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„Jeder muss aufs Klo“

Alberta Stenico

Derzeit wird in Südtirol nur in drei Kläranlagen ein sogenanntes Coronavirus-Monitoring durchgeführt – weil im Biologischen Landeslabor Personal fehlt. Dabei wäre das Abwasser-Monitoring nicht nur viel kostengünstiger als das herkömmliche Testen, sondern auch anonym.

von Artur Oberhofer

Es war Franz Ploner, der vor wenigen Tagen Alarm schlug. „Man nimmt eine Riesenchance im Kampf gegen das Corona-Virus nicht wahr, und das ist schade.“

Um was geht es?

Im Jänner 2021 wurde im Landtag ein Beschlussantrag des Team K genehmigt, der vorsah, dass Südtirol

ein kontinuierliches Monitoring des Corona-Virus und dessen Varianten im Abwasser vornimmt.

Der Haken an der Geschichte: Es wurden zwar die nötigen Geräte für das Abwasser-Monitoring angekauft, aber der Umweltagentur fehlte das Personal, um die Tests auch (flächendeckend) durchführen zu können.

Diesen Umstand bestätigt jetzt auch die Leiterin des Biologischen Labors der Umweltagentur, Alberta Stenico, gegenüber der TAGESZEITUNG.

Alberta Stenico fügt hinzu: „Das Abwasser-Monitoring wäre gerade jetzt so wichtig, weil wir mit den klinischen Tests stark zurückgefahren sind.“

Das Virus SARS-Cov-2 gelangt vor allem mit dem Stuhl infizierter Personen in die Umwelt. Etwa 70 % der infizierten Personen scheiden das Virus aus, unabhängig davon, ob sie unter den typischen Beschwerden leiden oder teilweise bis vollständig beschwerdefrei sind, erklärt Alberta Stenico. „Durch die Untersuchung des Abwassers am Einlauf der Kläranlagen kann man das Vorkommen des Virus im Einzugsgebiet der Kläranlage überwachen“, erklärt die Chefin im Biologischen Landeslabor. Die Methode sei nicht invasiv, effizient sowie kostengünstig und ermögliche zudem eine anonyme Datenerfassung.

TAGESZEITUNG: Frau Stenico, warum sind die Daten einer Abwasser-Analyse so wichtig?

Alberta Stenico: Die Ergebnisse von Abwasseruntersuchungen ermöglichen den Verlauf einer Corona-Epidemie vorherzusagen. Das genetische Material des Virus ist bereits zu Beginn eines epidemischen Ausbruchs im Abwasser nachweisbar, und zwar noch bevor erste klinische Fälle bekannt werden. Steigt die Ansteckungszahl an, nimmt auch die Menge an genetischem SARS-CoV-2-Material im Abwasser zu.

TAGESZEITUNG: Wozu dienen die gewonnenen Daten?

Alberta Stenico: Der Nachweis viraler RNS im Abwasser informiert in Echtzeit über die Verbreitung des Corona-Virus in der Bevölkerung und den Aufwärts- bzw. Abwärts-Trend der epidemiologischen Kurve. Das Viren-Monitoring im Abwasser bzw. die sogenannte abwasserbasierte Epidemiologie dient der Vorbeugung und Kontrolle von epidemischen Herden und bietet folgende Vorteile: Das Monitoring ist indirekt, nicht invasiv und anonym. Es liefert Informationen über Verbreitung und Umlauf des Virus mit Angaben zum Verlauf der epidemiologischen Kurve. Es unterstützt Entscheidungen über eventuell nötige Einschränkungsmaßnahmen, die somit auch auf Zonen mit größter Viruszirkulation beschränkt bleiben können. Und die Daten der abwasserbasierten Epidemiologie können ergänzend zu den epidemiologischen Daten des Sanitätsbetriebes genutzt werden und ermöglichen eventuell zukünftige Ansteckungswellen vorherzusagen.

Seit September 2021 beteiligt sich das Biologische Labor zwar an der nationalen epidemiologischen Überwachung von SARS-COV-2 (SARI, Sorveglianza Ambientale Reflue in Italia). In Anlehnung an ein national anerkanntes Protokoll wird genetisches Material aus dem Abwasser der Kläranlagen extrahiert und auf Genfragmente des Coronavirus SARS-COV-2 untersucht.

