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„Gedämpfte Aussichten“

Toni Riegler, Nathalie Bellutti, Walter Steger, Reinhard Verdorfer

Bioland schlägt Alarm: Der nachhaltige Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft stagniert in Südtirol.

Südtirol hatte zu Jahresbeginn 1.506 Bio-Betriebe.

Rund 6% der landwirtschaftlichen Flächen werden biologisch bewirtschaftet. Während es in den Jahren 2015 bis 2019 einen jährlichen Zuwachs an Bio-Betrieben von 6,4 bis über 17 Prozent gegeben hatte, betrug der Zuwachs an Bio-Betriebe 2021 lediglich 1,8 Prozent.

Bei Bioland haben in diesem Jahr 30 Betriebe von der integrierten bzw. konventionellen Wirtschaftsweise auf Bioland umgestellt.

Dem gegenüber stehen 25 Kündigungen. „Bioland geht in Bezug auf die Umstellungen auf den Biolandbau deshalb heuer von einem Nullwachstum aus“, so Geschäftsführer Reinhard Verdorfer und er führt fort „auch die Aussicht auf das nächste Jahr bleibt verhalten.“ Was sind die Gründe, zumal die EU im Rahmen der Farm to Fork Strategie das europaweite Ziel vorgibt, 25% der landwirtschaftlichen Fläche in Europa bis 2030 nach biologischen Richtlinien bewirtschaften zu wollen?

Zum einen ist der Verzehr von biologischen Produkten der Familien in Italien bis Juli 2022 um 0,8% zurückgegangen im Vergleich zu Vorjahr.

Vor allem die klassischen Supermärkte geraten mit einem Minus von – 2,0 Prozent unter Druck, der Verkauf im Discount nimmt hingegen zu (+13,8%), so die Daten des italienischen Institutes zur Untersuchung des Lebensmittelmarktes ISMEA.

„Die steigenden Energiepreise und der Kaufverlust von ca. 2.300 Euro pro italienische Familie treiben die Konsumenten dazu, billiger einzukaufen. Bio steht für hohe Qualität mit entsprechendem Preis, da wird auch schon mal zum billigeren Alternativprodukt gegriffen; und das obwohl die Inflation für Bio-Produkte 2022 geringer ausfiel, als für konventionelle Produkte, und sich der Preisunterschied zwischen biologischen und konventionellen Produkten 2022 italienweit verringert hat“, so Verdorfer.

Foto: Bioland

Auf der einen Seite wird Bio vom Markt unter Druck gesetzt, auf der anderen Seite vom Thema des Megatrends der Nachhaltigkeit, innerhalb dessen es der Biolandbau anscheinend nicht schafft, seine führende Rolle zu kommunizieren. Am Markt gibt es verschiedene Produkte, die Einzelaspekte wie Klima- und Umweltschutz, artgerechte Tierhaltung oder Lebensmittelsicherheit versprechen. „Biologische Produkte vereinen alle diese Aspekte in einem Produkt, der Handel aber lanciert Aktionen mit Produkten, die einen „fast Bio“-Status signalisieren und der Konsument reagiert aufgrund der Fülle an Informationen bezüglich Nachhaltigkeit im Geschäft mit Verunsicherung“, so Verdorfer.

Die Wunschliste ist angesichts der gedämpften Aussichten von Bioland entsprechend lang: „In Südtirol braucht es grundsätzlich den Konsens, sei es von der Politik als auch von den führenden Verbänden, dass der Biolandbau die Speerspitze der Nachhaltigkeitsbewegung ist und hier als Leuchtturm gelten kann“, so Bioland Obmann Toni Riegler.

„Aus diesem Konsens folgt, dass bei den landwirtschaftlichen Flächenförderungen sowohl Aspekte wie landwirtschaftliche Biodiversität, Umweltschutz und artgerechte Tierhaltung, wie die Weidehaltung, zu berücksichtigen sind“, ergänzt Obmannstellvertreterin Nathalie Bellutti.

Zudem braucht es ein System, das die Umstellung auf den Biolandbau erleichtert. Dazu gehört, dass die Biokontrollen effizienter und günstiger für den Bauer bzw. die Bäuerin gestaltet werden sollen. „Aktuell, in einer grundsätzlich finanziell angespannten Situation, kündigen Betriebe bei uns, v.a. direktvermarktende Betriebe, Kräuterbetriebe und Betriebe mit Mutterkuhhaltung, weil die mit dem Biolandbau verbundenen Zusatzkosten eine finanziell zu große Belastung darstellen“, so Geschäftsführer Verdorfer.

