Die Analphabeten
Ein Pilotprojekt will deutschsprachige Erwachsene, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, ansprechen und fördern. 12 Prozent der Erwachsenen sind betroffen.
Bisher fehlen in Südtirol Angebote für deutschsprachige Erwachsene, die nicht ausreichend lesen und schreiben können. Das soll ab dem 29. September anders werden.
In Südtirol geht man davon aus, dass rund 12 Prozent der Erwachsenen kaum lesen und schreib en können.
Unter dem Motto „Besser lesen und schreiben“ will ein Pilotprojekt für das Thema geringe Literalität in Südtirol sensibilisieren und den Betroffenen ein Unterstützungsangebot bieten. Nun haben das Landesamt für Weiterbildung und die KVW Bildung in einer Pressekonferenz das gemeinsame Projekt vorgestellt, zusammen mit dem zuständigen Landesrat für Weiterbildung und Sven Nickel, Professor für Schriftspracherwerb und Literalität der Freien Universität Bozen. Dieser informierte über das Phänomen der geringen Literalität.
„Ziele des Pilotprojektes sind, das Umfeld von Betroffenen zu sensibilisieren und gering literalisierte deutschsprachige Erwachsene, welche die Grundkulturtechniken des Lesens und Schreibens weniger als gesellschaftlich erforderlich beherrschen, mit einem gezielten Angebot anzusprechen und zu unterstützen“, sagt die Direktorin des Amtes für Weiterbildung, Anika Michelon. Dieses Vorhaben könne nur erfolgreich sein, wenn es gelinge, ein Netzwerk aufzubauen.
Die geringe Literalität sei ein gesellschaftliches und strukturelles Problem, sagte Sven Nickel. „Wir leben in einer Gesellschaft, die eine hohe Literalität einfordert. Es ist nicht mehr zeitgemäß zu glauben oder anzunehmen, ein weltweites Phänomen, wie wir es in allen Industrienationen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) finden, wäre in Südtirol einfach nicht existent“, erklärte der Fachexperte: „Mehrheitlich sind die Betroffenen berufstätig, kognitiv nicht beeinträchtigt und hätten Strategien entwickelt, um nicht aufzufallen oder als gering literalisierte Person entlarvt zu werden.“ Eine Sensibilisierungsmaßnahme sei der allererste Schritt, um das Thema aus dem Tabu herauszuholen.
„Es gibt keine Schwächen, die Tabus sein sollten“, sagte der zuständige Landesrat für Weiterbildung bei der Vorstellung: „Betroffene müssen die Chance haben, eigene Schwächen ausgleichen zu können, um selbstwirksam partizipieren zu können.“ Ein daran ausgerichtetes Angebot der Basisbildung sei eine solche Chance.
Das mit dem Landesamt für Weiterbildung gemeinsam ausgearbeitete Pilotprojekt beschränke sich zunächst auf den Vinschgau, informiert der Geschäftsführer der KVW Bildung, Werner Atz: „Eine erste Anlaufstelle haben wir in Schlanders eingerichtet. Entsprechende Angebote folgen in weiteren Bezirken im kommenden Jahr.“ Die individuelle Lernunterstützung sei vertraulich und finde in einem geschützten Rahmen statt. Sie ziele darauf ab, bereits vorhandene Fähigkeiten zu aktivieren, persönliche Lernstrategien zu entwickeln und individuelle Lernziele zu erreichen.
Um die breite Öffentlichkeit für das Thema gering literalisierte Erwachsene zu sensibilisieren und zu informieren, wird am 14. September in Schlanders um 20.00 Uhr, der Film „Rosi, Kurt und Koni“ im Filmclub gezeigt. Bei der Filmvorführung in Bozen wird es im Anschluss daran eine Diskussionsrunde mit einer Expertin aus München geben.
Auch rufen das Landesamt für Weiterbildung und die KVW Bildung auf, die bereitgestellten Unterstützungsangebote für Betroffene wahrzunehmen. Eine erste Anlaufstelle finden Betroffene in den KVW-Räumlichkeiten von Schlanders, wo ab dem 29. September, jeden Donnerstag von 16 Uhr bis 18 Uhr, eine individuelle Beratung und Hilfestellung angeboten werden.
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