Das Allesfresser-Dilemma
Gelebte Beispiele für gesunde und umweltfreundliche Ernährung sowie resiliente ländliche Lebensräume standen am Mittwoch bei den Sustanability Days in Bozen bei zwei Veranstaltungen im Mittelpunkt.
Eingetaucht ins Leben eines toskanischen Landwirts, eines Südtiroler Küchenchefs und eines Vorstands einer „Bürger*Genossenschaft“ sind die Teilnehmer zweier „deep dives„, also genauer Betrachtung von Sachverhalten, am Mittwoch bei den Sustanability Days in Bozen.
Alle drei haben ihren Weg gefunden, Kreisläufe zu schaffen. Studenten und Universitätsprofessoren haben ihre Ansätze theoretisch beleuchtet: „Nachhaltige Lösungen für das Allesfresser-Dilemma“ und „Resiliente ländliche Lebensräume: Klein ist lebenswert, ist es aber auch resilient?“ waren die Themen der Veranstaltungen.
Garum ist das Rezept von Küchenchef Mattia Baroni. Durch Gärungsprozesse – also mit Hilfe von Mikroben und ohne zusätzlichen Energieaufwand – gewinnt er aus Lebensmitteln, die in der traditionellen Küche wohl im Müll landen würden, ein flüssiges, nährstoffreiches Lebensmittel.
Garum wird aus Pflanzen (Gemüse) hergestellt, aber auch aus pensionsreifen Legehennen, Resten aus der Käseproduktion oder Fischteilen. Mit Baroni im NOI-Techpark-Labor standen und stehen Kollegen und Experten des Versuchszentrums Laimburg. „Noch ist es zu zeitaufwändig, Garum für jedermann zu produzieren“, räumte er ein.
Sein Traum sei es, Garum in vier Wochen in kleinen Strukturen an vielen Orten herzustellen. „Das wäre gut für Gesundheit und Umwelt: Jeder Bissen bedeutet einen Eingriff in beides“, sagte er.
Kreisläufe und eine wesentliche Reduktion des CO-2-Ausstoßes sind auch auf dem 1000-Hektar-Hof des toskanischen Landwirts Jacopo Goracci Alltag. „Wir züchten drei verschiedene Rinderrassen„, sagte er.
Die Tiere werden auf Wald- und Wiesenweiden gehalten, geschlachtet wird in Schlachtwagen; den Prototyp hat er gemeinsam mit seinen Mitstreitern entwickelt. „In der Fleischqualität ist durch diese Art der Schlachtung kaum ein Unterschied bemerkbar. Aber ich denke, wir müssen verstärkt an das Tierwohl denken“, sagte er.
Wertschätzung – finanziell und kulturell – für nachhaltig produzierte Lebensmittel sei ein Gebot der Stunde.
„Wir wollen Wertschätzung erfahren, indem der Konsument unsere Produkte kauft und dafür bezahlt. Wir wollen nicht von Subventionen leben“, brachte Goracci es auf den Punkt.
Eine Risikoanalyse der Umgebung, eine Auflistung der Chancen, Interesse, sprich, Wertschöpfung, schaffen, verständliche Kommunikation, Experimentierwillen und Flexibilität: Das sind die Ingredienzien für resiliente ländliche Lebensräume. Gemeinsam daran arbeiten müssen Personen, die das theoretische Wissen haben und jene, die in der Gegend wohnen – transdisziplinär also. Die Theorie dazu kam von Beatrice Durrer-Eggerschwiler (Universität Luzern) und Tina Heisch (Universität Basel), das Praxisbeispiel erläuterte Armin Bernhard, Vorstandsmitglied der „Bürger*Genossenschaft Obervinschgau“.
Man müsse eingrenzbare Regionen schaffen, sagte Bernhard. Bürger hätten Interesse daran, ihr Verhalten zu ändern, um ihr unmittelbares Umfeld zukunftsfähig zu gestalten.
Im Vinschgau habe das Pestizid-Referendum den Grundstein für das Bestehen der Bürgergenossenschaft gelegt, inzwischen wurde eine Ziegenkäsesennerei gegründet, Bioprodukte werden gemeinsam vermarktet, es gibt kulturelle und kulinarische Veranstaltungen. Immer mehr solcher kleiner Bewegungen entstehen weltweit. „Vielerorts gibt die öffentliche Hand Geld zur Finanzierung solcher Reallabors aus“, sagte Heisch.
Wichtig sei aber auch, dass man sich bewusst sei, dass es für resiliente Lebensräume kein Universalrezept gebe: Man muss bereit sein, zu experimentieren.
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Kommentare (1)
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dn
Alle werden ihr Leben, ihren Konsum und ihre Wirtschaftsweisen ändern müssen. Je später, umso drastischer.