Das Geheimnis der Cozze
Darf man Miesmuscheln nur in den Monaten ohne „R“ im Namen essen? Die VZS-Ernährungsberaterin Silke Raffeiner klärt auf.
Eine italienische Überlieferung besagt, dass man Miesmuscheln nur in den Monaten ohne „R“ im Namen essen sollte: Mai, Juni, Juli, August (der Jänner – gennaio – ist von dieser Regel ausgenommen).
In dieser Zeit hätten die Muscheln die optimale Größe und schmeckten am besten. Die restlichen Monate des Jahres dagegen würden sie für Vermehrung und Wachstum benötigen. Tatsächlich werden beispielsweise die „Cozze di Cervia“, also die Miesmuscheln, die bei Cervia im Adriatischen Meer kultiviert werden, zwischen Jänner und August laufend geerntet.
Es handelt sich dabei um Muscheln aus Zuchtanlagen. Bevor sie geerntet werden, wachsen sie rund ein Jahr lang an Langleinen, also an langen Seilen im Meerwasser.
Nicht nur im Mittelmeer, auch an der Nordsee- und der Atlantikküste werden Miesmuscheln gezüchtet. In Deutschland ist die Zucht bereits im 13. Jahrhundert urkundlich belegt. Kurioserweise gilt in Ländern wie Deutschland, Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Portugal die Empfehlung, Miesmuscheln von September bis April zu essen – also in den Monaten mit „R“ im Namen.
Begründet wird diese Empfehlung damit, dass in den warmen Sommermonaten das Risiko einer Belastung mit Algengiften höher und der Verzehr der Muscheln daher nicht empfehlenswert sei.
„Muscheln sind Filtrierer. Um sich zu ernähren, saugen sie das Meerwasser an und filtern dieses, dadurch wird Plankton als Nahrung in den Kiemen zurückgehalten“, erklärt Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol.
Abhängig von der Wasserqualität am jeweiligen Standort können Miesmuscheln auch Umweltgifte und Algengifte (Cyanotoxine) bis hin zu Bakterien und Mikroplastik enthalten. Algentoxine können beim Menschen Vergiftungserscheinungen hervorrufen.
Damit keine kontaminierten Muscheln in den Handel gelangen, werden die Aufzuchtgebiete an den Küsten der EU-Mitgliedstaaten auf Algen bzw. Algentoxine untersucht. Werden zu hohe Konzentrationen an giftigen Algen festgestellt, dann dürfen die Muscheln nicht vermarktet werden.
Zudem finden Kontrollen in den Sortier- und Abpackanlagen statt. Bevor die geernteten Muscheln in den Handel kommen, werden sie teilweise in sauberem Meerwasser gelagert, damit eventuell vorhandene Algengifte ausgeschieden werden.
Aus diesem Grund und weil es, im Unterschied zu früher, heute funktionierende Kühlketten gibt, welche die Muscheln vor Verderb schützen, ist es laut der Verbraucherzentrale Bayern heute nicht mehr notwendig, die „R“-Regeln auf Punkt und Beistrich zu beachten.
Die Bezeichnung „Mies“muschel leitet sich übrigens vom mittelhochdeutschen Wort „mies“ bzw. vom plattdeutschen Wort „mois“ (= Moos) ab, da die braunen Fäden, mit denen die Muschel sich am Untergrund festhält, an Moos erinnern. Miesmuscheln sind reich an Proteinen, den Spurenelementen Jod und Selen sowie den Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure).
Um einer Lebensmittelinfektion oder -vergiftung vorzubeugen, sollten nur lebende Miesmuscheln mit geschlossener Schale verwendet und zudem gegart und nicht roh gegessen werden.
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