Während die Stimmung unter den biologischen Apfel- und Weinbauern grundsätzlich zufriedenstellend ist, „ist die Stimmung in der Milchwirtschaft schlecht“, so Bioland Verwaltungsrat und Viehbauer Walter Steger.

„Angesichts der hohen Energiepreise stellen sich viele Bauern, auch Bioland Bauern, die Frage, ob das Milchstellen überhaupt noch Sinn macht?“, so Walter Steger. „Wer eine Vollkostenrechnung macht, der kommt zum Schluss, dass aufgrund der verschiedenen Leistungen auf einem Milchviehbetrieb, inklusive der höheren Anforderungen auf Bioland Betrieben, ein Milchpreis von 1 Euro pro Liter Bioland-Milch die Basis für eine faire und nachhaltige Milchwirtschaft ist“, so Steger.

„Ein Euro für den Bauern bedeutet zwei Euro pro Liter Bioland-Milch im Regal. Nicht billig, aber die Entscheidung für 100% Nachhaltigkeit und eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Gesellschaft“, so Viehbauer Steger.

Bioland Südtirol ist mit rund 1.000 Mitgliedern und rund 30 Verarbeitern Südtirols größter Bio-Anbauverband und in Südtirol seit 1991 aktiv.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (6)

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  • sougeatsnet

    Vor 50-60 Jahren war Viehwirtschaft bei uns 150% bio und nachhaltig. So wurde es über Jahrhunderte betrieben, auch die Speckproduktion. Dann hat mit Massenproduktion, Zukauf von günstigem Futter und gezielter Züchtung begonnen. Diese Abhängigkeiten schaffen derzeit große Probleme.

  • andreas1234567

    Hallo nach Südtirol,

    mir hat eine Bergbäuerin erzählt der monatliche Strompreis für Stall und Maschinen ist von 200 auf etwas über 700 Euro gestiegen.
    Und die kalte Jahreszeit kommt nun erst noch..

    Die gewaltige und einmalige Beihilfe um 300 Euro pro GVE? Der Antrag ist seit Monaten raus..

    Und dann gibt es noch zwei spezielle Sorten Südtiroler..
    Die „Tierschützer“ denen keine Auflage und Bedingung für die Bauern hoch und absurd genug ist , da muss es schon das beste Futter und ein Stall ohne Anbindehaltung sein, die Wunschliste aus dem Phantasialand zu bedienen waren Investitionen nötig zund diese Kredite müssen jetzt bei steigenden Zinsen bedient werden.

    Und dann gibt es noch die Scheinheiligen die Samstagmorgens ihren Kleintransporter palettenweise mit Milch und Milchprodukten beim tagesaktuell billigsten Anbieter füllen um es im Edelhotel fein in Kristallschälchen und goldene Tellerchen umzugarnieren..

    Die Bergbauernhöfe sterben nicht, sie werden ermordet..

    Auf Wiedersehen in Südtirol

    • laura

      Ich versteh immer nicht nicht was nachhaltiger ist, bio oder integrierter Obstanbau. Wäre mal interessant mit Fachleuten darüber zu diskutieren….

    • gorgo

      Dir Deutschen kann man ja echt alles erzählen…uff .. wenn sie dir demnächst sagt, dass sie den Hof verkaufen und wegziehen, weil sie es einfach nicht mehr derpacken, dann wegen deiner Besuche, nicht das du da was missverstehst.

      Außerdem sollte man dich Mal 24h in einen Anbindestall zwischen zwei Schwarzbunte hängen.

  • dn

    Bioprodukte sind ok. Beispiel Apfel: Biobauern produzieren geringere Mengen pro Hektar bei höherem Arbeitsaufwand (= Kosten) und zusätzlich höheren Produktionskosten. Lidl, z.B., will aber nicht einen fairen Preis bezahlen, fordert aber einwandfreie Qualität. So wird das nix.

  • gulli

    @dn wieso haben eigentlich Biobauern, wenn sie pro ha geringere Mengen produzieren, den höheren Arbeitsaufwand und höhere Produktionskosten?

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