„Alles nur Zufall“

Bauer Manfred Vallazza (Foto: Instagram)

Der Fall Manfred Vallazza wird jetzt ein Fall für den Staatsanwalt. Ein Dokument belegt, dass die Rangordnung nur ein Bluff war – und dass der SVP-Politiker im Zusammenspiel mit der Gemeinde Wengen die öffentliche Hand um mindestens 50.000 Euro prellen wollte.

von Artur Oberhofer

Als ein Reporter von Rai Südtirol ihn vergangene Woche vor das Mikrophon bekam, drückte Manfred Vallazza auf die Tränendrüse.

Die Bau-Affäre? Eine politische Intrige!

Er selbst, „als Mann“, stehe das schon durch. Aber seine arme Schwester müsse dauernd weinen. „Sie traut sich kaum mehr aus dem Haus“, beklagte sich der SVP-Politiker. Dabei habe er nichts Unrechtes getan. „Ich hatte den Grund der Gemeinde zur Verfügung gestellt, bevor die Rangordnung erstellt wurde, ich wusste gar nicht, dass mein Cousin und meine Schwester auf dieser Rangordnung aufscheinen“, so Vallazza, „das war alles nur Zufall.“

Manfred Vallazzas Pech: Es gibt ein Dokument, mit dem er der Lüge überführt wird.

Das Dokument

Dieses Dokument, das der TAGESZEITUNG vorliegt, widerlegt die Zufall-These des SVP-Landtagsabgeordneten.

Und das Dokument beweist außerdem, dass die Gemeinde Wengen und Manfred Vallazza im diskreten Zusammenspiel ersucht haben, der Schwester des Politikers – trotz gegenteiliger Urteile, unter anderem des Staatsrates – mit Landesbeiträgen den Baugrund um die Hälfte des Marktwertes zu verschaffen, wobei Manfred Vallazza aber gleichzeitig den vollen Preis einstreichen konnte.

Bei dem brisanten Dokument handelt es sich um den Antrag Manfred Vallazzas auf Abänderung des Bauleitplanes vom 20. November 2015. In dem Dokument heißt es wörtlich:

„Durch die neue Zone soll die Möglichkeit geschaffen werden, für zwei Familien in der Nähe des Elternhauses ein Wohnhaus zu erbauen und damit die Abwanderung vom Weiler vermieden werden.“

Zwei Familien in der Nähe des Elternhauses?

Diese Passage in dem Dokument belegt zweifelsfrei, dass Manfred Vallazza von Beginn an nur eines im Sinn hatte, nämlich den Baugrund für seinen Cousin und für seine Schwester ausweisen zu lassen.

Es war also reines Privatinteresse, wie später auch das Verwaltungsgericht Bozen festgestellt hat. Von öffentlichen Interessen, denen der geförderte Wohnbau eigentlichen dienen sollte, keine Spur.

Und: Die danach erstellte Rangordnung war demnach nur ein Bluff.

Abgekartetes Spiel

Dass es ein abgekartetes Spiel war, belegt auch der Umstand, dass die Gemeinde zeitgleich eine weitere Zone („Plaica 4“) ausgewiesen hat, wo danach „zufällig“ jene vier Antragsteller zum Zuge gekommen sind, die in der Rangordnung vor Manfred Vallazzas Schwester gelegen hatten.

Aufgrund der erdrückende Beweislage und des Urteils des Verwaltungsgerichtes Bozen, das der eigentliche Auslöser der Vallazza-Affäre war, dürfte jetzt auch die Staatsanwaltschaft am Landesgericht tätig werden.

Doch der Reihe nach.

Am 20. November 2015 reicht Manfred Vallazza bei der Gemeinde Wengen ein Projekt zur Abänderung des Bauleitplanes „Ausweisung einer Erweiterungszone C3 -Cians 2 in der Ortschaft Cians“ ein.

Zu dem Zeitpunkt ist Manfred Vallazza bereits eine lokale Größe mit politischem Einfluss. Bis zu seiner Wahl in den Südtiroler Landtag im Herbst 2018 ist er Angestellter des Bauernbundes, er sitzt im Gemeindeausschuss der Gemeinde Wengen und ist Vertreter der Landwirtschaft in der Baukommission.

Seit 2013 ist Vallazza auch Vorsitzender der übergemeindlichen Höfekommission Gadertal und Mitglied der örtlichen Höfekommission in Wengen.

