Hören auf das Volk (Gottes)
Die Diözese Bozen-Brixen eröffnet mit der Pastoraltagung in Brixen ihr neues Arbeitsjahr. Bei den Referaten und den Diskussionsrunden ging es am ersten Tag um die Frage, wie Kirche in der aktuellen Zeit gestaltet und gelebt werden kann.
Die Antwort darauf ist Vernetzung in und zwischen den Pfarreien sowie die Freiwilligenarbeit in Kirche und Zivilgesellschaft. Morgen Samstag wird die Pastoraltagung mit dem Grundsatzreferat von Bischof Ivo Muser zum neuen Arbeitsjahr abgeschlossen.
Im September beginnt für die Diözese immer das neue Arbeitsjahr. Priester, Diakone, Ordensleute und die in der Pastoral haupt- und ehrenamtlich Engagierten treffen sich, um gemeinsam mit Bischof Ivo Muser aktuelle Herausforderungen für die Ortskirche zu vertiefen.
Heuer geht die Pastoraltagung der Frage nach, wie eine synodale Kirche in der aktuellen Zeit gestaltet und gelebt werden kann. Welche Ansätze braucht es, um lebendige, missionarische Gemeinschaften nahe an den Menschen aufzubauen und zu pflegen? Die Antworten auf diese Fragen zielen auf eine stärkere Vernetzung zwischen den Pfarreien und in den Pfarreien sowie auf eine starke Einbindung von Ehrenamtlichen in den Pfarreien ab.
Zwei Synoden sollen Erneuerung bringen
Einleitend berichtete Seelsorgeamtsleiter Reinhard Demetz über die Entwicklungen bei der weltweiten Bischofssynode sowie der Synode der italienischen Kirche.
„In beiden Prozessen besteht die Absicht, eine tiefgreifende Erneuerung anzustoßen, deren Stichwort die ‚Synodalität‘ ist, die gemeinsame Verantwortung aller Getauften“, wies Seelsorgeamtsleiter Demetz noch einmal auf die großen Ziele der beiden Synoden hin.
Rückblickend auf das vergangene Jahr und die Startphase der Synoden sagte Seelsorgeamtsleiter Demetz, dass die diözesane Phase der weltweiten Bischofssynode und der italienischen Synode gezeigt habe, dass die Baustellen in unserer Diözese dieselben seien, wie in den Nachbardiözesen im deutsch- und italienischsprachigen Raum.
„In der Zusammenfassung der italienischen Synode finden sich praktisch alle Anliegen unseres diözesanen Papieres wieder – freilich mit teils anderen Gewichtungen und Akzentuierungen. Im Vergleich zu den Dokumenten des deutschen Sprachraumes werden die Probleme weniger pointiert benannt, manchmal aber – was die möglichen Lösungen angeht – in einem weiteren Rahmen gesehen. Ein gegenseitiger Lernprozess wäre wichtig.“ Das zweite Jahr des synodalen Weges der Kirchen in Italien soll ein weiteres Jahr des Zuhörens sein, erklärte Seelsorgeamtsleiter Demetz.
Schwerpunktthema “Nahe und gemeinsam”
Das Schwerpunktthema für das neue Arbeitsjahr in der Diözese ist dasselbe wie im vergangenen Jahr: „Nahe und gemeinsam“.
Unter diesen beiden Schlagworten soll vor allem die aktive Nächstenliebe in der (pfarrlichen) Gemeinschaft verstanden werden, weil die Sorge um die Nöte und Schwierigkeiten der Menschen ein Grundauftrag der tätigen Nächstenliebe in den Pfarreien und Seelsorgeeinheiten ist und als solcher verstanden werden soll.
„Das Jahresthema ist wie die Synode eine Einladung, unsere Art, miteinander Kirche zu gestalten, auf den Prüfstand zu stellen. Es geht um ein neues, anderes Bild des Menschen, des Glaubens, des gemeinsamen Weges. Kirche steht und fällt mit Nähe und Gemeinschaft“, sagte Seelsorgeamtsleiter Demetz.
