Der Präsident
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will mit der männlichen Anrede „il presidente“ angesprochen werden – und sorgt damit für neue Gender-Diskussionen.
von Lisi Lang
Giorgia Meloni ist die erste weibliche Ministerpräsidentin Italiens, dennoch will sie genau so angesprochen werden, wie ihre männlichen Vorgänger: „il presidente del consiglio“, also „der Ministerpräsident Giorgia Meloni“.
Im deutschen Sprachgebrauch klingt eine männliche Anrede für eine Frau mehr als holprig, Giorgia Meloni ist aber nicht die erste Frau, die in ihrer offiziellen Funktion mit der männlichen Anrede angesprochen werden möchte. So gab es auch schon Politikerinnen vor ihr, die auf das „il presidente“ oder „il ministro“ wertgelegt haben oder auch Frauen in leitenden Positionen in Kunst und Kultur, die auf das „il direttore“ bestanden haben.
Das Gendern sorgt seit vielen Jahren für intensive Diskussionen, vor allem im deutschen Sprachraum konnten in den letzten Jahren aber viele Schritte hin zu einer geschlechtergerechteren Sprache gemacht werden. Auch deswegen können viele Frauen nicht nachvollziehen, warum Meloni in ihrer Position jetzt darauf verzichtet. „Ich finde das wirklich sehr schade, weil Giorgia Meloni als erste Ministerpräsidentin Italiens eine Vorreiterin hätte sein können“, sagt Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit. Im deutschsprachigen Raum sei man was die geschlechtergerechte Sprache betrifft bereits viel weiter, als im italienischen, weiß Oberhammer, die gerade deswegen von einer verpassten Chance spricht.
Ulli Mair, Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen, kann die Diskussionen um die Bezeichnung der Ministerpräsidentin hingegen nicht nachvollziehen. „Ich denke, dass die italienische Regierung derzeit weitaus größere und dringendere Themen in Angriff zu nehmen hat, um die enormen Herausforderungen wie Inflation, hohe Energiepreise, Rettung der kleinen und mittleren Betriebe, Sicherung von Arbeitsplätzen, Renten usw. bewältigen zu können. Das Gendern eines Titels dürfte dabei nicht auf ihrer Prioritätenliste stehen – was mir an Meloni gefällt“, erklärt die Landtagsabgeordnete der Freiheitlichen. Diese Diskussion öffne wieder einen inhaltlichen Nebenschauplatz. „Mit Meloni an der Spitze ist weibliche Sichtbarkeit gegeben. Wenn Frauen Schwierigkeiten mit dieser Wahrnehmung haben, sollten sie bei sich nachspüren. Zudem haben wir doch inzwischen angeblich über 50 Geschlechter, nicht? Also dürfte die Bezeichnung „il presidente“ für Frau Meloni doch eigentlich kein Thema sein“, meint Ulli Mair.
Für Ulrike Oberhammer geht es aber nicht nur um diese Bezeichnung. „Was die Rechte der Frau angeht, ist sie weit entfernt von unserer Sichtweise“, sagt Oberhammer, die u.a. die Bezeichnung oder Besetzung der neuen Ministerien kritisiert. „Sie hat den Bereich Chancengleichheit der Familie zugeordnet – aber Frau ist nicht gleich Familie, Frau ist nicht nur Familie. Chancengleichheit ist eine transversale Aufgabe“, unterstreicht Ulrike Oberhammer. „Ich befürchte einfach, dass wir im Bereich Frauenreche keine großen Sprünge machen werden“.
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