Farce im U-Ausschuss
Warum die Untersuchungen des Landtags zu den Wahlkampf-Spenden im Sand verlaufen. Und die Abgeordneten seit einem halben Jahr auf den Abschlussbericht zur SAD-Affäre warten.
von Matthias Kofler
Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Dieses Zitat des römischen Dichters Horaz steht sinnbildlich für die Performance, die der Untersuchungsausschuss „WirNeusNoi“ zurzeit abliefert. Der Ausschuss war im Sommer mit großem Trara vom Landtag eingerichtet worden. Erstunterzeichner Alessandro Urzì, der mittlerweile für Fratelli d’Italia im römischen Parlament sitzt, sah in den Ermittlungen zu den Wahlkampfunterstützern von Arno Kompatscher die perfekte Gelegenheit, den Landeshauptmann öffentlichkeitswirksam anzuschwärzen. Neben Fratelli d’Italia hatten fünf weitere Fraktionen – Team K, Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit, Enzian und Perspektiven für Südtirol – den Antrag auf Einrichtung des U-Ausschusses unterzeichnet. Ihr Verdacht: Kompatscher sollen im Wahlkampf 2018 rund 250.000 Euro an Parteispenden zugeschanzt worden sein, obwohl die individuelle Obergrenze eines Kandidaten bei 30.000 Euro lag. Personen, die den LH unter dem Slogan „Wir für Arno“ unterstützten, sollen sich – immer laut Opposition – die Gunst des SVP-Politikers erkauft haben. Kompatscher soll ihnen nämlich als Gegenleistung lukrative Aufträge und Mandate entgeltlicher und unentgeltlicher Natur verschafft haben. Die Aufgabe des U-Ausschusses ist es, etwaige Bevorteilungen seitens des LH aufzudecken und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Mit ihren Untersuchungen kommen die Abgeordneten aber nicht recht vom Fleck. Bei der jüngsten Sitzung am Dienstag verständigte man sich auf eine Reihe von Fragen, die den rund 200 Unterzeichnern des Wahlaufrufs für den LH zugestellt werden sollen: Wie es zum Wahlaufruf gekommen ist, ob sie selbst aktiv oder kontaktiert wurden (und von wem), welche berufliche Funktion und welche öffentlichen, ehrenamtlichen oder institutionellen Funktionen sie damals innehatten. Der genaue Wortlaut des Briefs mit dem Fragebogen an die Unterzeichner soll bei der nächsten Sitzung des U-Ausschusses am 29. November genehmigt werden.
Präsident Sandro Repetto (PD), der von der Sinnhaftigkeit des U-Ausschusses wenig überzeugt ist, will Ende November mit den Anhörungen starten. Das Problem: Nur Beamte und Mandatsträger sind verpflichtet, der Einladung des Landtags zu folgen. Die zahlreichen Privatpersonen, die Kompatscher vor vier Jahren im Wahlkampf unterstützt haben, brauchen bei der Anhörung also nicht zu erscheinen. Einige Kommissionsmitglieder bezweifeln daher, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist – zumal die Unterschrift unter einem Wahlaufruf nichts Ehrenrühriges ist. Der U-Ausschuss soll daher in einen Parteispenden-Ausschuss umfunktioniert werden. Anlass sind die Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den Immobilienunternehmer René Benko. Er soll im Gegenzug für Spenden an Politiker und Parteien erfolgreich versucht haben, Vorteile für seine Projekte zu erhalten. „Wir dürfen vor diesen Ermittlungen nicht die Augen verschließen, denn auch in Südtirol hat Benko mehrere Großprojekte laufen“, meint Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber. Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit legte dem U-Ausschuss einen Antrag vor, der mit den anderen Fraktionen aber nicht abgesprochen war.
