Die Schlammschlacht
Veruntreute Spendengelder, Betrugsvorwürfe und eine nie eingereichte Sammelklage: Wie das Kartenhaus der Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker zusammenbricht.
von Artur Oberhofer
Die Szene war kabarettreif: Vier Herren, adrett gekleidet, und drei Damen, davon eine mit schneeweißer Bluse und kecker Bund-Deutscher-Mädel-Frisur, sitzen in einem spartanisch eingerichteten Sitzungssaal. Sie debattieren über die Corona-Impfung.
Irgendwann erteilt „Bundeskanzler“ Reiner Füllmich das Wort an die per Video aus Bozen zugeschaltete „Justizministerin“ Renate Holzeisen (siehe das VIDEO ganz oben).
In dieser Sitzung beschließt die „Interimsregierung“ unter „Kanzler“ Füllmich die Corona-Impfung auszusetzen.
So geschehen im September vergangenen Jahres.
Das Video sorgte auch in Südtirol für großes Aufsehen, weil spätestens jetzt klar war, dass die Bozner Anwältin Renate Holzeisen in zweifelhafter Gesellschaft gegen Corona-Maßnahmen kämpft – und dass sie zu einer wichtigen Akteurin in der sogenannten No-Vax-Szene geworden ist..
Der von Reiner Füllmich gegründete „Corona-Ausschuss“ hat nicht nur in bester Staatsverweigerer-Manier eine Interimsregierung gebildet und wöchentlich geschauspielert, Bundesregierung zu sein, sondern er wurde im Laufe der Monate zur Dachorganisation der Querdenker, Schwurbler, Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Sprachraum.
Renate Holzeisen rechtfertigte ihr Engagement in der Querdenker-Bewegung damals damit, dass – Zitat – „weltweit Planspiele organisiert werden, in denen Experten bis hin zu einfachen Bürgern in die Rolle von Politikern schlüpfen und konkrete Situationen simulieren“.
An Renate Holzeisens Sympathien für Füllmich & Co. änderte auch der Umstand nichts, dass der „Bundeskanzler“ allen Ernstes behauptete, dass die tatsächlich Regierenden in Europa an den Bau von „KZ’s für Nichtgeimpfte“ dächten.
Nun, ein Jahr später, wäre Renate Holzeisen vermutlich froh, wenn sie Reiner Füllmich und dessen Stellvertreterin Viviane Fischer nie kennengelernt hätte.
Der Grund: Unter den Corona-Leugnern ist jetzt eine wüste Schlammschlacht ausgebrochen. Viviane Fischer, die vor Corona als Rike Feurstein eine gefeierte Hutmacherin war, beschuldigt Füllmich, eine Millionen Euro unterschlagen zu haben.
Füllmich schlägt zurück: „Viviane ist entweder behämmert oder sie leidet an einer psychischen Störung.“
Reiner Füllmich, ein Anwalt aus Göttingen, wurde bekannt, weil er eine weltweite Sammelklage gegen die Hassfiguren der No-Vax-Szene, RKI Chef Lothar Wieler, und den Star-Virologen Christian Drosten versprach.
Mit der Sammelklage wollte Füllmich die Pandemie als Fake entlarven und Schadenersatz von Drosten & Co. erkämpfen.
Das ist das „Anklage“-VIDEO von Viviane Fischer
Um dabei zu sein, zahlten Verschwörungsgläubige 800 Euro plus Mehrwertsteuer. Die Sammelklage ist bis heute nicht eingereicht. Wie viele Menschen dem Anwalt auf den Leim gegangen sind, weiß man nicht, da Reiner Füllmich die Zahl der Kläger, die er vertritt, nie genannt hat.
Tatsache ist allerdings, dass die „Stiftung Corona-Ausschuss“ – so nennt sich der Füllmich-Verein – viel, sehr viel Geld verwaltet.
So bestreitet Füllmich nicht, dass er Gelder aus den Corona-Ausschuss-Kassen an seine Anwaltskanzlei abgezwackt hat: 29.000 Euro im Monat!
Füllmich rechtfertigt die Zahlungen damit, dass, seine Kanzlei-Mitarbeiter 340.000 E-Mails hätten bearbeiten und beantworten müssen. Die vielen E-Mail hätten seine Kanzlei „lahmgelegt“.
Mehr noch: Vor einigen Monaten nahm sich Rainer Füllmich 700.000 Euro aus der Corona-Ausschuss-Kassa. Seine Gegner behaupten, mit dem Geld habe er die Schulden für seine Villa getilgt.
Füllmich hält dagegen: Nein, er habe das Geld „über einen Darlehensvertrag“ vom Corona-Ausschuss-Konto behoben, um sicherzustellen, dass das Geld „von den Behörden nicht gepfändet werden“ könne. Die 700.000 Euro seien „somit sicher gebunkert“ gewesen, weil der Corona-Ausschuss das Geld im Falle von Liquiditätsproblemen jederzeit hätte zurückfordern können.
Kleinlaut musste Füllmich einräumen, dass er gerade dabei sei, sein Haus zu verkaufen.
Kurzum: Das Kartenhaus der Corona-Leugner und Verschwörungstheoriker, die im Corona-Ausschuss einen seriösen Verein gesehen hatten, ist jetzt wohl in sich zusammengekracht.
Das sieht auch Renate Holzeisen so.
Gegenüber der TAGESZEITUNG erklärt die Impf-Kritikerin, die bei den Parlamentswahlen mit der Bewegung „Vita“ einen Achtungserfolg gelandet hat:
„Als Außenstehende – ich bin nicht Mitglied des Corona-Ausschusses, sondern war, wie viele andere internationale Experten, öfters in der Sendung zugeschalten– und als Rechtsanwältin, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren fast ausschließlich pro bono im rechtlichen Bemühen um Aufklärung zu nicht wissenschaftsbasierten Maßnahmen gearbeitet hat, stelle ich mit Entsetzen fest, dass aufgrund nicht transparenter Geschäftsgebarung des Corona-Ausschusses – die Vorwürfe wurden vom verbleibenden Teil des Ausschusses öffentlich kundgetan –, die sehr wertvolle Arbeit des Corona-Ausschusses indirekt in Misskredit gezogen wird.“
Kommentare (17)
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