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„Man wollte mich abschießen“

Julia Unterberger

SVP-Senatorin Julia Unterberger will nicht, dass die SVP eine Partei der Bauern und der Jäger wird. Sie hält den SVP-Chef für keinen neutralen Schiedsrichter – und ist von der SVP-Frauenchefin enttäuscht.

TAGESZEITUNG Online: Frau Unterberger, Sie haben das Duell gegen Martin Ganner mit 75 zu 25 Prozent klar gewonnen. Überrascht?

Julia Unterberger: Ja, ich hatte mir schon erwartet, dass ich die Vorwahlen gewinne, aber so einen Erdrutschsieg hatte ich nicht erwartet.

War Ihr Gegenkandidat so schwach? Oder waren Sie so stark?

Ich hatte natürlich den Vorteil, dass alle meine Tätigkeit in Rom in den letzten fünf Jahren beurteilen konnten. Ich glaube, dass ich auf dem römischen Parkett keine schlechte Figur abgegeben habe.  Bei dieser Wahl ist es jedoch nicht nur um mich, sondern um vielmehr gegangen.

Mit Ihnen, Manfred Schullian und Dieter Steger haben drei Kandidaten gewonnen, die dem Lager des LH zugerechnet werden können. Also war es sehr wohl eine Richtungswahl?

Sie war sicher Ausdruck des Machtkampfes innerhalb der SVP, der immer wieder aufbricht: Konservative Kräfte gegen liberal-fortschrittliche, Osten gegen Westen, Athesia-Medien gegen Landeshauptmann-Unterstützer. Fakt ist, dass nur ich und Manfred Schullian, also die beiden deklarierten Unterstützer des Landeshauptmannes, einen Gegenkandidaten bekommen haben. Es ist bekannt, dass Sepp Noggler mit Ganner im Vinschgau von Dorf zu Dorf gefahren ist, und ebenso Franz Locher im Sarntal. Sogar in den Medien kann man diese Spaltung sehen: die Athesia hat täglich versucht, ihre Favoriten Ganner und Ebner zu pushen und uns andere schlecht zu machen. Seit ich mich öffentlich für die Bressa-Anträge zur Beschränkung ihres Monopols ausgesprochen habe, stehe ich endgültig auf der schwarzen Liste. Die Veröffentlichung der Anwesenheiten im Parlament mit der niedrigen Präsenz von Schullian einen Tag vor der Wahl ist wohl kein Zufall. Dass er aber der Vorsitzende der inzwischen größten Fraktion in der Kammer ist mit 100 Abgeordneten und daher natürlich nicht bei allen Sitzungen dabei sein konnte, wurde geflissentlich verschwiegen.  

Sie haben selbst auch aktiv Werbung in eigener Sache gemacht?

Sergio Mattarella mit Julia Unterberger

Ja, ich habe alle Ortsobleute angerufen und mit ihnen gesprochen. Ich war auch gezwungen, viele Fake News, die über mich bewusst in die Welt gesetzt worden waren – zum Beispiel, dass ich für die Wiederansiedelung der Wölfe oder als Vegetarierin gegen die Bauern bin –, aus der Welt zu räumen. Bei dieser Gelegenheit habe ich bei der Basis eine starke Unterstützung für den Landeshauptmann verspürt. Es hat mir sicher geholfen, dass mein Naheverhältnis zu ihm bekannt ist. Oft habe ich gehört: Wir stehen auch auf der Seite des Landeshauptmannes und geben daher natürlich dir die Stimme.

Ihr Gegenkandidat wurde von Athesia massiv gepusht …

Ja, er ist ein Jagdfreund von Michl Ebner. Ich muss sagen, dass ich mit dem Anwaltskollegen Ganner menschlich immer ein gutes Verhältnis hatte. Er war es auch, der 2018 meine Kandidatur stark unterstützt hat, und ich finde es legitim, dass er Interesse an einer Senatskandidatur hatte.  Ich denke, seine Niederlage hat auch damit zu tun, dass er den Ortsobleuten Sachen versprochen hat, die er bereits als Bezirksobmann nicht gehalten hat.

Um Sie als Kandidatin zu verhindern, haben ihre „Freunde im Edelweiß“ sogar die Regelung mit der Frauenquote geändert?