Im Kleinen ist Vallazza also ein ganz Großer, denn er sitzt bzw. hat in all den Gremien gesessen, die sich – direkt oder indirekt – mit der von ihm betriebenen Bauleitplanänderung befassen müssen.

Gadertaler Trick

Nach dem Ja zur Bauleitplanänderung – wohlgemerkt, es handelt sich bereits um die dritte (!) „Mikrozone“, die die Gemeinde Wengen seit 2008 zugunsten von Manfred Vallazza ausgewiesen hat – genehmigt die Gemeinde Wengen am 7. November 2017 eine gemeinsame Rangordnung, wobei genau die beiden Bauzonen „Cians 2“ und „Plaiac 4“ zusammengefasst werden

In der Rangordnung für die Bauzone „Cians 2“ scheinen insgesamt sechsGesuchsteller auf: Manfred Vallazzas Cousin Daniel als Erstgereihter – und seine Schwester Monica als Letztgereihte.

Von Beginn an ist aber klar, dass die vier dazwischen gereihten Bewerber nicht in der Zone „Cians 2“, sondern in der Zone „Plaiac 4“ bauen wollen.

Die Häuser im Weiler Crans: (Foto: salto.bz/GoogleMaps)

Mit dem Gadertaler Trick geht der Plan auf.

Vallazzas Schwester Monica und Cousin Daniel bekommen den Grund für ihr Häuschen – genau neben dem „Elternhaus“.

Manfred Vallazza behauptet jetzt, dass die Rechnung im Urteil des Verwaltungsgerichtes falsch sei.

Richterin Margit Falk Ebner war in ihrem Urteil zu dem Schluss gelangt, dass der öffentlichen Hand im Fall Vallazza Mehrkosten von rund 100.000 Euro entstanden seien.

Simple Rechnung

Es ist eine einfache Rechnung: Wer dem Land freies Bauland für den geförderten Wohnbau zur Verfügung stellt (das an sich nicht der Enteignung unterliegt), erhält das Doppelte der normalen Entschädigung, nämlich den vollen Marktwert (anstatt des halben).

Da Manfred Vallazza 100 Prozent seines Baugrundes dem geförderten Wohnbau zur Verfügung stellte, bekam er dafür von der Gemeinde Wengen insgesamt166.302,50 Euro, also den Löwenanteil für den freien Baugrund, den er sich großzügig für die vorgeblich öffentlichen Interessen der Allgemeinheit enteignen ließ.

Wären – wie eigentlich üblich und für den Grundeigentümer normalerweise auch vorteilhaft – 55 Prozent für den geförderten und 45 Prozent für den freien Wohnbau belassen worden, hätte Vallazzas Enteignungsentschädigung für den geförderten Teil nur 66.852,50 Euro betragen.

Den Rest hätte er dann von seiner Schwester kassieren müssen. Oder auch nicht.

Vallazza schreibt in einer Stellungnahme:

„Der kolportierte Betrag der 100.000 Euro Mehrkosten ist nachweislich falsch, weil auch bei den Alternativen aus dem Landesfonds Mittel geflossen wären. Meine Schwester hätte, wenn sie – wie vom Land selbst vorgeschlagen – den freien Teil mir abgekauft hätte, ebenso eine Förderung für den Erwerb des Bauloses der Zone erhalten. Auch diese Förderung wäre aus demselben Landesfonds als Mehrkosten geflossen. Daher stimmt die Rechnung über die 100.000 Euro Mehrkosten einfach nicht.“

Es ist aber Manfred Vallazzas Rechnung, die nicht stimmt.

Manfred Vallazza mit seinen Polit-Freunden Andreas Leiter Reber und Franz Locher

Die tatsächliche Rechnung sieht wie folgt aus:

Das Land gibt den Gemeinden einen Verlustbeitrag für die Enteignungskosten im Ausmaß von 50 Prozent, die restlichen 50 Prozent müssen von der Gemeinde in vier Jahren zurückgezahlt werden.

Der Zuweisungspreis an die Privaten ist gleich dem Betrag, den die Gemeinde an das Land zurückerstatten muss. Wenn also ein Landesbeitrag gewährt wird, der Enteignungspreis minus 50 Prozent.

Der Zuweisungspreis für das Baulos G2 der Schwester Vallazzas von 430 Quadratmetern hätte sich, wenn der Plan aufgegangen wäre, wie folgt errechnet: : 260 € /m2 x 382.5 m2 (850 m2 x 45%) x 50 % = € 49.725 + 48 m2 (430 m2 -382 m2) x 130 €/m2 x 50% = € 3.120.

