Herbst mit Fragezeichen
Corona und kein Ende in Sicht: Wie das Land trotz Virus für ein möglichst „normales“ Schuljahr sorgen will.
Von Matthias Kofler
Das gestrige Treffen der Schullandesräte Philipp Achammer und Giuliano Vettorato mit Bildungsminister Patrizio Bianchi war überschattet von der sich anbahnenden Regierungskrise in Rom. Die 5 Sterne haben Ministerpräsident Mario Draghi die Rute ins Fenster gestellt und drohen offen damit, die Mehrheit zu verlassen. Italien ist zwar durchaus krisenerprobt; in der aktuellen Phase mit Pandemie, hoher Inflation und steigenden Energiepreisen wollen die Allermeisten Neuwahlen jedoch tunlichst vermeiden. „Ich weiß leider nicht, ob ich kommende Woche noch Minister bin“, brachte Bianchi das Dilemma auf den Punkt.
Die politische Unsicherheit war wohl auch ein Grund dafür, dass der Minister, der in seiner bisherigen Amtszeit immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Südtirol-Autonomie hatte, gestern eher im Vagen blieb. Angesprochen wurde unter anderem das Coronavirus, das einfach nicht verschwinden will. Achammer und Vettorato forderten von Rom, rasch die Richtlinien für das neue Schuljahr festzulegen. Schließlich beginnt das Schuljahr in Südtirol bereits am 5. September. Man brauche Klarheit, unterstrichen die Vertreter Südtirols, für die erneute Schulschließungen ein Alptraum wären. Bianchi betonte, dass Vieles von der weiteren Entwicklung der Infektionslage im Sommer abhänge. Er sicherte aber zu, bei den Corona-Maßnahmen an den Schulen künftig stärker zwischen den einzelnen Regionen zu differenzieren als bisher.
Angesichts der bisherigen Erfahrungen schwingt bei Achammer und Vettorato stets eine gewisse Portion Skepsis mit, wenn Rom Besserungen beim Corona-Management in Aussicht stellt. „Gerade in den letzten beiden Monaten des abgelaufenen Schuljahrs war die Situation bei uns sehr ungut, weil wir von Rom keine Antworten auf unsere Anliegen erhalten hatten“, erinnerte Achammer. Es brauche in Zukunft analoge Regeln für alle Lebensbereiche. „Wenn in weiten Teilen des öffentlichen Lebens eine Maske als notwendig erachtet wird, werden wir uns dem auch an den Schulen nicht entziehen“, so Achammer. Wichtig aber sei, dass die Kinder und Jugendlichen nicht länger zu den einzigen Leidtragenden der Pandemie gemacht würden.
Beim Arbeitsgespräch mit Bianchi ging es auch um die Lehrerausbildung. In Südtirol zeichnet seit 2018 die deutsche und ladinische Bildungsdirektion für die Organisation der berufsbegleitenden Qualifizierungskurse für Lehrkräfte der Sekundarstufe verantwortlich. An dieser Verantwortung, die mit der Übernahme autonomer Kompetenzen einhergeht, wolle man auch weiterhin festhalten, betonten die Landesräte. Hintergrund ist das neue System für die Erstausbildung von Lehrkräften an Sekundarschulen, das der Staat einführen will. Was die Verbindung von Theorie, Wissenschaft und Praxis während der Ausbildung anbelangt, ähnelt die neue staatliche Lehrerausbildung dem Südtiroler Modell.
Einen entscheidenden und zeitgemäßen Schritt wollen Landesrat Achammer und Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner auch beim Curriculum der Oberschulen setzen: SchülerInnen der dritten, vierten und fünften Klassen Oberschule soll zukünftig ermöglicht werden, dass sie im Sinne einer Schwerpunktsetzung und individuellen Flexibilisierung einen Teil des schulischen Angebots selbst bestimmen können. „Es handelt sich hierbei um einen Versuch, der die fachlichen und inhaltlichen Interessen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten der SchülerInnen bestmöglich fördern soll“, erklärte Achammer gegenüber dem Minister. Die Gesamtstundenzahl und die jährliche Pflichtstundenzahl blieben dabei unverändert. Dieser Ansatz zur Individualisierung des Lehrplans in den Sekundarschulen wurde von Bianchi als durchwegs interessant, innovativ und modellhaft begrüßt.
Kommentare (7)
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