„Das Reihenhaus hat ausgedient“
Die eigenen vier Wände, am besten im Reihenhaus: Das ist in die Südtiroler DNA eingeschrieben. Die Ansprüche sind sehr hoch, aber nicht mehr zu bezahlen. Ein gefördertes Reihenhaus kostet 700.000 Euro. Da ist die Wohnbauförderung oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
von Silke Hinterwaldner
Leonhard Resch weiß, wovon er spricht. Jeden Tag hat er mit jenen Menschen zu tun, die sich einen Traum erfüllen möchten. Einen Traum, den in Südtirol sehr viele Menschen träumen, jenen vom Eigenheim. Das eigene Häuschen oder wenigstens ein Reihenhaus. Und wenn auch das nicht geht, zumindest eine Eigentumswohnung.
Natürlich muss man sich fragen, warum gerade in Südtirol der Wunsch nach dem Eigenheim so groß ist, warum es für viele Menschen schlicht nicht denkbar ist, in eine Mietwohnung zu ziehen. Diese Frage muss man sich umso mehr stellen, seit die Baukosten durch die Decke gehen, die Preise für Energie ungeahnte Höhen erreichen und die Inflation die Scheine aus der Brieftasche saugt. Grundsätzlich gilt aber immer noch: Frau und Herr Südtiroler möchten in der eigenen Garage das Auto parken (oder am besten zwei), im Wohnzimmer im Stock darüber sollen das Sofa und der Flachbildschirm stehen, auch die Küche muss all das haben, was der Nachbar auch hat, modern und technisch auf höchstem Niveau. Die Ansprüche an das Eigenheim sind groß, da wird kaum verzichtet.
Aber all das ist längst so teuer geworden, dass man sich fragt, wie das gehen soll. Leonhard Resch berät in der Arche Menschen, die über Wohnbaugenossenschaften ihren Traum vom Eigenheim erfüllen wollen.
Er schätzt, dass ein Reihenhaus (schlüsselfertig, aber ohne Einrichtung) leicht 700.000 Euro kosten kann. Welche Südtiroler Durchschnittsfamilie soll so etwas bezahlen können? Wie sollen Banken dies über ein Darlehen finanzieren? Und: Was nützt eine Wohnbauförderung über, sagen wir, 30.000 Euro, wenn das Haus tatsächlich 25 Mal mehr kostet? Übrigens: Bauunternehmer Michael Auer erklärt, dass auf dem freien Markt ein Reihenhaus unter einer Million Euro sicherlich nicht mehr realisierbar ist.
Womit der Anlass für die Debatte erklärt werden soll: In der vergangenen Woche sind SVP-intern Arbeitnehmer-Vertreterinnen auf die Barrikaden gestiegen, weil eine Mehrheit die Senkung der Punkteanzahl von 23 auf 20 verhindert hatte.
Das bedeutet: Die zuständige Landesrätin Waltraud Deeg hatte lange angekündigt, dass für die Auszahlung eines Beitrages bei Neubau nicht mehr 23, sondern nur mehr 20 Punkte nötig sind. Diese Punkte setzen sich aus Berechnungen der Familiensituation und des Einkommens der Antragsteller zusammen – ein kompliziertes System.
Zusammenfassend kann man sagen: Für die Zuweisung von gefördertem Bauland reichen 16 Punkte – das schaffen sehr viele in Südtirol.
Um für den Kauf einer Wohnung einen Beitrag zu bekommen, reichen 20 Punkte, bei Neubau aber sind derzeit 23 Punkte nötig. Viele fallen durch das Raster, was aber eigentlich nur bedeutet, dass sie kein Geld vom Land bekommen, sehr wohl aber die (finanziellen) Vorteile im geförderten Wohnbau durch die Hilfen bei Erschließungs- und Grundstückskosten. Und: Bei „nur“ 23 Punkten kann man sich vielleicht 25.000 oder 35.000 Euro an Wohnbauförderung erwarten, ein Haus bauen kann man damit aber nicht. „Das ist zwar auch viel Geld“, sagt ein Experte, „aber davon kann keiner abhängig machen, ob er sich tatsächlich ein Reihenhäuschen leisten kann.“
Zurück zu Leonhard Resch. Er ist Geschäftsführer der Arche im KVW, die seit über 20 Jahren Wohnbaugenossenschaften betreut und die Menschen dabei unterstützt, den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.
