„Musste die Handbremse ziehen“
Die hohen Energie- und Rohstoffkosten sind nur ein großes Problem der Bäckereien und Konditoreien: Der akute Personalmangel bringt die Betriebe zusätzlich in arge Bedrängnis. Die Franziskaner Bäckerei in Bozen musste deswegen bis auf weiteres die Konditorei schließen.
von Erna Egger
Die Bäckereien und Konditoreien stehen immer mehr unter Druck: Die Energiekosten haben sich verdreifacht, hinzu kommen die hohen Rohstoffkosten. Der Sektor ist aber noch mit einem weiteren großen Problem konfrontiert: Der Personalmangel spitzt sich immer mehr zu. Viele Betriebe mussten letzthin ihr Sortiment kürzen. In der Franziskaner Bäckerei in Bozen musste man noch drastischere Schritte setzen: Man war gezwungen, die Konditorei auf unbestimmte Zeit zu schließen. Der Inhaber Jürgen Pfitscher im Interview.
Tageszeitung: Herr Pfitscher, vielen Kunden ist es bereits aufgefallen: Seit einiger Zeit fehlen in Ihren Bäckereien die Brioche und weitere Süßwaren.
Jürgen Pfitscher: Ja, dem ist so. Gerade Brioche werden in der Nacht gebacken. Und ich konnte keine Konditoren mehr finden, die in der Nacht arbeiten.
Sie mussten aufgrund Personalmangels bis auf unbestimmte Zeit Ihre Konditorei schließen?
Ja. Wir mussten die Nachtschicht gänzlich einstellen, in der Konditorei wird nur mehr tagsüber gearbeitet. Bisher haben wir zu fünft im Betrieb gearbeitet, mindestens drei Angestellte sind Voraussetzung. Unser Chefkonditor ist aber im Frühjahr in Pension gegangen. Außerdem haben uns zwei weitere Mitarbeiter, wie uns schon länger bekannt war, im Sommer wegen eines Umzuges verlassen.
Zudem hat eine weitere Konditorin gekündigt. Über Nacht hatten wir dann in der Konditorei plötzlich nur mehr eine Konditorin. Und diese kann die Arbeit logischerweise allein nicht stemmen. In den letzten Monaten haben der Produktionsleiter, ich und die auszubildende Konditorin die Arbeit gestemmt, bis wir einsehen mussten, dass es so nicht mehr weitergehen kann, weil wir Tag und Nacht gearbeitet haben.
Wann ist eine Wiedereröffnung der Konditorei geplant?
Sobald ich Angestellte finde. Wir hoffen, so bald als möglich.
Weihnachten steht vor der Tür und damit die Weihnachtsbäckerei: Inwieweit ist dieser Personalmangel in dieser Saison ein besonderes Problem?
Untertage habe ich eine Konditorin und zwei Lehrmädchen. Diese Konditorin kann nur tagsüber arbeiten, weil sie Mutter eines Kindes ist. Die beiden Lehrmädchen kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Kardaun, wo wir unsere Bäckerei haben, eine andere Möglichkeit haben sie nicht. Deshalb können sie auch nachts nicht arbeiten. Außerdem ist ein Lehrmädchen minderjährig, Nachtarbeit ist gesetzlich aufgrund des Jugendschutzes verboten. Wir haben jetzt die Ausnahmeregelung getroffen, dass jene drei Bäcker, die bei uns untertage in der Schaubackstube „Pan.Atelier“ in der Stadt arbeiten, von Montag bis Mittwoch in die Bäckerei nach Kardaun kommen, wo die Kekse vorbereitet werden, die restlichen drei Tage arbeiten sie in der Schaubackstube.
Ist das gesetzliche Verbot der Nachtarbeit bei Minderjährigen gerade bei Konditoren ein großes Problem?
Natürlich ist das ein Handicap. Wobei die Nachtarbeit generell für Mitarbeiter zumeist kein Problem ist. Im Gegenteil: Viele schätzen es, dass sie dann tagsüber mehr Freizeit haben und Väter können diese Arbeitszeiten leichter mit ihrer Familie vereinbaren.
Herrscht selbiger Personalmangel auch in den Bäckereien?
Die Situation ist eine ähnliche: In den Konditoreien war es immer schon schwierig, Personal zu finden, in den Bäckereien herrschen aber mittlerweile fast dieselben Gegebenheiten vor. In der Bäckerei habe ich aber zum Glück einen Stamm von langjährigen Mitarbeitern. Aber das gesamte Handwerk leidet unter einem Arbeitskräftemangel, zumal die meisten jungen Leute den akademischen Weg einschlagen. In unserer Branche ist auch die 6-Tage-Woche ein Problem, wobei ich selbst ja bereit wäre, in unserem Betrieb auf die 5-Tage-Woche umzusteigen. In diesem Fall bräuchte ich aber 30 Prozent mehr Personal, um alle Schichten abzudecken – das ich zwar einstellen würde – aber ich finde jetzt schon kaum Mitarbeiter für eine Schicht.
