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„Keine Kompromisse“

Pragser Wildsee

Josef Oberhofer, Präsident des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, wettert gegen den Massentourismus und bezeichnet den Bettenstopp als „halbherzige Entscheidung“.

Tageszeitung: Herr Oberhofer, die Ergebnisse des Landesstatistikinstituts ASTAT zeigen im Vergleich zu anderen Alpenregionen eine überdurchschnittliche Tourismusbelastung in Südtirol. Wie bewerten Sie die Zahlen?

Josef Oberhofer: Wir alle stöhnen unter diesen Werten. Die immensen Probleme, die der Massentourismus mit sich bringt, sind nicht zu leugnen. Tagtäglich erleben wir die negativen Auswirkungen hautnah in Form von Verkehrsüberlastungen und verstopften Straßen. Am Wochenende kann man als Einheimischer kaum noch etwas unternehmen, weil alles derart überlaufen ist. Natürlich darf man die Vorzüge des Tourismus nicht vollends ausblenden, denn er verhilft Südtirol zu seinem Reichtum. Auch wenn das gesamte Land und somit jeder von uns seinen Teil daran verdient, gibt es bestimmte Nutznießer. So wie in vielen anderen Bereichen auch, haben wir jedoch das Gespür für ein vernünftiges Maß verloren. Die Einheimischen bleiben dabei völlig außen vor. Die Gasthäuser sind maßlos überfüllt , sodass man sich als Einheimischer nicht mehr willkommen fühlt. Vor kurzem bin ich an einem Hotel vorbeigekommen, welches früher als Treffpunkt für ein gemütliche Zusammenstizen und Kartenspielen war. Heute hängt dort ein Schild „Nur für Touristen“. Man fühlt sich im eigenen Land nicht mehr erwünscht. „Normale“ Bürger erhalten in vielen Bereichen weitaus weniger fördernde Unterstützungen wie die Gäste. So müssen wir beispielsweise für die öffentlichen Verkehrsmittel und Seilbahnen selbst bezahlen, während die Touristen, die zu uns kommen, diese gratis nutzen können.

Welche Auswirkung hat der Massentourismus aus Ihrer Sicht auf die Umwelt?

Für die Umwelt sind die Zustände katastrophal: Alles ist überlaufen und überall sind Menschen auf E-Bikes unterwegs, denn bei uns ist schließlich alles erlaubt. Auch im hochalpinen Bereich ist die Umwelt überlastet. Diese Zonen sind hochsensibel und das dort lebende Wild hat keine Ruhe vor den Menschenmassen. Auch die Badeseen sind maßlos überfüllt. Neulich hat der Wirt der Drei Zinnen Hütte, Hugo Reider, erzählt, die Hütte sei dermaßen überlaufen, dass das Wasser nicht mal mehr für die Klospülung reichen würde. Jegliches vernünftiges Maß wurde überschritten, deshalb braucht es knallharte Entscheidungen. Diese müssen jedoch heute und nicht erst morgen gefällt werden, so wie es bei der Klimaschutzdiskussion der Fall war.

Wie kann in diesem Bereich etwas verändert werden?

Die Politik muss den Mut aufbringen und wichtige Entscheidungen treffen. Wir als Dachverband für Natur- und Umweltschutz haben der Landespolitik bereits unsere Bereitschaft angeboten, sie dabei voll und ganz zu unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, für Konsens in der Bevölkerung zu sorgen, damit diese oftmals unliebsamen Maßnahmen mitgetragen werden. Die Entscheidungen muss schlussendlich aber die Politik treffen.

Was bringt hier der vor kurzem beschlossene Bettenstopp?

Die Bettenstopp-Geschichte gehört zu den Geschichten, die mir überhaupt nicht gefallen. Der beschossene Bettenstopp ist ja nicht einmal ein richtiger Bettenstopp. Viele, die daran beteiligt waren, wie beispielsweise Landesrat Arnold Schuler, haben es sicherlich gut gemeint. Doch wie immer in der Politik, kommen irgendwann andere Kräfte ins Spiel, es wird viel rumdiskutiert und zerredet und am Ende werden unklare Entscheidungen getroffen. Auch war die Konstellation innerhalb der SVP mit drei Bauernvertretern nicht gerade förderlich für eine strikte Lösung in der Bettenstopp-Diskussion. Der Landeshauptmann müsste hier ein Machtwort sprechen. Schlussendlich ist der Beschluss zum Bettenstopp lediglich eine halbherzige Entscheidung und stellt absolut keine Lösung für das Problem dar. Für derartige Kompromisse haben wir aber keine Zeit mehr. Was wir jetzt brauchen, sind klare und mutige Entscheidungen. Die Menschen schreien anfangs zwar laut auf, schlussendlich sind sie aber doch meist dankbar für strengere Maßnahmen. Das konnte man gut sehen, als die italienische Regierung ohne Wenn und Aber das Rauchverbot in der Gastronomie beschlossen hat.

Der beschlossene Bettenstopp wird laut Ihnen nicht viel verbessern. Welche Maßnahmen bräuchte es stattdessen?

Natürlich sind solche Dinge immer leichter gesagt als getan. Vorstellbar wäre ein Zeitfenster für die Überquerung der Passstraßen oder ein Autoverbot innerhalb der Landeshauptstadt Bozen. Auch sollten Oldtimer-Treffen verboten werden. So etwas ist in der heutigen Zeit vollkommen überholt und nicht mehr rechtfertigbar. Wenn solche Treffen mit alles andere als umweltfreundlichen Autos weiterhin erlaubt sind, wie soll ich dann einem Arbeiter, der jeden Tag vom Sarntal auf die Arbeit nach Bozen fährt, erklären, er dürfe mit seinem Diesel-Auto der Klasse 4 aufgrund der Umwelt nicht mehr in die Stadt fahren? Wir brauchen mutige Entscheidungen, an denen fehlt es uns in Südtirol zur Genüge. Der Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi hat nicht einmal den Mut, eine sofortige Verordnung zu erlassen, die die Kaufleute zwingt, die Eingangstüren zu ihren Geschäften zu schließen. Das wäre bei den derzeitigen hohen Temperaturen ein konkreter Beitrag zum Klimaschutz. Irgendjemand von den Kaufleuten ist dagegen und die Idee wird sogleich verworfen. Einerseits verdienen viel zu viele der Personen in den Schlüsselpositionen gutes Geld durch den Tourismus und andererseits wollen sie es allen recht machen und gegen niemanden arbeiten, denn schlussendlich geht es um ihre Wiederwahl. Viele, auch kleine Schritte müssen gemacht werden, um das Ziel zu erreichen.

Was wäre ein weiterer kleiner Schritt?

In Bozen gibt es eine Vielzahl an Brunnen, bei denen das Wasser den ganzen Tag über läuft. Natürlich ist es wichtig, solche Wasserquellen zur Verfügung zu stellen, denn so können Projekte wie „Refill Südtirol“ realisiert werden. Seit fast einem Jahr frage ich jedoch in der Gemeinde Bozen, ob man an diesen Brunnen einen kleinen Wasserhahn anbringen könne, sodass das Wasser nur bei Gebrauch laufen muss. Natürlich handelt es sich dabei um einen extrem kleinen Schritt, aber immerhin könnten etliche tausend Liter Wasser eingespart werden. Schlussendlich geht es auch um eine gewisse Wertschätzung dieser kostbaren Ressource.

Interview: Franziska Mayr

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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