„Ihr arbeitet zu wenig“
Der Enzian-Politiker Josef Unterholzner liefert dem Landtag die Lösung der Wirtschaftskrise: Die Menschen müssten mehr arbeiten – denn dann hätten sie auch weniger Zeit, ihr Geld auszugeben. Das Wortprotokoll.
von Matthias Kofler
Mittwoch, früher Nachmittag: Diego Nicolini erhält von Landtagspräsidenten Rita Mattei das Wort, um seinen Beschlussantrag vorzustellen. Es geht darin um die Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38 auf 36 Stunden – bei gleichem Lohn. Auch soll das Smart Working in der öffentlichen Verwaltung erleichtert werden. In Italien werde mehr gearbeitet als in Deutschland, betont der Grillino. „Mein Antrag ist daher ein Beitrag, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.“
Die Freiheitliche Ulli Mair ist die erste Abgeordnete, die zum Nicolini-Vorstoß Stellung nimmt:
„Ich habe den Eindruck, dass ich auf einem anderen Planeten zu Hause bin als der Kollege Nicolini. Ich möchte keine Spaßbremse sein – ganz sicher nicht. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sagen mir, dass es in den öffentlichen Ämtern unendliche lange Wartezeiten gebe. Die Arbeit daheim kann nicht dieselbe sein wie die Arbeit vor Ort. Es kann nicht sein, dass man für einen Totenschein eine Ewigkeit warten muss. (Mair fuchtelt mit den Händen, weil sich eine Mücke in den Plenarsaal verirrt hat) Wenn der Freitagnachmittag frei bleibt, dann wird die Verwaltung vielleicht sparen, aber auf Kosten der Bürger und Betriebe.“
Auch Grünen-Politiker Hanspeter Staffler sieht die 36-Stunden-Woche skeptisch: Es sei zwar gut gemeint, man bräuchte aber sofort 1.500 zusätzliche Mitarbeiter, um die Dienstleistungen abzudecken. Anschließend meldet sich der SVP-Abgeordnete Helmut Tauber zu Wort, der bekennt:
„Ich hatte heute schon mehrere Male Bauchweh. Jetzt habe ich wieder Bauchweh. (Ein Abgeordneter ruft ihm scherzhalber zu, er solle einen Corona-Test machen). Ok, dann werde ich mich testen lassen. Wir müssen den Leuten draußen sagen, wer in Zukunft noch arbeiten sol. Wir reduzieren auf drei Tage, schalten die Druckmaschine an und schmeißen das Geld auf die Welt herunter. (Er spielt die Szene mit seinen Händen nach).“
Nach den eindringlichen Worten des SVP-Abgeordneten sieht sich Josef Unterholzner genötigt, Stellung zu beziehen. Der Enzian-Politiker liefert dem Landtag die „Lösung“ der Wirtschaftskrise:
„Lieber Unternehmerkollege Nicolini, Sie sollten eigentlich wissen, dass hochmotivierte Mitarbeiter ganz selbstverständlich weit mehr als 36 Stunden arbeiten. Aufgrund meiner Erfahrungen kann ich sagen: Weniger arbeiten und mehr Geld funktioniert mit Sicherheit nicht! Umgekehrt sehr wohl: Mehr arbeiten, weniger Kosten! Denn wann brauchen die Menschen das Geld? In der Freizeit. Je mehr sie Freizeit haben, desto mehr verbrauchen sie Geld. Zigmal sind Arbeiter zu mir gekommen, um mehr Geld zu verlangen. Meine Antwort lautete: Dann arbeitet ihr zu wenig, denn in der Arbeitszeit braucht ihr kein Geld.“
Dieser These widerspricht der SVP-Arbeitnehmer Helmuth Renzler entschieden: Die heutigen Arbeitszeiten seien hart erkämpft worden – und man lebe nicht ausschließlich für die Arbeit. Er sei wie Nicolini für eine Reduzierung auf 36 Stunden, aber verbunden mit einer Lohnerhöhung, da man mit mehr Freizeit mehr Geld brauche, wie Unterholzner gesagt habe. Die Grüne Brigitte Foppa will von Renzler sogleich wissen, ob seine Aussage ein „Witz“ gewesen sei. Wer mehr Freizeit habe, brauche nicht unbedingt mehr Geld, manche würden in der Freizeit Freiwilligendienste verrichten, im Garten arbeiten oder hätten Angehörige zu pflegen.
Der Antrag der 5-Sterne-Bewegung zur 36-Stunden-Woche wird mit vier Ja, 18 Nein und sieben Enthaltungen abgelehnt.
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