Resch sagt rundheraus: „Das Reihenhaus ist ein Auslaufmodell.“
Das hat mehrere Gründe. So ist Wohnraum grundsätzlich knapp und teuer in Südtirol. Um die Verbauung nicht ausufern zu lassen, hat die Politik Steuerungsinstrumente, auch im neuen Gesetz für Raum und Landschaft. Klar ist dabei: Ein Mehrfamilienhaus mit Wohnungen frisst weniger Grün als ein Reihenhaus.
Die Verbauung geht derzeit aber vor allem aufgrund der exorbitanten Preise zurück. Ist man im geförderten Wohnbau bis vor wenigen Jahren noch mit weit weniger ausgekommen (bauen war aber schon lange sehr teuer), so kostet mittlerweile das Reihenhaus mindestens 650.000 Euro. „Aber“, sagt Resch, „in diesem Fall muss man sich schon sehr, sehr anstrengen und alles optimieren.“
Aber, wer kann so etwas bezahlen, Herr Resch?
„Das Reihenhaus ist mittlerweile überholt, gerade im geförderten Wohnbau. Dafür benötigt man sehr viel Grund und Boden und es ist so teuer geworden, dass sich den Bau all jene, für die die Wohnbauförderung erdacht ist, nicht mehr leisten können. Die Zukunft des Wohnbaus liegt in kleineren Wohnungen, in Mehrfamilienhäusern mit Wohnungen unterschiedlicher Größen.“
Alles schön und gut. Aber das eigene Häuschen ist etwas, das ganz weit oben steht auf der Prioritätenliste des durchschnittlichen Südtirolers. Geben die jungen Leute diesen Traum nun mir nichts dir nichts auf? Geht das überhaupt? „Die Dinge ändern sich tatsächlich“, sagt Leonhard Resch. Er beobachtet immer öfter, dass die Menschen auch Wohnungen kaufen und auf das selbst Planen und Bauen verzichten. Oder am Land weisen die Gemeinden Zonen für geförderten Wohnbau aus, auf denen dann gemeinsam unterschiedlich große Wohnungen und keine Reihenhäuser gebaut werden.
Dass Bauen immer teurer wird, wirkt sich freilich auch auf die Größe der Wohnungen aus: Im Mehrfamilienhaus werden die größeren Wohnungen im Schnitt knapp 100 Quadratmeter groß (Nettofläche), während früher im Reihenhaus 110 Quadratmeter als Standard galt (in Keller- und Dachgeschossen wurde gern die maximal mögliche Kubatur ausgereizt). Aber das alles ist eben eine Preisfrage geworden: Während die 100 Quadratmeter große Wohnung im Mehrfamilienhaus heute für 450.000 Euro zu haben ist, kostet das Reihenhaus pauschal mindestens 200.000 Euro mehr.
Im Jahr 2015, sagt Rainer Giovanelli, Direktor im Amt für Wohnbauförderung, habe man die verpflichtende Punkteregelung wieder eingeführt – vor allem, weil die Geldmittel knapper wurden. Auch die Frage des Flächenverbrauch spielte und spielt immer eine maßgebliche Rolle. „Die Frage ist“, sagt Giovanelli, „was will man fördern?“ Diese Frage wird kontrovers diskutiert – wie sich letzthin auch im SVP-internen Streit mit den Arbeitnehmern offenbart hat.
Im Amt für Wohnbauförderung schlagen sich die Preisentwicklungen der vergangenen Monate noch nicht unmittelbar nieder. „Leider“, sagt Giovanelli, „sind bei uns die Bearbeitungszeiten lang, momentan bearbeiten wir noch Gesuche von 2021. Wir bekommen die Entwicklungen insofern erst verzögert mit.“ Aber Gemeinden und auch Bauwillige lassen durchklingen, dass weniger Benutzungsgenehmigungen ausgestellt werden, dass weniger Gesuche um geförderten Wohnbau eingehen, dass weniger gebaut wird.
„Der Wohnraum ist in Südtirol knapp, Bauen ist teuer“, sagt Rainer Giovanelli, „Südtirol ist ein begehrtes Land, es gibt auch Druck von außen, wo Leute bereit sind, mehr für Wohnraum auszugeben. Das alles treibt die Preise weiter nach oben.“ Dabei ist es schwierig, etwa auf politischer Ebene regulierend einzugreifen
Kommentare (12)
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