Dafür werden zweimal wöchentlich Abwasserproben aus den beiden größten Kläranlagen der Provinz, Meran und Bozen, entnommen. Seit Januar 2022 werden auch Proben der Kläranlage Tramin analysiert. „Damit decken wir 45 Prozent der Südtiroler Bevölkerung“, erklärt Laborchefin Alberta Stenico.

Die Proben werden zwei Mal die Woche – jeweils am Donnerstag und am Sonntag – in den drei Kläranlagen entnommen.

Diese Extrakte werden in der Folge, wie gesagt, einmal im Monat an das Istituto Superiore di Sanità nach Rom geschickt, wo die Proben auch auf verschiedene SARS-COV-2 Varianten untersucht werden. „Wir bekommen dann die Daten aus Rom und leiten diese natürlich auch an die Covid-Task-Force in Bozen weiter“, erklärt Alberta Stenico.

Die Biologin ist von der Güte des Datenmaterials überzeugt: „Die Abwasser-Daten sagen die Wahrheit, denn auf die Toilette muss jede/r.“

Wie sehen die Daten derzeit aus?

Dazu die Chefin im Biologischen Landeslabor: „Wir sehen an den Werten vom letzten Montag ganz klar, dass die Corona-Infektionen ansteigen, wir können nicht sagen, wie viele Menschen infiziert sind, aber wir können auf der Grundlage dieser Daten sagen, ob eine Tendenz steigend, stabil und rückläufig ist.“ Und: Man könne mit den Abwasser-Daten auch kleine Herde gut messen.

Alberta Stenico sieht jetzt ein Licht am Ende des Tunnels.

Die Chefin im Biologischen Landeslabor hofft nämlich, dass das Abwasser-Monitoring bereits ab September dieses Jahres auf neun Kläranlagen in Südtirol ausgedehnt werden kann. Mit den Daten aus neun Kläranlagen könnten rund 70 Prozent der Bevölkerung überwacht werden. „Wir bekommen jetzt Gelder aus Rom“, erklärt die Leiterin des Biologischen Landeslabors, „so dass wir eine Biologin anstellen können.“

Alberta Stenico hofft außerdem, dass das Land auch die bereits zugesagte Stelle eines Labortechnikers so bald wie möglich besetzt. „Wenn wir eine Biologin und einen Labortechniker haben, könnten wir das Abwasser-Monitoring nicht nur auf neun Kläranlagen ausdehnen, sondern wir könnten in dem Fall auch autonom die Varianten-Analyse machen“, erklärt die Leiterin im Biologischen Landeslabor. Und: Mit mehr Personal könnten auch endlich jene bereits angekauften Geräte eingesetzt werden, die aufgrund des Personalmangels im Labor verstaubt sind.

Ein weiterer Vorteil eines kapillaren Abwasser-Monitorings wäre immer laut Alberta Stenico, dass man auch Tourismushochburgen überwachen könnte. In jedem Fall könne man mit den Abwasser-Daten eine Entwicklung frühzeitig (Alberta Stenico: „Einige Wissenschaftler sagen, man kann die Daten eine Woche voraussagen, anderen meinen sogar zwei Wochen“) vorhersagen – und somit auch präventiv die entsprechenden Schritte setzen.

Die Vorzüge des Abwasser-Monitorings, so Alberta Stenico, lägen auf der Hand. „Denn“, so die Laborchefin, „das Abwasser-Monitoring ist nicht nur anonym und kostengünstig, im Gegensatz zum herkömmlichen Testen muss man die Leute nicht dazu überreden.“

Denn, wie gesagt, „jeder muss aufs Klo“.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • andreas

    Und welchen Schluß würden sie daraus ziehen, wenn z.B. in Schenna, wegen infizierter Touristen, die Infektionen stark ansteigen?
    Keinen, da es nicht wirklich sinnvoll ist, für jedes Dorf individuell zu entscheiden.

  • guyfawkes

    Die Tageszeitung führt ein Interview mit der Leiterin des Biologischen Labors der Umweltagentur. Der Inhalt des Interviews ist vor Allem wissenschaftlicher Natur. So weit so gut.
    Und welche Aussage wählt die Tageszeitung als Überschrift für den Artikel?
    „JEDER MUSS AUFS KLO“
    Wahrscheinlich geht die Redaktion davon aus, dass so eine (ziemlich niveaulose) Überschrift mehr Leser anzieht.
    Wenn ich Frau Stenico wäre, wäre ich jedenfalls nicht erfreut.

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