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„Es ist wirklich traurig“

60 Südtiroler Viehbesitzer haben im Sommer ihre 300 Rinder und 100 Pferde auf den Hochflächen im Belluno und der Alm Rin Bianco auf Südtiroler Seite der Drei Zinnen weiden lassen. Laufend wurden die Tiere von Wölfen angegriffen, darunter auch das Pferd des Brixner Bauunternehmers Markus Obexer. 

von Erna Egger 

Markus Obexer ist zornig, sehr zornig: „Es ist wirklich traurig“, sagt er. Der Brixner Bauunternehmer hat seiner Tochter zwei Pferde geschenkt. Nelli – so der der Name der 4-jährigen Stute – und das Pony weideten im Sommer, wie in den vergangenen Jahren, auf den Almen, unterhalb der Drei Zinnen im Hochpustertal.

Insgesamt 300 Rinder und 100 Pferde von 60 Südtiroler Viehbesitzern und Landwirten verbrachten heuer auf den Hochflächen der Almen Rin Bianco, Popena und Maraia die heißen Monate, allesamt waren dem langjährigen Hirten Klemens Jungmann und seinem Kollegen Carlo aus dem Fassatal anvertraut worden.

Zum Herdenschutz wurde eine Weidefläche in Größe von 800 Hektar mit Holz- und Elektrozäunen eingezäunt.

„Wir haben 70 Kilometer Elektrozaun verlegt, aber diese Vorkehrungen schrecken die Wölfe nicht ab, wie sich im heurigen Jahr zeigte“, so Jungmann.

Der Hirte erzählt: „Die heurige Saison ist wirklich sch… verlaufen. Wir verzeichnen 12 gerissene Tiere, sechs Pferde und sechs Rinder. Weitere sechs trugen teils schwere Verletzungen davon. Es war ein einziges Blutvergießen.“

Am 20. Juli verzeichnete der Hirte die ersten Wolfsrisse. „Und dann hörte es nicht mehr auf: Immer wieder schlugen die Wölfe zu, einmal auf der einen, einmal auf der anderen Alm. Die toten und verletzten Tiere fanden wir zumeist morgens auf.“

Dem Hirten zerreißt es das Herz: „Die Wölfe haben oft nicht aus Hunger angegriffen, sondern aus dem reinen Blutrausch heraus. Sie reißen einem Rind ein Stück Fleisch heraus und attackieren dann das nächste. Die stark verletzten Tiere lebten manchmal noch einen Tag, weil wir sie nicht noch am selben Tag gefunden haben. Sie mussten schließlich aber erschossen werden.“

Der Hirte hat an verschiedenen Stellen auf den Weiden Kameras installiert: „Fast jeden dritten Tag haben die Kameras Wölfe gefilmt, insgesamt an die sechs Stück, die in Rudel zirkulieren. Es dürfte sich um mehrere Rudel handeln“, mutmaßt der Hirte.

In den letzten Tagen haben viele Bauern ihre Tiere abgetrieben, aber noch rund 200 Stück befinden sich auf der Alm. Am Samstag ist rund um die Drei Zinnen der erste Schnee gefallen, 160 Pferde und Kälber wurden deswegen bis zur Alm abgetrieben.

Und dort schlug der Wolf wieder zu: „Bereits am Sonntagmorgen lagen zwei Kälber tot bzw. schwerverletzt rund 50 Meter unter der Almhütte“, schildert Jungmann.

Die nächste Nacht hielten die Hirten mit Scheinwerfern Wache. „Wir waren uns sicher, dass der Wolf wiederkehrt. Stattdessen schlug er auf der Popena Alm zu und tötete dort zwei Rösser.“

Die beiden Hirten saßen in den letzten Wochen permanent wie auf Nadeln: „Man schläft nachts nicht mehr, weil man nicht weiß, auf welcher Alm man am Morgen zuerst nachschauen muss – immer mit der großen Befürchtung, wieder ein totes Tier zu finden.“

Der nächste Zwischenfall: In der Nacht auf Mittwoch wurde Nelli, das Pferd von Markus Obexer, angefallen, es trug zahlreiche Biss- und Kampfwunden am Kopf und an den Beinen davon. „Letztes Jahr hat der Wolf bereits eine unserer Ziegen auf der Alm gerissen“, sagt er.

Obexer ist am Donnerstag sofort ins Hochpustertal gefahren, um den Zustand seines Rosses zu begutachten. „Es ist wirklich schlimm. Meine Tochter, die an diesen Tieren hängt, hat sehr geweint“, so der Bauunternehmer.

Jungmann hat den Tierarzt verständigt: „Bevor nicht der Tierarzt und die zuständigen Polizeiorgane die Tiere begutachtet haben, dürfen wir sie nicht abtransportieren. Das Vieh muss mit den Schmerzen ausharren, das Leiden verlängert sich wesentlich“, prangern der Hirte und Obexer an.

In der Nacht auf Donnerstag, gegen 01.00 Uhr, hat Jungmann im Wald erneut Wölfe gesichtet, die Hirten konnten sie jedoch versprengen.

In der nächsten Woche – so hoffen die Hirten – werden alle Tiere ins Tal zu den Besitzern gebracht. „Die Tiere schneller ins Tal zu bringen, geht nicht, weil auch die Viehtransporter nicht zur Verfügung stehen.“

Aber auch dann – so ist sich Jungmann sicher – geht das Blutvergießen weiter: „Die Wölfe werden sicherlich dann die Weiden in Toblach aufsuchen.“

Jungmann fürchtet um die nächste Sommersaison: „Unter diesen Umständen wird kein Bauer mehr seine Tiere auftreiben, das wurde mir von vielen Tierhaltern auch schon mitgeteilt. Kein Besitzer füttert die Rinder oder Pferde den ganzen Winter mit Heu durch, um sie dann im Sommer auf die Alm zu bringen, wo sie vom Wolf getötet werden.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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