Die späte Ermittlung
Nun hat auch die Staatsanwaltschaft Bozen Ermittlungen zum mysteriösen Tod von Evi Rauter im September 1990 im spanischen Portbou aufgenommen. Sie will über ein Rechtshilfeansuchen österreichische Zeugen anhören.
Von Thomas Vikoler
Was ist passiert mit Evi Rauter am 4. September 1990 am Strand von Portbou? Auf diese Frage gibt es weiterhin keine Antwort. Aber Bemühungen von Strafverfolgern, sie nach über 30 Jahren zu beantworten.
An jenem 4. September 1990 wurde am Küstenort in Katalonien eine unbekannte Frau aufgefunden – erhängt an einer Pinie. Sie wurde im örtlichen Friedhof Figueras in einem Massengrab beigesetzt.
Spätestens nachdem eine in Österreich urlaubende Südtirolerin im April dieses Jahres Evi Rauter auf Bildern der ATV-Sendung „Ungelöst – Cold Case Austria“ zweifelsfrei erkennen konnte, ist der Fall wieder aktuell. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr, dass es sich bei dem „Mädchen von Portbou“ um die seit 32 Jahren vermisste Evi Rauter handelt.
Und es gibt massive Zweifel, dass die damals 19-Jährige, die zuvor ihre Schwester Christine in Florenz besucht hatte – und 20 Stunden später in Portbou an der französisch-spanischen Grenze erhängt aufgefunden wurde – sich selbst getötet hat. Spanische Forensiker erklärten in der Sendung „Crims“ des Fernsehsenders TV3, dass Seillänge und Verknotung gegen einen Suizid sprächen.
Ist Evi Rauter also einem Mörder zum Opfer gefallen? Einem, der eine von ihm verübte Gewalttat anschließend als Selbstmord zu kaschieren versuchte?
Diesem Verdacht geht nun auch die Staatsanwaltschaft Bozen nach, die formelle Ermittlungen zum Tatverdacht der vorsätzlichen Tötung von Evi Rauter aufgenommen hat. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Florenz auf Anweisung des Innenministeriums Vorerhebungen gestartet.
Bereits am 17. Mai hatte die Bozner Gerichtspolizei infolge der Ausstrahlung der ATV-Sendung einen Dienstbericht erstellt, der sich aber in den Mäandern der Gerichtspalastes verlor.
Nun ist er wieder aufgetaucht, mit dem Fall wird sich der stellvertretende Staatsanwalt Andrea Sacchetti befassen.
Laut Dienstbericht sollen zur Aufklärung der Todesumstände von Evi Rauter sechs Zeugen befragt werden. Über ein Rechtshilfeansuchen an Österreich. Es handelt sich um jene sechs jungen Männer aus der Alpenrepublik, die in der Nacht auf den 4. September 1990 in rund 50 Metern Entfernung von Evi Rauter am Strand in einem Zelt übernachteten.
Drei der Männer waren von der Sendung „Ungelöst – Cold Case Austria“ identifiziert worden, wollten aber nichts zu dem 32 Jahre zurückliegenden Aufenthalt in Portbou sagen.
Wie Christine Rauter, die Schwester der Verstorbenen, im Juni gegenüber der TAGESZEITUNG erklärte, seien die sechs österreichischen Rucksacktouristen damals von der spanischen Polizei erkennungsdienstlich erfasst worden. Sie hätten erklärt, Evi Rauter nicht gekannt und in jener Nacht nichts bemerkt zu haben.
Dennoch nährt ihr Schweigen nach der Identifizierung der unbekannten Toten Zweifel, ob sie nicht doch mehr wissen, als sie damals erklärten.
Eine Zeugin hatte in der spanischen „Crims“-Sendung ausgesagt, in den Morgenstunden einen verbalen Streit in einer fremden Sprache mitbekommen zu haben. Ein Hinweis auf eine mögliche Gewalttat.
Hermann Rauter, Vater von Evi, und Schwester Christine schließen einen Selbstmord jedenfalls aus. „Es gab nie Anzeichen einer Depression. Wir hätten dies bemerkt“, sagen sie.
Rein theoretisch ist die Zeit für die Aufklärung dieses Cold Cases nahezu unbegrenzt. In Italien verjährt Mord nicht, in Spanien wäre eine Mordermittlung zum Fall Evi Rauter rechtlich gar nicht mehr möglich. Dort verjährt ein Mord nach 30 Jahren.
Mit dem Verschwinden von Evi Rauter hatte sich im Jahre 1990 auch die italienische Vermisstensendung „Chi l`ha visto?“ befasst. Ohne Ergebnis. Die später Vermisste hatte ihrer Schwester in Florenz einen Zettel hinterlassen, auf dem sie mitteilte, sie fahre nach Siena und sei am Abend wieder zurück in ihrer Wohnung. Stattdessen landete die 19-Jährige im über tausend Kilometer entfernten Küstenort in Katalonien, wo man sie einen Tag später erhängt auffand.
Auch zu diesem kurzfristigen Wechsel des Reiseziels könnte es in Italien Zeugen geben.
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