Azur mit bunten Tieren
Dörries „Freibad“ ist zum Sommerausklang überall zu sehen. Das Filmplakat verführt. Außerdem: Übersehene Donnerstage, Analphabetismus, Musik.
von Renate Mumelter
„Dörrie geht baden“, wurde schon über Doris Dörries neuesten Film geschrieben. Ein Schwimmbadfilm bietet sich für solche Wortspiele an. „Freibad“ läuft zur Zeit im Cineplexx genauso wie in den Programmkinos, und damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Das ist übrigens so, weil „Freibad“ ein Constantin-Film ist und die Constantin-Film die Plexxe betreibt und beliefert.
Frauen im Freibad
Das schöne blaue Plakat hat mich angelockt, einige Namen wie Maria Happel auch, und die Aussicht auf einen neuen Dörrie-Film ebenfalls. Die Schriftstellerin und Regisseurin ist aus meiner Generation, sie ist engagiert und häufig witzig.
Bei „Freibad“ bin ich zwar bis zum Schluss sitzen geblieben, aber im Freibad versunken bin ich nicht, und an die Leinwand gefesselt war ich auch nicht. Was da erzählt wird, habe ich alles schon selber beobachtet, alles schon selber gedacht, nur die reichen die Schweizer Burkini-Geflüchteten fehlten mir noch.
Versöhnt haben mich die Nachtbilder zwischendrin, wo zur Einteilung in Kapitel bunte Gummitiere in aller Ruhe auf dem azurblauen Wasserspiegel schweben. „Freibad“ ist kein schlimmer Film, es ist ein Geht-so-Film. „Kirschblüten – Hanami“ oder „Grüße aus Fukushima“ hinterließen bei mir mehr Eindruck.
Rosi, Kurt und Koni
habe ich am Donnerstag leider verpasst. Diese interessante Kinoinitiative kommt vom KVW und wird am kommenden Mittwoch in Schlanders wiederholt. Hinschauen lohnt sich. Im Film von Hanne Lassl geht es um ein Thema, das für unsereins schwer vorstellbar ist. Es wird nämlich häufig versteckt, existiert aber real: Es geht um den Analphabetismus. In Österreich gibt es fast ein Million Menschen, die nicht wirklich lesen und schreiben können. Rosi, Kurt und Koni gehörten dazu. Hanne Lassl begleitete sie auf dem Weg aus der Sprachlosigkeit. In Südtirol gibt es den Analphabetismus genauso, und das nicht nur unter Zugewanderten.
Bei einer nigerianischen Freundin erlebe ich immer wieder hautnah, was das bedeutet. Wenn sie Zuschriften bekommt, muss sie sich helfen lassen. Die „Amtlichkeit“ vieler Texte macht’s nicht einfacher. Manchmal versuche ich, mich in ihre Lage zu versetzen. Unvorstellbar.
Im Anschluss an den Film gibt es in Schlanders ein Gespräch mit Fachleuten.
Das Donnerstags-Dilemma
Filmische Eintagsfliegen haben es an Donnerstagen besonders schwer. Kommende Woche könnte Claus Gatterer dasselbe widerfahren wie eben erst dem Analphabetismus. Gatterers Film aus dem Jahr 1969 „Menschen und Verträge – Südtirol 50 Jahre nach St. Germain“ ist nämlich nur am 15. September zu sehen. Die Dokumentation mit Seltenheitswert läuft gemeinsam mit „Immer noch Koroška“, einem neuen Film über die Kärntner Slowenînnen. Katharina Brunner und Nils Kaltschmidt lassen diese zu Wort kommen. Beide Filme werden in der Reihe „Minderheiten. Anderswo“ gezeigt.
Dass Donnerstags-Filme ein schweres Leben fristen hat damit zu tun, dass alle Kinos genau am Donnerstag mit ihren neuen Wochenprogrammen starten. Das hat zur Folge, dass besondere Donnerstagsfilme im Vorfeld zu wenig beworben werden. Und wenn das neue Programm Beachtung findet, ist es oft schon zu spät. Schade.
Transart
Mit Serhiy Bukovskys Film „V.Silvestrov“ kommt Transart 22 am Mittwoch 14. September ins Kino. Musikinteressierte kommen bei dem Film voll auf ihre Rechnung. Im Vordergrund stehen Musik und deren Entstehung. Der Dokumentarfilm „V. Silvestrov“ begleitet den bekannten ukrainischen Komponisten Walentyn Sylwestrow. Er zählt zur Kiewer Avantgarde, die in den 1970er Jahren unter ganz besonderen Bedingungen leben musste.
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