Der Gesamtzuweisungspreis hätte also nur 52.845 Euro betragen.

Der anteilige Enteignungspreis für den Grund der Schwester Vallazzas, den Manfred Vallazza von der Gemeinde bereits 2018 kassiert hatte, belief sich aber auf 105.690.

50% davon – nämlich 52.845 Euro – wären der Verlustbeitrag des Landes gewesen, den die Gemeinde der Schwester von Manfred Vallazza beim Grundkauf abgezogen hätte, womit diese auf Kosten des Landes den Grund um die Hälfte des Marktwerts erhalten hätte.

Der langen Rechnung kurzer Sinn: Alleinige Nutznießerin des Deals war folglich die Familie Vallazza, die öffentlichen Interessen waren nur vorgeschoben.

Der Nutznießer

Das größte Geschäft hat der Verkäufer Manfred Vallazza gemacht:

Einmal, weil die Gemeinde ihm (zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren!) eine wertlose Wiese als Baugrund ausgewiesen hat, womit der Marktwert circa um das 30-fache gestiegen ist. Und zweitens, weil er bereits im Jahr 2018 den vollen Marktpreis in Höhe von 99.450 Euro von der Gemeinde für die 45 Prozent der Zone kassiert hat – ein Betrag, den er von seiner Schwester wohl kaum erhalten hätte.

Nur der dritte Schritt ist nicht aufgegangen, weil sich das Land querlegte: nämlich der Schwester Vallazzas den Grund auf Kosten der öffentlichen Hand auch noch zum halben Marktpreis zuzuschanzen.

Nach Ansicht von Rechtsexperten, denen die TAGESZEITUNG die Dokumente vorgelegt hat, dürfte es für den SVP-Politiker Manfred Vallazza und für den Bürgermeister von Wengen, Angel Miribung, jetzt brenzlig werden.

Die Gemeinde Wengen hat bei der ganzen Operation zwar vorgegeben, das öffentliche Interesse zu verfolgen, aber letztlich ging es um reine Privatinteressen, Juristen nennen das einen klassischen „Befugnisfehlgebrauch“, wie auch das Verwaltungsgericht Bozen festgestellt hat.

Bürgermeister Angel Miribung

Im Urteil des Verwaltungsgerichts heißt es:

„Die Gemeinde Wengen hat unter dem Deckmantel der Verwirklichung des öffentlichen Interessens der Verfolgung von Privatinteressen Vorschub geleistet“.

Die Rangordnung wurde für diesen Zweck hin getrimmt, denn es war von Anfang an bekannt, wer zum Zug kommen würde, nämlich der Cousin und die Schwester von Manfred Vallazza.

Dazu kommt als erschwerender Umstand, dass versucht wurde, einen Landesbeitrag in Höhe von knapp 53.000 Euro zu erhalten, der der Schwester Vallazzas offensichtlich nicht zustand, was allen Beteiligten aufgrund diverser Urteile des Verwaltungsgerichts klar sein musste.

Daher könnte sich Manfred Vallazza (in Tateinheit mit dem Bürgermeister) des Amtsmissbrauchs und des versuchten Betrugs nach Artikel 640bis des Strafgesetzbuches schuldig gemacht haben.

Politische Sprengkraft

Der Vallazza-Skandal noch einmal in geraffter Form erklärt:

Manfred Vallazza hat in Bezug auf die Rangordnung offenkundig die Unwahrheit gesagt. Manfred Vallazza hat den vollen Marktwert für den freien Teil kassiert, den ihm die Schwester in dieser Höhe nie bezahlt hätte. Die Gemeinde  hat zu Unrecht versucht, 53.000 an Landesgeldern zu erhalten, um der Schwester von Vallazza den Baugrund um die Hälfte des Wertes zuweisen zu können.

Neben der möglicherweise strafrechtlichen Konnotation hat der Fall Vallazza auch noch politische Sprengkraft.

Denn die Gemeinde Wengen hat ausgerechnet SVP-Bezirksobmann Meinhard Durnwalder damit betraut, gegen die Ablehnung der Finanzierung durch das Land zu rekurrieren, um der Schwester seines Parteifreundes  Vallazza einen ungerechtfertigten Vorteil auf Kosten des Landes zu verschaffen – dessen Interessen Meinhard Durnwalder als SVP-Senator eigentlich vertreten sollte.

Meinhard Durnwalder