„Der Spaß ist vorbei“
Giorgia Meloni hat Kreide gefressen und gibt sich jetzt als Autonomie-Freundin. Wie man in der SVP auf den Schmusekurs der FdI-Politikerin reagiert.
von Matthias Kofler
Rund 500 Schaulustige verfolgten am Samstag Giorgia Melonis siebenminütigen Wahlkampfauftritt auf dem Bozner Matteoti-Platz. Die Spitzenkandidatin von Fratelli d’Italia, die laut Umfragen ausgezeichnete Chancen hat, als Regierungschefin in den Palazzo Chigi einzuziehen, ratterte im Schnelldurchlauf ihr Wahlprogramm ab: illegale Einwanderung, steigende Energiepreise, Steuersenkungen. „Wir lassen uns nicht aufhalten“, zeigte sich die Römerin kämpferisch. Meloni äußerte sich auch zur Autonomiepolitik: Sie respektiere die Autonomie, verlange aber im Gegenzug, dass die Autonomie von allen respektiert werde. „Die Autonomie darf nicht einige schützen und andere nicht, die Regeln müssen für alle gelten“, so die FdI-Politikerin, die ankündigte, als Regierungschefin den Nationalstaat stärken zu wollen.
Dass sich die Nationalistin Meloni, die nach jedem Wahlkampfauftritt voller Inbrunst die Nationalhymne singt, plötzlich als Autonomie-Freundin gibt, nimmt man in der SVP mit einem Achselzucken zur Kenntnis. „Meloni befindet sich derzeit auf Wahlkampf-Tour durch ganz Italien und versucht dabei, mit autonomiefreundlichen Aussagen und Sprüchen auch in Südtirol auf Stimmenfang zu gehen“, kommentiert SVP-Senator Meinhard Durnwalder. Bisher hätten sich die Fratelli d’Italia allerdings noch nicht als sehr autonomiefreundlich erwiesen. „Man darf also gespannt sein, wie viel Wahrheitsgehalt hinter diesen Versprechen steckt“, so Durnwalder.
Obmann Philipp Achammer fordert Meloni auf, ihre Unterstützung für die Autonomie „mit Worten und Taten unter Beweis zu stellen – etwa indem sie zum Beispiel mit einer aufrichtigen Aufarbeitung der Geschichte unserer Minderheit beginnt“. Solange dies nicht geschehe, komme für die SVP eine Zusammenarbeit mit FdI nicht in Frage, so Achammer. Die Exponenten der SVP wägen ihre Worte ab und achten darauf, es sich mit der möglichen neuen Ministerpräsidentin nicht zu sehr zu verscherzen. Keiner geht so weit, sie als „Postfaschistin“ zu bezeichnen. Am härtesten geht Julia Unterberger mit der Römerin ins Gericht: „Den Nationalstaat zu stärken ist leider das zentrale Anliegen der Nationalisten“, so die SVP-Senatorin.
Das sei ein „Rückschritt in Bezug auf den europäischen Einigungsprozess und eine gefährliche Haltung gegenüber unserer Autonomie“. Unterberger schließt aus Melonis Äußerungen in Bozen, dass diese nicht zur Kenntnis nehmen wolle, dass die Autonomie in erster Linie dem Schutz der deutschen und ladinischen Minderheit diene, international verankert und keine inneritalienische Angelegenheit sei. Dass die Autonomie dann auch den hier lebenden italienischen StaatsbürgerInnen zugute komme, sei ein „begrüßenswerter Nebeneffekt“. Als sehr besorgniserregend bezeichnet Unterberger Melonis jüngste Äußerungen zu Europa. „Nachdem sie sich eine Zeit lang zusammengerissen hat, um Europa zu beruhigen, droht sie Europa, dass der Spaß vorbeisei. Zu befürchten ist eher, dass der Spaß für Italien vorbei wäre, wenn Europa die großzügigen Unterstützungen einstellen würde“, warnt die Meranerin.
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