Diskussionsrunde zur Freiwilligenarbeit
Um die Freiwilligenarbeit in der Zivilgesellschaft ging es beim ersten Programmpunkt der Tagung, einer Diskussionsrunde Barbara Siri (Präsidentin des Landesrettungsvereins Weißes Kreuz), Georg Leimstädtner (Geschäftsführer des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit) und Senio Visentin (Caritas der Diözese Bozen-Brixen), die von Brigitte Hofmann moderiert wurde.
Pastorale Netzwerke
Die Chancen von pastoralen Netzwerken zeigte dann Anna Hennersperger, zuletzt Direktorin des Seelsorgeamtes der Diözese Gurk-Klagenfurt, auf. Nach dem Beschluss der Diözesansynode vernetzen sich die Pfarreien zu Seelsorgeeinheiten.
„Welche Netzwerkformen geeignetsten für die Seelsorgeeinheiten sein könnte, wird sich erst zeigen. Sicher ist: Das Denken und Arbeiten in Netzwerken wird die Organisation Kirche verändern. Nicht von heute auf morgen. Mit wachsender Beteiligung in der Netzwerkstruktur relativieren sich jedoch alte Zentren, wie sie aus vergangenen Zeiten noch im Bewusstsein sind oder auch noch existieren”, sagte Hennersperger.
Die Referentin wies auch darauf hin, dass es in der Diözese Bozen-Brixen nicht anders sein wird wie in anderen Bistümern: “Neuerungen erhalten nicht von vorneherein ungeteilten Beifall. Sie sind für die Menschen auch befremdlich und ungewohnt. Kulturveränderungen brauchen Zeit und Geduld. Die kleinen Pfarreien, Gruppen oder Einheiten brauchen keine Sorge zu haben, dass sie von den größeren dominiert oder geschluckt werden. Netzwerke sind im besten Sinn des Wortes ‘tolerant’. In Netzwerken trägt und erträgt man einander. Netzwerke zerstören also nichts, sondern verbinden.”
Kirchliche Freiwilligenarbeit benötigt solides Fundament
In einem weiteren Gastreferat ging Leopoldo Voltan, Bischofsvikar für die Seelsorge in der Diözese Padua, auf die Chancen und Potenziale der kirchlichen Freiwilligenarbeit ein. Voltan sagte, dass die “ehrenamtliche Mitarbeit in der Pastoral in hohem Maß vom guten Willen der Ehrenamtlichen sowie deren Großzügigkeit – Zeit, Energie, Geld – abhängig ist”.
Dabei hätten sich – so Voltan – in den vergangenen Jahrzehnten die Rahmenbedingungen in der Kirche grundlegend geändert: “In der Vergangenheit gab es einen gemeinsamen Ausgangspunkt, so dass die Mitarbeiter in der Pastoral imWesentlichen ‘Wiederholer’ dessen waren, was in der Familie, in der Schule, in der Gesellschaft vermittelt wurde. Heute leben wir in einer viel komplexeren Gesellschaft, die auch für die Ehrenamtlichen in der Seelsorge eine fundierte Begleitung und Ausbildung notwendig macht.” Eine Ausbildung ist laut Voltan unerlässlich, erfordere aber viel Zeit und Engagement vonseiten der Ehrenamtlichen.
Synodalität: Schlagwort oder Revolution?
Dario Vitali, Professor an der päpstlichen Universität Gregoriana und Mitglied der Koordinierungsgruppe für die weltweiter Bischofssynode 2021 – 2023, ging in seinem Referat schließlich auf das weltkirchliche Thema ein, das auch die Diözese Bozen-Brixen derzeit beschäftigt, die Synode.
„Die Synodalität liegt im Wesen der Kirche, denn die Kirche ist das Volk Gottes. Und in einer synodalen Kirche besteht die Kirche aus den Ortskirchen“, sagte Vitali. Wie wird der synodale Stil erreicht? „Indem wir gemeinsam auf ein Ziel zugehen, und zwar nicht irgendein Ziel, sondern das Reich Gottes.“ Vitali fügte hinzu, dass die synodale Kirche „eine Kirche des Zuhörens ist: Jeder ist aufgerufen, den anderen zuzuhören, jeder entsprechend seiner Funktion in der Kirche. Der synodale Prozess beginnt mit dem Hören auf das Volk Gottes“.
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