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Wie vom Krieg sprechen

Ljudmila Ulitzkaja: Die langen Spuren des homo sovjeticus. (Foto: ELKOST Intl. Literary Agency)

Wie vom Krieg sprechen, lautet die Grundfrage der Literaturtage Lana, die vom 30. August bis 1. September Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus osteuropäischen und ex-sowjetischen Ländern versammeln. Zu Eröffnung liest der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch, tags darauf ist die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja in einem Videogespräch zu Gast.

Unter dem Titel „Krieg und Frieden“ gehen die von Christine Vescoli kuratierten 37. Literaturtage Lana der Frage nach, welche Sprache für eine Wirklichkeit zu finden sei, die wir nach Jahrzehnten des Friedens nicht mehr  für möglich gehalten haben. Offensichtlich aber gibt es keinen Grund zu meinen, der Krieg wäre vergangen. Den Krieg denken, bleibt uns bevor.

Juri Andruchowytsch: Erzählt von einer Zeit, in der die Hoffnungen auf radikale Veränderungen begraben werden. (Foto: Ekko von Schwichow)

Zur Eröffnung am 30. August wird Jury Andruchowytsch, der zu den bekanntesten Autoren der Ukraine zählt, den in wenigen Tagen auf Deutsch erscheinenden Roman „Radio Nacht“ vorstellen. Er ist nicht nur ein sprachliches Feuerwerk, sondern ein Gegenwartsroman von eminenter Aktualität, der die Bedrohung durch Russland zeigt und von einer Zeit handelt, in der die Hoffnungen auf radikale Veränderungen begraben werden.

Ein Portrait der russischen Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja mit einem Videogespräch zeigt den scharfsinnigen Blick, der im Privaten unaufdringlich das Politische hervorkehrt und anhand von alltäglichen Geschichten und Schicksalen die langen Spuren des homo sovjeticus aufwirft.

Welche bittere Erschütterung die Ereignisse in Osteuropa auslösen, bezeugen Zeile aus dem neuesten Gedichtband von Ilma Rakusa, der femme de lettre und Expertin Osteuropas, während Valzhyna Mort in maschinengestählten Rhythmen von einem sowjetischen Lebensgefühl schreibt, das ihr Herkunftsland Belarus beherrschte. Aber die Dichterin wird auch mit der Erinnerung an die Stadt Minsk nicht fertig, in der Straßen die Namen von Mördern tragen.

Ein Streifzug mit Katrin Hillgruber führt durch das ostukrainische Charkiw, das wie andere Städte des Landes für eine offene, vielfältige Welt stand, für kulturellen Reichtum, für Schönheit und Freiheit. Nun verbindet sich der Namen mit Schreckensnachrichten, die zeigen, wie ein Aggressor die Stadt und ein Land zerstören und dem Erdboden gleich machen will.

Mit Yevgeniy Breyer, Dagmara Kraus und Ernest Wichner kommen eine Lyrikerin und zwei Lyriker zu Wort, die alle drei ihre Wurzeln in osteuropäischen Staaten haben, in Polen, der Ukraine und in Rumänien. Wenn die imperialistische Hand Russlands die Geschicke ihrer Familien prägten, so führt alle drei die Frage nach der Sprache zum literarischen Spiel mit Mehrsprachigkeit, Dialekt oder Jargon, in dem sich eine Form von Freiheit eröffnet.

Mit dem großen litauischen Dichter Tomas Venclova ist ein lakonischer Elegiker und moderner Klassiker Gast in Lana. (Foto: Ekko von Schwichow)

Mit dem großen litauischen Dichter Tomas Venclova ist ein lakonischer Elegiker und moderner Klassiker Gast in Lana. In seiner Heimat Litauen erlebte er den langen Winter des Totalitarismus, wegen seiner kritischen Haltung kam er in Bedrängnis. Es folgten Exil, Reisen und Heimkehr – die Lebensthemen seiner Lyrik –, doch als dieser unfreiwillige Weltbürger schließlich zurückkehrte, war das Land ein anderes. Was unverändert blieb, ist die rettende Kraft der Sprache.

 

Das Programm

Dienstag, 30. August  20.00 Uhr im Raiffeisenhaus Lana, Andreas-Hofer-Straße 9

Eröffnung mit Bürgermeister Harald Stauder, Elmar Locher, Präsident der Bücherwürmer, und Christine Vescoli, Kuratorin der Literaturtage Lana
Juri Andruchowytsch: „Radio Nacht“ (Aus dem Ukrainischen von Sabine Stör, Suhrkamp Verlag 2022)
Moderation: Ilma Rakusa

Mittwoch, 31. August 18.00 Uhr
Ilma Rakusa: Kein Tag ohne (Droschl Verlag 2022)
Moderation: Christine Vescoli

19.00 Uhr
Valzhyna Mort: Musik für die Toten und Auferstandenen (Aus dem Belarussischen von Katharina Narbutovic. Suhrkamp Verlag 2021)
Moderation: Katharina Narbutovic

20.00 Uhr
Ljudmila Ulitzkaja: Ein Portrait
Von und mit Ganna Maria Braungardt
Filmgespräch und Lesung aus dem Werk

Donnerstag, 1. September 17.00 Uhr
Katrin Hillgruber: „Lebendig und arbeitsam. Aus Stahlbeton“. Die Stadt Charkiw und ihre Bedeutung für die ukrainische Kultur

18.00
Yevgeniy Breyger 
Dagmara Kraus
Ernest Wichner
Moderation: Christine Vescoli

20.00 Uhr
Tomas Venclova: Variation über das Thema Erwachen (Gedichte. Aus dem Litauischen von Cornelius Hell. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser 2022)
Moderation: Cornelius Hell

Infos und Programm unter: www.literaturlana.com

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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