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„Das wäre undenkbar“

Foto: Südtiroler Sanitätsbetrieb/ Ivo Corrà

Die neue italienische Regierung hat den Kurs in der Corona-Politik geändert. Was Covid-Einsatzleiter Patrick Franzoni über die neue Linie der Regierung denkt.

Tageszeitung: Herr Franzoni, die italienische Regierung hat entschieden, die Maskenpflicht in den Krankenhäusern beizubehalten. Aus medizinischer Sicht die richtige Entscheidung?

Patrick Franzoni: Uns geht es nur um die Patienten, speziell natürlich um die fragilen Patienten, die besonders gefährdet sind. Nicht nur das Coronavirus, sondern auch das Influenza-Virus ist unterwegs. Wir haben bereits viele Fälle registriert. Mit einer Maske verhindert man die Ansteckung, daher wollen wir den Patienten weiterhin entgegenkommen und sie sicher untersuchen und behandeln. Deshalb begrüßen wir es, dass die Maskenpflicht in den Krankenhäusern beibehalten wird. Es wäre undenkbar, von heute auf morgen alle Maßnahmen aufzuheben, es werden ja nach wie vor die gleichen Patienten behandelt.

Sie begrüßen also die Entscheidung der Regierung?

Es geht hier nicht um ein politisches Gesetz, sondern um den korrekten Umgang mit infektiösen Krankheiten. Corona ist eine hochansteckende Krankheit, mit der wir gerade in diesen Zeiten vorsichtig umgehen müssen. Unabhängig von den Entscheidungen der Regierung treffen solche Entscheidungen ohnehin die ärztlichen Direktionen. Sie koordinieren diese mit der Generaldirektion und den Primaren der Krankenhäuser. Als Arzt muss ich sagen, dass die Entscheidungen am Krankheitsbild selbst nichts ändern. Sars-Cov-2 ist eine Krankheit, die im Moment für junge gesunde Menschen kein Problem darstellt, für Personen mit Vorerkrankungen kann das Virus aber nach wie vor für Probleme sorgen. Genauso verhält es sich mit dem Influenzavirus. Wenn wir beispielsweise an Patienten, die eine Knochenmarktransplantation durchgeführt haben. Es handelt sich dabei um Menschen, die so gut wie kein Immunsystem haben. Für sie ist jede Krankheit gefährlich, dasselbe gilt für die Intensivstation. Die Masken wurden auch vor der Pandemie bei kritischen Personen benutzt. Man macht also sehr viel Wind, um etwas, was medizinisch ohnehin schon einleuchtend ist. Wenn der Staat irgendwann entscheidet, das Gesetz abzuschaffen, bleibt es trotzdem Aufgabe der Ärzte, die Patienten so gut wie möglich zu betreuen und sie durch den Klinikaufenthalt nicht in Gefahr zu bringen.  Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass wir eine einheitliche Linie vertreten.

Wie meinen Sie das?

Wie gesagt, werden die Entscheidungen mit der Generaldirektion koordiniert. Das heißt, wir müssen schauen, dass sich die Bürger in Südtirol in allen Krankenhäusern an die gleichen Regeln halten müssen. Es handelt sich dabei nicht um Maßnahmen, die gegen jemanden gehen, sondern es geht immer um das Wohlergehen des Patienten. Die Maske hilft, die Weitergabe respiratorischer Viren einzuschränken.

Weitaus aufsehenerregender ist der Beschluss der Regierung, die Impfpflicht für das Sanitätspersonal aufzuheben. Wie viele Pfleger und Ärzte werden nun zurückkommen?

In Südtirol handelt es sich um über 200 Personen. Ob diese auch zurückkommen, wissen wir natürlich nicht. Wichtig ist aber, dass der Großteil der Ärzte und Pfleger geimpft ist. Die bisher suspendierten Personen sind nun Arbeitskräfte, die dabei helfen, die Kernaktivitäten der Krankenhäuser aufrecht zu erhalten, beziehungsweise schneller abzuarbeiten. Corona ist nach wie vor eine große Belastung für die Spitäler, weil man einfach viel organisieren und viel aufpassen muss. Ich spreche mich also dafür aus, dass das suspendierte Personal zurückkehren darf. Wir brauchen nämlich Personal, wir haben durch Corona viel Zeit verloren, viele Visiten müssen aufgeholt werden. Wie genau die Personen zurückkehren, steht noch nicht fest.

Sie nehmen die suspendierten Pflegekräfte und Ärzte also gerne wieder ins Krankenhaus auf?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass eine Impfung wichtig ist, sehe es als marginal an, wenn 220 Personen diese nicht haben. Wir brauchen das Personal, da wir einen Mangel haben. Es ist gut, wenn diese Personen, die ja nach wie vor beim Sanitätsbetrieb angestellt sind, uns dabei helfen, die Wartelisten abzuarbeiten. Der große Vorteil ist, dass über 90 Prozent geimpft sind. Man hat damit dafür gesorgt, dass dort, wo es notwendig ist, sichere Bedingungen herrschen. Die Pflicht selbst war aber immer eine politische Entscheidung. Genauso ist es jetzt bei der Abschaffung.

Die aktuelle Regierung scheint einen deutlich lockereren Kurs in Sachen Corona zu fahren. Sehen Sie darin ein Risiko?

Die Omikron-Variante des Coronavirus ist zwar sehr ansteckend, der klinische Verlauf ist aber sehr mild. Es gibt viel Personen, die mittlerweile ernsthafter an Grippe als an Corona erkranken. Die Situation hat sich deutlich geändert, der klinische Verlauf ist mild. Ein gewisser Teil der Bevölkerung ist nach wie vor gefährdet, aber sie haben auch Möglichkeiten sich zu schützen. Sie müssen sich impfen und bei Menschenansammlungen eventuell eine Maske tragen. Wie die politische Linie aussieht, ist nicht wichtig, ich bin in Sachen Corona ein Techniker. Wenn ich schaue, wie es in Deutschland, Schweiz oder Österreich aussieht, wo man diese Schritte bereits gesetzt hat, muss ich sagen, dass sie durchaus tragbar sind, dort gibt es nämlich nicht mehr Intensivpatienten. Man muss aber weiterhin den Verlauf genau beobachten. Solange er so bleibt, kann man eine Normalisierung begrüßen, wir müssen aber weiter mit dem Virus leben.

Interview: Markus Rufin

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