Ja das war schon sehr auffällig. Offenkundig haben sie geglaubt, Martin Ganner würde mit der massiven Unterstützung des Bauernbundes und mit dem Rückenwind der Athesia leicht gewinnen. Deswegen sind im Unterland die Anrufe aus dem Osten eingegangen, sie müssten unbedingt eine Frau aufstellen. Die „Dolomiten“ hat ja auch immer wieder ganz groß Frauen als Kandidatinnen im Unterland vorgeschlagen. Danach haben sie die Sitzungen so getimt, dass zuerst die Senatswahlkreise Ost und West wählen und dann erst die Sitzung in Bezug auf das Unterland stattfindet. Für den Fall, dass im Westen und im Osten ein Mann gewinnt, sollte im Unterland die Quoten-Frau kommen müssen. Dies obwohl die Wahlordnung zur Sicherung der Frauenquote ganz etwas anderes besagt …

Philipp Achammer und Martin Ganner

Nämlich?

Dass wenn in allen Wahlbezirken ein Mann gewählt wird, er dort weichen muss, wo die meistgewählte Frau ist. Das wäre halt dann wieder ich gewesen, deshalb musste man sich den Trick mit dem Unterland einfallen lassen (lacht). Ich wusste von Anfang an, dass ich keine Frauenquote benötigen würde, so wie ich sie das letzte Mal nicht benötigt habe, weil ich gegen Harald Stauder gewonnen habe – auch wenn der Stauder bei jeder Gelegenheit betont, er habe das Rennen  nur wegen der Frauenquote nicht gemacht. Trotzdem hat mich diese ganze offenkundige Mauschelei, um mich loszuwerden, geärgert.

Was haben die SVP-Frauen, allen voran Renate Gebhard, dazu gesagt?

Die auf Landesebene leider nicht viel, genauso wie die ArbeitnehmerInnen auf Landesebene nichts gesagt haben. Eine Frauen-Chefin dürfte es nie zulassen, dass für die Quote zwei sichere Sitze und ein Schleudersitz zusammengefasst werden, so wie es Kollege Durnwalder in der von ihm verfassten Revision der Wahlordnung schlauerweise vorgesehen hat. Da kann die Frau nämlich für die äußerst unsichere Position aufgestellt werden, während für die sichere Position zwei Herren kandidieren und das Mandat in der Tasche haben. So etwas ist sicher nicht die Frauenförderung, von der sonst alle immer so gerne sprechen. Und auch die ArbeitnehmerInnen hätten aufheulen müssen, wenn die einzige deklarierte Sozialpolitikerin gegen den x-ten Landwirtschaftsvertreter eingetauscht werden soll. Es kann doch nicht sein, dass die Sammelpartei zur Partei der Bauern und Jäger mutiert! Die Frauen, ArbeitnehmerInnen und Senioren-VertreterInnen in meinem Bezirk haben mich hingegen sehr tatkräftig unterstützt. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.

Der Vinschger Kammerabgeordnete Albrecht Plangger mit den Kollegen Renate Gebhard und Manfred Schullian

Man kann also festhalten: Es gab Kreise innerhalb Ihrer Partei, die die Unterbergerin abschießen wollten?

Ja, anders sind die Vorkommnisse leider nicht zu interpretieren, wobei ich natürlich noch andere Anhaltspunkte habe, die ich nicht öffentlich thematisieren möchte. Tatsache ist, dass ich einigen konservativen Kräften in unserer Partei ein Dorn im Auge bin, was ich schade finde, denn ein gesunder Mix aus progressiven und konservativen Kräften macht ja eine Sammelpartei aus. Ich habe das Gefühl, dass einige sehr konservative Kreise alles, was nicht so denkt und handelt, wie sie es sich vorstellen, aus der Parte drängen möchten, besonders eine unbequeme und unerschrockene Frau wie mich.  Wir im Westen wären nie auf die Idee gekommen, Gegenkandidaten im Osten zu lancieren.  

Und der Obmann?

