Der schlaue Metzger
Am Bozner Landesgericht werden nun vermehrt Strafverfahren wegen Verletzung der Quarantäne-Regeln abgehandelt. Mit unterschiedlichem Ausgang für die Betroffenen.
von Thomas Vikoler
Am 16. Mai 2020 erließ die römische Regierung ein Dekret (Nr. 33) zur Quarantäne-Pflicht für Corona-Positive näher geregelt wurde, nachdem ein früheres Dekret vom 25. März 2020, also zu Beginn der Pandemie, für erhebliche Verwirrung gesorgt hatte. Doch auch dazu behängen in Bozen Strafverfahren.
Dekret Nr. 33 definierte die sogenannte verpflichtende oder gesetzliche Quarantäne für jene Personen, die vom Sanitätsbetrieb positiv getestet wurden und legte die Strafen bei Zuwiderhandlungen fest, die weiterhin gelten: Wer die Quarantäne bzw. sein Haus verlässt, muss mit einer Gefängnisstrafe von drei bis 18 Monaten und einer Geldstrafe von 500 bis 5.000 Euro rechnen.
In Südtirol wurden während der zwei Jahre der Pandemie zahlreiche Strafanzeigen wegen Verletzung der Quarantäne-Pflicht für Covid-Positive gemäß Dekret Nr. 33 erstattet. Sie werden nun gerichtlich abgehandelt – mit unterschiedlichem Ausgang für die Betroffenen.
Etliche Angezeigte haben inzwischen einen Strafbefehl (decreto penale) der Staatsanwaltschaft erhalten und akzeptiert. Dort wurde gegen sie in den meisten Fällen eine Geldbuße von 3.375 Euro verhängt. 3.375 Euro als Ersatz für einen Monat und 15 Tage Haft.
Bei einem Strafdekret wird die Mindeststrafe für Unbescholtene um die Hälfte herabgesetzt.
Auch ein Metzgermeister aus dem Pustertal bekam einen derartigen Strafbefehl zugestellt, weil er von den örtlichen Carabinieri außerhalb seiner Wohnung erwischt wurde, obwohl der Sanitätsbetrieb ihm nach einer Corona-Infektion eine Quarantäne auferlegt hatte.
Der Metzger legte Beschwerde gegen den Strafbefehl ein. Sie wurde nun in einer Hauptverhandlung am Landesgericht vom zuständigen Strafrichter angenommen, er kommt damit straffrei davon.
Der Angeklagte konnte über seinen Anwalt Othmar Walde nachweisen, dass es an jenem Tag für ihn unabdingbar gewesen war, die Wohnung zu verlassen, um sich in die nahe gelegene Räucheranlage der Metzgerei zu begeben. Der Richter akzeptierte die Rechtfertigung des Metzgers, auch wenn er – zumindest theoretisch – einen Angestellten mit dem Dienst an der Räucheranlage hätte beauftragen können.
Auf jedem Fall braucht er wegen des Quarantäne-Bruchs keine Strafe bezahlen und wird auch nicht ins Strafregister eingetragen.
Zu Dekret Nr. 133 hat jüngst das Verfassungsgericht unter Vorsitz seines Präsidenten Giuliano Amato ein bemerkenswertes Urteil gesprochen.
Es legte zu einem Fall des Landesgerichts Reggio Calabria fest, dass von der Quarantäne-Bestimmung lediglich Artikel 16 der Verfassung (Bewegungsfreiheit) und nicht Artikel 13 (persönliche Freiheit) betroffen sei. Der Richter in Reggio Calabria, der die Verfassungsfrage aufgeworfen hatte, war zum Schluss gekommen, dass die Quarantäne mit einem Hausarrest (also U-Haft) gleichzusetzen sei.
Das ist laut Urteil des Verfassungsgerichts nicht der Fall:
Es geht um das Recht auf Bewegungsfreiheit, das zum Gesundheitsschutz eingeschränkt werden kann – wie der Fall des Pusterer Metzgers zeigt, auch mit Ausnahmen.
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Kommentare (1)
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artimar
Im zeitlichen Abstand wird man heute einiges anders bei der Umsetzung der Verwaltungsmaßnahme sehen.Wohl ebenso die nun erst jetzt verhängten Sanktionen zu Verwaltungsübertretungen, die heute gar keine mehr darstellen, werfen Fragen auf. (Unmittelbarkeitsprinzip …)
Es bräuchte für all diese Fälle wohl eher längst eine Amnestie. Da ist die nationale Politik gefordert. Man denke nur an all jene (grundimmunisiert) Geimpften (50+), denen ohne medizinische Gründe plötzlich durch die Verwaltung die Gültigkeit ihres Green-Passes kurzfristig verkürzt wurde und auch keinen fristgerechten Termin für ihre 3. Impfung bekamen.