Demnach soll der Ausschuss die Mitglieder des SVP-Komitees anhören, das 2018 für die Parteispenden verantwortlich war: Neben dem Ex-Vizeobmann Karl Zeller waren das Patrick Bergmeister, Wahlkampfleiter Thomas Widmann – und Heinz Peter Hager, Benko-Statthalter in Bozen. Der Knoll-Antrag wurde aber mit den Stimmen der Mehrheitsvertreter Helmuth Renzler (SVP), Massimo Bessone (Lega) und Carlo Vettori (Forza Italia) abgeschmettert. Bessone erklärt hierzu auf Anfrage: „Wir sind ein U-Ausschuss und kein Gericht, in dem ein Schuldiger gefunden werden muss. Ich möchte nicht, dass die Opposition die Angelegenheit instrumentalisiert und den Ausschuss nutzt, um kurz vor den Wahlen ihre Gegner im Kampf um Stimmen zu verunglimpfen.“
Selbst in den Reihen der Opposition gibt es Abgeordnete, die im Knoll-Antrag eine „Vorverurteilung“ des SVP-Spendenkomitees wittern. Daher entschieden die Abgeordneten kurzerhand, alle Obleute und Finanzverantwortlichen der Parteien, die 2018 für den Landtag kandidiert hatten, anzuhören, um in Erfahrung zu bringen, ob und welche Zusammenhänge es zwischen Geldspendern und Parteien gibt. Das sei „eine Frage der Gerechtigkeit“, sagt Leiter Reber, dessen Partei im Wahlkampf 2018 ebenfalls von Hager mit 2.000 Euro unterstützt worden war. „Von einem Oppositionsvertreter wird sich ein Spender aber kaum eine Gegenleistung erwarten können. Diese erhält er, wenn schon, von einem Mandatar der Regierungspartei“, meint Leiter Reber.
Neben dem Spenden-Ausschuss hat der Landtag einen weiteren U-Ausschuss eingerichtet, der nicht recht vom Fleck kommen will: jener zur SAD-Affäre. „Wir warten seit Juni auf den Abschlussbericht des Kommissionspräsidenten“, giftet der SVP-Abgeordnete Helmuth Renzler. Ein Grund für die Verzögerungen: Ein Großteil der Abhörprotokolle, die die Staatsanwaltschaft den Abgeordneten vorgelegt hatte, war geschwärzt. Vorsitzender der Kommission ist der Freiheitliche Leiter Reber, der den Renzler-Seitenhieb nicht auf sich sitzen lassen will: „Der Renzler ist der letzte, dem ich den Bericht vorlegen werde. Zuerst will ich mich mit den Oppositionskollegen absprechen, damit nicht das gleiche Ergebnis wie beim Masken-Ausschuss rauskommt“, erklärt der Freiheitliche. Das soll bereits „Ende November, Anfang Dezember“ der Fall sein. Im Abschlussbericht zur Masken-Affäre hatte der Landtag der Landesregierung und der Sanitätsführung eine „tadellose Arbeit“ bescheinigt. In den U-Ausschüssen des Landtags gilt nämlich das nach Fraktionsgröße gewichtete Stimmrecht.
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Kommentare (6)
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robby
Ich finde den Untersuchungsausschuss sehr gut. Solange unsere Politiker nämlich damit beschäftigt sind stellen sie wenigstens sonst nichts an.
pingoballino1955
Wird nichts aufgedeckt,da bin ich mir sicher.Im Vertuschen ist die SVP Weltmeister!
artimar
Das sagt eigentlich auch schon alles über die Möglichkeiten und die Qualität der Arbeit der Landesuntersuchungsausschüsse.
Z.B. zur Masken und Schutzausrüstung der Qualität Sondermüll für Zigmillionen. Selbst, wenn man nur die in den Medien veröffentlichten Dokumente, Recherchen kennt, wird wohl kaum zum Ergebnis kommen: „Im Abschlussbericht zur Masken-Affäre hatte der Landtag der Landesregierung und der Sanitätsführung eine „tadellose Arbeit“ bescheinigt.“
Mal schauen, zu welchen abschließenden Ergebnissen die Staatsanwaltschaft und der Rechnungshof kommt.
Es ist höchste Zeit, endlich einen Untersuchungsausschuss des Landtages zu haben, der seine (demokratische) Kontrollaufgaben auch erfüllen kann, wo sich eben nicht Private und andere (staatliche) Behörden einfach der Mitwirkung entschlagen können, während andererseits z.B. private Medien aus Abhörprotollen der Staatsanwaltschaft hingegen strategisch gezielt nur bestimmte Ausschnitte interessensgeleitetet veröffentlichen.
sigo70
„Von einem Oppositionsvertreter wird sich ein Spender aber kaum eine Gegenleistung erwarten können. Diese erhält er, wenn schon, von einem Mandatar der Regierungspartei“, meint Leiter Reber. “
wieso nicht? Sind Oppositionsvertreter etwa überflüssig?
artimar
Wie heißt es: Tutto fa, disse quello che pisciava in Arno.
dn
In diesem Fall scheinen sie überflüssig zu sein.