Direkt in den Knast
Wer in Südtirol wegen einer Straftat in flagranti festgenommen wird, landet im Bozner Gefängnis. Laut Gesetz müsste er aber in eine polizeiliche Arrestzelle. Die Strafverteidiger schlagen Alarm.
von Thomas Vikoler
Von der Diskothek direkt ins Bozner Gefängnis. Diese Erfahrung mussten bisher nicht wenige Südtiroler machen, die sich etwa im Alk-Rausch einem Carabiniere widersetzt haben oder mit einer mittleren Menge leichter Drogen erwischt wurden.
Denn in Südtirol ticken die Uhren anders: Obwohl seit elf Jahren ein Staatsgesetz gilt, dass die Unterbringung von Festgenommenen in Einrichtungen der Strafverfolger vorsieht, welche die Festnahme vorgenommen haben, werden sie hierzulande systematisch in das Gefängnis in der Bozner Dantestraße gebracht.
In eine der baufälligen Arrestzellen im Erdgeschoß.
Laut Gesetz ist dies allein in Ausnahmefällen erlaubt – der diensthabende Staatsanwalt muss für die Unterbringung im Gefängnis eine schriftliche Begründung vorlegen.
Der richtige Ort für Personen, die in flagranti bei einer Straftat erwischt werden, für die eine Festnahme vorgesehen ist, wäre laut Gesetz eine Arrestzelle in den Polizeikommissariaten oder in den Dienststellen der Carabinieri und Finanzer, hierzulande Kasernen genannt. Dort müssen die Betroffenen bis zur Haftprüfung – maximal vier Tage – ausharren.
Wer in Südtirol festgenommen wird, landet hingegen direkt im Knast.
Die Kammer der Südtiroler Strafverteidiger spricht in einem Protestbrief an die zuständigen Stellen von einer „systematischen Nicht-Anwendung der gesetzlichen Vorschriften“, die dazu führe, dass Menschen einem „unbegründeten Gefängnisaufenthalt“ ausgesetzt würden. Dies insbesondere dann, wenn die später gegen sie wegen der begangenen Straftat ausgesprochene Gefängnisstrafe nicht ein Strafmaß erreiche, das hinter Gittern abgesessen werden muss. Das Phänomen der „Drehtüren“ („porte girevoli“) führe letztlich zu einer unnötigen Einschränkung der persönlichen Freiheit – und einer zusätzlichen Belastung für das Bozner Gefängnis, schreiben Kammerpräsident Carlo Bertacchi, Sekretär Andreas Tscholl und die Gefängnisbeauftragte Amanda Cheneri.
Seitens der Bozner Quästur und dem Carabinieri-Landeskommando wird die Nicht-Anwendung der Bestimmung mit einem „dauerhaften Zustand der Nicht-Verfügbarkeit von Arrestzellen bzw. deren Nicht-Eignung“ für die Unterbringung von Festgenommenen begründet.
Doch es geht wohl auch um etwas anderes: Für die Bewachung von Festgenommenen in den (zumeist vorhandenen) Arrestzellen in den Kasernen müsste auch nachts gearbeitet und Essen bereitgestellt werden.
Zumindest in den Polizeikommissariaten und in den größeren Carabinieri-Kasernen sollte dies durchaus zu bewerkstelligen sein.
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Kommentare (4)
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dn
Ja, wieso nicht, Export!