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Gegen den Mainstream

Am heutigen 3. Oktober wird in der Diözese Bozen-Brixen das liturgische Gedenken an Josef Mayr-Nusser begangen.

Bis 2017 waren die Gebeine von Josef Mayr-Nusser in der Kirche von Lichtenstern bestattet.

Der Präsident des Hauses der Familie Heiner Oberrauch lud heute Früh engagierte Menschen aus Südtirols Soziallandschaft zu einer Gedenkviertelstunde in die Waldkirche von Lichtenstern ein und griff dabei das diözesane Thema zum heurigen Gedenktag auf:

„Widerstand: Wann fängt er an?“ Eigenständig denken sei die Basis für Widerstand, sagte er zu den zwei Dutzend Teilnehmenden. Bildung fördere das Denken. Jede:r einzelne sei aufgerufen, zu überlegen, wie wir leben wollen, damit die Zukunft wieder ein Versprechen werde und keine Bedrohung darstelle.

Der erste Schritt sei enorm wichtig und gar nicht schwer: Selbst denken!, sagte Heiner Oberrauch.

Er betonte unter anderem, dass der ständige Medienkonsum uns daran hindere, eigenständig zu denken. Was wir über uns selbst, über andere Menschen, über Einrichtungen, über Recht und Unrecht, über Handlungen und ihre Konsequenzen denken, wirke sich auf unser Tun aus. Unkritisches Denken habe Fehler in der Lebensplanung zur Folge und könne im Umgang mit anderen zu Unrecht führen, weil es verhindert, erste Eindrücke zu relativieren, Vorurteile, Rassismus und Sexismus als solche zu entlarven und Gerüchte oder üble Nachrede auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

„Kritisches Denken ermöglicht es uns, komplexe Zusammenhänge zu durchschauen“, sagte Heiner Oberrauch. Unkritisches Denken hingegen sei Ursache dafür, dass Menschen auf Propaganda hereinfallen, sich manipulieren lassen und Machtmissbrauch nicht erkennen.

Toni Fiung, Südtirols Familienseelsorger, leitete die heutige Gedenkfeier als geistlicher Rektor im Haus der Familie. Josef Mayr-Nusser habe die Zeichen der Zeit erkannt und danach gehandelt, sagte er: „Der Seliggesprochene stellte sich gegen den Mainstream, obwohl er ahnte, dass ihn seine Eidesverweigerung das Leben kosten würde.“

Und doch sei er seinen Weg konsequent gegangen. Josef Mayr-Nusser habe den Mut aufgebracht, die Stimme gegen das nationalsozialistische und rassistische Gedankengut zu erheben. ‚Zeugnis geben ist heute unsere einzige, schlagfertigste Waffe’, hat Josef Mayr-Nusser 1938 geschrieben.

„Seien wir auch im Jahr 2022 mutig, uns für Schwächere einzusetzen“, plädierte Toni Fiung angesichts von explodierenden Energiepreisen und steigender Inflation. „Befreien wir uns vom Konsumvirus“, sagte Toni Fiung. „Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche und bieten wir jenen Menschen Unterstützung, die sie dringend brauchen“, spannte Toni Fiung den Bogen zum sozialen Engagement von Josef Mayr-Nusser.

Die Teilnehmer:innen der Gedenkfeier frühstückten nach der Gedenkfeier im Haus der Familie gemeinsam und tauschten sich über die Herausforderungen unserer Zeit aus.

Zur Person Josef Mayr-Nusser

Josef Mayr wurde am 27. Dezember 1910 auf dem Nusserhof am Bozner Boden geboren. Nach dem Abschluss der Handelsschule wurde er kaufmännischer Angestellter in Bozen. Bei der Option 1939 entschloss sich Josef Mayr, entgegen der Mehrheit der SüdtirolerInnen, in der Heimat zu bleiben. Am 26. Mai 1942 heiratete er Hildegard Straub. Ein gutes Jahr später kam Sohn Albert zur Welt. Josef Mayr trat unter anderem der Bozner Vinzenzkonferenz bei und lebte so sein Christsein im Alltag. 1944 wurde er zur SS einberufen.

Einen Tag vor der Eidesleistung erklärte Josef Mayr, dass er den Eid auf Hitler aus Gewissensgründen nicht leisten könne. Er wurde in Danzig wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt und sollte in Dachau erschossen werden. Auf dem Weg dorthin ist Josef Mayr am 24. Februar 1945 in Erlangen in einem Viehwaggon seinen Strapazen erlegen. Am 1. März 1945 wurde er in Erlangen begraben.

Im Februar 1958 wurden seine Gebeine nach Südtirol überführt und in der Kirche von Lichtenstern beigesetzt. Am 18. März 2017 wurde Josef Mayr-Nusser im Bozner Dom selig gesprochen. Seine sterblichen Überreste sind seither im dortigen Märtyreraltar bestattet.

Bischof Ivo Muser hat den 3. Oktober zum liturgischen Gedenktag an Josef Mayr-Nusser bestimmt: Das ist der Vortag jenes Tages, an dem sich Mayr-Nusser (im Jahr 1944) geweigert hat, aus religiösen Gründen den Treueeid auf das nationalsozialistische Regime zu schwören.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (1)

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  • gerhard

    Hochachtung vor der Geradlinigkeit und der felsenfesten Überzeugung des Herrn Mayr-Nusser. Er ist für seine Überzeugung und Wiederstand gegen Hitler gestorben.
    Ich kann ja verstehen, wenn man verwestes Fleisch und Knochen nach 13 Jahren wieder ausgraben möchte, um es in der Heimaterde zu bestatten.
    Aber warum man weitere 59 Jahre später den Rest nochmals ausbuddeln muss, um es in einem Dom zu vergraben, das verstehe ich beim besten Willen nicht.
    Der Fetisch um Selige und Heilige in der katholischen Kirche ist schon arg befremdend.

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