche Gelder in die Unterstützung eines Einzelhofes geflossen.

    • gorgo

      Ja, die Art des Artikels ist es, was so aufstösst. Weder erfährt man weshalb der Bus nicht mehr hochfährt, noch ob es ein unbedingtes Recht gibt, vor der Haustür abgeholt zu werden. Letzteres wohl kaum.
      Ob die Mutter Angst hat zu fahren, keinen Führerschein oder keine Zeit das Kind zur Haltestelle zu bringen ist eigentlich nicht relevant.

  • romy1988

    Der Busfahrer sitzt also die Zeit ab, was im Klartext heißt, dass er sich um einen anderen Job erst gar nicht kümmert, die Hände in den Schoß legt und abwartet. Na bravo! Also dieser Bericht hat es wirklich in sich, lärmen, lärmen und nochmals lärmen!

  • hallihallo

    irgendwann muß sich jeder im leben schon selber fragen , was er will.
    wenn jemand entscheidet , auf 1800 m zu leben, dann weiß er wahrscheinlich schon vorher , was auf in zukommt. für die familie ist die straße zu glatt, aber der bus soll fahren ??? jegliches risiko auf die anderen schieben. ein bauer wird doch die 20 minuten zeit haben , seine kinder zur schule zu fahren. für die kühe hat er den ganzen tag zeit , aber für seine kinder keine 20 minuten??

  • ostern

    Zu meinen Zeiten mussten Mitschüler 2 Stunden zu Fuss über den Berg
    gehen zuerst zur hl. Messe gehen und anschliessend die Schule besuchen, und das jeden Tag. Da gab es keinen Schülertransport der sie vor der Haustür abholte.
    Aber so sind halt inzwischen die Südtiroler Bauern geworden: verwöhnt und mit
    Geldbeiträgen hinten und vorne gefüttert.

  • ostern

    ………….und nach der Schule mindestens 2 Stunden wieder nach Hause gehen.
    Es schreibt euch niemand vor auf dem Berg zu wohnen.

  • ostern

    @rudi
    Du hast überhsupt nichts verstanden. Ich hoffe dass du wenigstens kapierst was der „Gerhard“ geschrieben hat. Ich habe mich nur auf Tatsachen bezogen die dir in der heutigen Zeit fremd sind. Du wirst schon auch so ein bäuerlicher Beitragsheini sein.
    Und: bezüglich Eier und Hirn eingefrieren ist bei dir nicht möglich, da du weder Hirn noch Eier in den Hosen hast.

  • dn

    Es würde auch reichen, die Kinder bis zur nächsten Haltestelle zu bringen. Das sind dann maximal 10 Minuten. Auch normale Familien mit Kindern müssen sich organisieren. Im Winter mit der Rodel, …

  • cosifantutte

    Nur kurz zum Nachdenken: Anderorts investiert man in KI, Softwareentwicklung, Energieumformung, Akkutechnologie, Verfahrenstechnik, Optimierungen jeder Art, Performance Computing, Nanotechnologie und Chipherstellung. In Südtirol hingegen lässt man die gut Ausgebildeten nach Norden oder über den Atlantik ziehen und verballert Millionen Steuergelder an solche Lederhosen-Sepplhutträger, die dann gerade diejenigen, die sie per Beiträge alimentieren, auch noch mit Verachtung strafen und unverschämte Forderungen stellen.

  • klum

    Hat der Schülerbus eigentlich 4-Rad und Spikes? hat der Fahrer Rally-Ausbildung bei Walter Röhrl gemacht? Warum sollte es für einen Bus mit vielleicht 6 anderen Kinder an Bord weniger gefährlich sein diese Straße zu befahren. Ich würde mir da mehr sorgen machen und schon aus diesem Grund selbst meine Kinder zu Tal oder zur nächsten Haltestelle zu bringen.

    Der Beitrag selbst ist natürlich lächerlich. Sowas hat keinen journalistischen Wert. Aneinanderreihung von Geplärre ohne vernünftige Rückfragen, die sehr wohl die Kommentatoren hier haben.

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