Kennen Sie weitere Kollegen, die auch vor der Schließung ihrer Betriebe stehen?
Vor der Schließung stehen diese nicht. Aber sehr wohl mussten viele ihr Sortiment kürzen. Erschwerend kommt hinzu, dass auf die verbliebenen Mitarbeiter aufgrund des Fachkräftemangels immer mehr Arbeit und Belastung hinzukommt. Meine Befürchtung war dann auch, dass ich weitere Mitarbeiter verliere, weil es denen einfach zu viel wird. Daher musste ich die Handbremse ziehen.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Ich bin nicht gerade optimistisch: Immer weniger Schüler besuchen in den Berufsschulen Klassenzüge für diese Sparten. Seit 20 Jahren heißt es, die Situation werde sich bessern. Aber es ist nicht so. Ich befürchte sogar eine Verschlimmerung.
Die unverhältnismäßig gestiegenen Strom- und Rohstoffkosten treffen Ihre Branche wegen des hohen Energiebedarfs besonders schwer. Welches ist nun das größte Problem der Bäckereien und Konditoreien?
Kurzfristig sind sicher die Energiekosten ein großes Problem und man muss wirklich mit allen Mitteln versuchen, die Kosten im Griff zu behalten. Mittel- und langfristig jedoch wird der Arbeitskräftemangel, der jetzt schon akut ist, schwerwiegender sein – auch aufgrund der Tatsache, dass immer weniger Jugendliche sich in diesem Beruf gut ausbilden lassen.
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Kommentare (9)
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andreas1234567
Hallo nach Südtirol,
ernsthaft, eine 6-Tagewoche ist Standard?
Mein Leben wegschmeissen (das heisst 6-Tagewoche) für einen Dreckslohn damit sich Adipöse mit Zuckerwerk den Wanst stopfen können?
Im übrigen, bei uns in D schafft in unserer Firma ein Wachdienstmann, mies bezahlt und immer Nachtschicht. Der hat mir erzählt das war eine fundamentale Verbesserung für ihn bei Leben und Gehalt zu seiner vorigen Anstellung. Da war er Konditor.
Gruss aus D
romy1988
andreas1234567: Nicht überall werden noch 6 Tage in der Woche gearbeitet, in den meisten Branchen – auch im Gastgewerbe – wird mittlerweile die 5-Tagewoche angeboten. Die Konditorei würde das ja gerne ändern, wenn genügend Personal zur Verfügung stünde. Was die Industrie anbelangt, so ist das alles andere als ein Traumjob. Ich kenne einige, die während Corona vom Gastgewerbe in die Industrie gewechselt haben. Von denen ist kaum einer dort geblieben, viele sind in ihren alten Job zurück.
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placeboeffekt
„Von denen ist kaum einer dort geblieben, viele sind in ihren alten Job zurück“
Wie aussagekräftig dein persönliches Umfeld ist, sei dahingestellt.
Wer im Gastgewerbe als Kellner arbeitet, ist meist extrovertiert. Zu so einen Typus Mensch passt ein eintöniger Job in der Industrie nicht. Andererseits, wem eine geregelte Arbeitszeit wichtig erscheint und eventuell auch noch höhere Ziele im Leben verfolgt, der ist andernorts besser als in der Gastwirtscahft aufgehoben.
Wir leben Gottseidank in einer Demokratie und nicht in einer Planwirtschaft.
andreas1234567
Hallo @romy1988
ein Handlanger in der chemischen Industrie ist tatsächlich eine arme Sau, muss irgendwelche Drecksarbeiten verrichten und der Lohn ist mies. Besser als der 6-Tagekonditor in Südtirol aber eben mies.
Deswegen hab ich auch darum geworben gleich über die Ausbildung in die Industrie zu rutschen, dann gibt es tatsächlich und sehr sicher die von mir versprochenen Nettolöhne.
Junge Leute mit handwerklichem Geschick und Bereitschaft zur Schichtarbeit sind in D,A,CH dringend gesucht, wer jetzt Bewerbungen abschickt kann im Sommer 23 die Ausbildung beginnen und ist Ende 26 fertig mit der Ausbildung wo es zwischen 1000 bis 1200 Euro gibt.
Das Einstiegsgehalt nach der Übernahme wird wenigstens 3000 Euro betragen, Netto..
Gruss aus D
olle3xgscheid
Es treffen schon viele Faktoren zusammen, heißt mit einem.Durchschnitt von 1.6 Kindern wird’s auch nicht besser.
Zudem schicken die Eltern ihre Kinder zum studieren, was , wissen sie nicht, eine Matura ist heute Standard und ist auch gut so!
Hätte , hätte, Fahradkette…. es gibt schon Möglichkeiten Mitarbeiter zu halten und das Gehalt spielt natürlich eine Rolle aber da wird gewartet bis sie kündigen..
Find ich schade denn Handwerk “ hätte“ guten Boden