Auch vom Obmann hätte ich mir erwartet, dass er mehr auf eine ausgewogene Vertretung aller Parteiströmungen achtet. Die Partei würde dringend einen neutralen Schiedsrichter benötigen, der die verschiedenen Kräfte im Gleichgewicht hält, aber da besteht schon eine starke Schieflage Richtung Osten. Ich habe oft das Gefühl, dass mit zweierlei Mass gemessen wird:  Bei auch nur relativ harmlosen Verfehlungen derjenigen, die als LH-Unterstützer gelten, wird sofort der Zeigefinger erhoben und es werden harte Konsequenzen gefordert und gezogen, siehe Schuler oder Jasmin Ladurner. Auf die „Freunde im Edelweiß“ kam ein Jahr lang keine Reaktion, außer die Anschuldigungen und die Rücktrittsforderungen via Pressekonferenz gegen Karl Zeller, dem vermeintlichen Überbringer der schlechten Nachricht.  Im Fall von Manfred Vallazza ist es jetzt wieder verdächtig ruhig.  Und außerdem lautete der Vorwurf gegen Zeller, die Verquickung seiner Tätigkeit als Anwalt und Politiker sei mit den Werten der Partei nicht vereinbar. Dies, obwohl Karl Zeller nie gegen die Interessen des Landes gehandelt oder prozessiert hat. Was sagt man jetzt zum amtierenden Senator, der als Anwalt versucht hat, seinem Parteispezi einen ungerechtfertigten Vorteil auf Kosten des Landes zu verschaffen?

Julia Unterberger mit Regionenminister Federico Boccia

Was bedeutet der Sieg bei den Vorwahlen für Sie persönlich?

Der Sieg ist für mich natürlich sehr erfreulich. Ich muss sagen, dass ich vor fünf Jahren gezögert haben, ob ich diese Aufgabe neben meiner Tätigkeit als Rechtsanwältin überhaupt bewältigen kann. Jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe, mir gefällt die Tätigkeit in Rom sehr gut. Ich konnte mir im Senat ein gewisses Ansehen erwerben, und zwar auch bei rechten Politikern. Mir wird ja immer unterstellt, ich könne nur mit Linken, was nicht stimmt. Der Fraktionssprecher der Lega hat mich vor einigen Monaten extra angerufen, um mir zu sagen, dass er mich schätzt, obwohl ich eine ganz andere Sicht der Dinge habe wie er, und einer meiner besten Freunde ist ein Tierschützer von FDI. Kurzum, ich bin im Parlament in meinem Element. Daher hätte es mir sehr leidgetan, wenn ich nicht mehr aufgestellt worden wäre. Ich habe noch viele Projekte, die ich zu Ende bringen möchte. 

Und was bedeutet der klare Sieg der Kompatscher-Unterstützer für die Partei?

Es tut der Partei gut, wenn sie nicht zum Einheitsbrei wird. Die Richtungen in der SVP, die die Bevölkerung widerspiegeln, bestehen nicht nur aus Bauern, Wirtschaftsvertretern und Jägern, sondern auch aus ArbeitnehmerInnen, Frauen, Jugend und Senioren. Die haben bei meiner Wahl ein kräftiges Lebenszeichen gegeben. 

Giuseppe Conte und Julia Unterberger (Archivbild)

In Italien wird höchstwahrscheinlich eine rechte Regierung an die Macht kommen. Was ändert das für Sie?

Es wird viel schwieriger werden. Unsere Strategie in Rom hat immer darin bestanden, so weit wie möglich, die Regierung zu unterstützen. Je knapper die Mehrheit, desto besser für uns. Es macht keinen Sinn, mit zwei Senatoren auf 200 blockfrei zu agieren. Der Deal hat immer darin bestanden, dass wir die Regierung unterstützt haben, im Gegenzug lässt sie etwas zu unseren Gunsten durchgehen. Mit einer Regierung, in der die Fratelli d’Italia vertreten sind, können wir natürlich nicht zusammenarbeiten, geschweige denn, sie unterstützen. Wir werden in Opposition gehen und es wird schwer sein, etwas  weiterzubringen.

Das bedeutet?

Das bedeutet konkret, dass wir uns darauf konzentrieren werden, dass uns die Regierung nichts wegnimmt. Da die Lega hoffentlich zur Autonomie steht, wird es vielleicht nicht zum Schlimmsten kommen.

Interview: Artur Oberhofer

 

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