„Sorge vor kaltem Winter“
Während die Arbeitnehmer zuversichtlich auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes blicken, wächst die Sorge, mit dem eigenen Lohn nicht mehr über die Runden zu kommen.
von Lisi Lang
Der Ukraine-Krieg, die Inflation und die stark gestiegenen Energiepreise bremsen die Zuversicht der Arbeitnehmer in Südtirol ein. Denn während zwar in allen Wirtschaftszweigen positive Stimmung im Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu verzeichnet ist, wachsen die Sorgen, mit dem eignen Lohn nicht mehr über die Runden zu kommen. „Viele haben Sorge, dass ihr Lohn nicht mehr reicht und auch die Sparmöglichkeiten der eigenen Familie sehen viele Arbeitnehmer durchwachsen“, sagt AFI-Direktor Stefan Perini.
Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, der starke Anstieg der Inflation und der Lebenserhaltungskosten, aber auch die instabile politische Lage in Rom beeinflussen die Erwartungen in Bezug auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in Südtirol in den nächsten 12 Monaten. Sie fallen bei weitem tiefer aus als vor einem Jahr, also noch tiefer als während der Corona-Pandemie. Warum? „Das ist eine relativ kuriose Entwicklung: In der Pandemie ist es vielen leichter gefallen mit ihrem Lohn über die Runden zu kommen, weil die Konsummöglichkeiten nicht gegeben waren – man konnte im Lockdown nicht in den Urlaub fahren, Freizeitmöglichkeiten waren stark eingeschränkt usw. Jetzt aber haben wir unsere alte Normalität wieder und können unser gewohntes Leben führen, gleichzeitig müssen wir aber wesentlich höhere Kosten für Treibstoff, Energie und viele andere Güter stemmen“, erklärt Stefan Perini. Und da die Kostensteigerungen vielfach Bereiche betreffen, wo man keine oder kaum Einsparungen vornehmen könne, sei das für viele Familien keine einfache Situation. „Die Sorge vor einem kalten Winter ist groß“, weiß der AFI-Direktor, „und das führt uns auch zur Frage: Wo werden die Leute sparen oder den Gürtel enger schnallen – irgendwann wird sich das nämlich auch negativ auf die Konsumausgaben auswirken“, sagt Perini.
Aber es gibt Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen. Zwei der sieben betrachteten Wirtschaftssektoren verzeichnen nämlich trotz allem einen leicht positiven Index – der Öffentliche Sektor und das Gastgewerbe. In allen anderen Wirtschaftsbereichen haben die Arbeitnehmer in Südtirol laut eigener Aussage Probleme mit dem Auskommen. Warum das so ist, könne man nur schwer erklären. „Vielleicht hat das damit zu tun, dass in der Hotellerie und Gastronomie die Arbeitnehmer froh sind, nach der Pandemie wieder eine Anstellung gefunden zu haben“, vermutet Perini. „Zudem waren die Betriebe angesichts des Personalmangels vielleicht auch bereit mehr Zugeständnisse oder Lohnerhöhungen vorzunehmen.“ Und bei der öffentlichen Verwaltung sei vielleicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes mit einem garantierten Lohn ein zentraler Faktor, so Perini.
An der Beschäftigungsfront scheint sich die Lage dagegen aufzuhellen: Die entsprechenden Indikatoren sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und verbessern sich stetig. Die Aussichten für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit verbessern sich in allen Bereichen. Die Sorge über den Verlust des Arbeitsplatzes wird in allen Wirtschaftszweigen als sehr gering eingestuft. Der einzige Sektor, in dem dieser Indikator rückläufig ist, ist das Verarbeitende Gewerbe. Gleichzeitig ist die Schwierigkeit, einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, so gering eingestuft wie nie zuvor. „Wir haben ein Allzeithoch an Arbeitnehmern, so viele Leute haben noch nie für die Südtiroler Wirtschaft gearbeitet, und auch die Arbeitnehmer sehen die Situation mit Blick auf den Arbeitsmarkt sehr positiv“, erklärt der AFI-Direktor.
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