Für mehr Politikerinnen
Im Auftrag des Landesbeirates für Chancengleichheit hat Eurac Research einen Leitfaden für eine gleichberechtigte Gemeindepolitik erarbeitet.
13 Bürgermeisterinnen gibt es derzeit in Südtirol, das sind auf alle 116 Gemeinden gerechnet lediglich 11 Prozent. In den Gemeinderäten sind 26,2 Prozent der Ratsmitglieder Frauen. Im Jahr 2020 hat ein Forscherteam von Eurac Research in einer repräsentativen Umfrage untersucht, wie sich Wählerinnen und Wähler zum Thema Frauen in der Südtiroler Gemeindepolitik äußern. Auf der Grundlage dieser Studie ist im Auftrag des Landesbeirates für Chancengleichheit nun ein Handlungsleitfaden entstanden. Dieser enthält Maßnahmen, um die Frauenpräsenz in der Südtiroler Gemeindepolitik zu stärken. Eingeflossen in die Broschüre sind neben Wahldaten auch die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage von Eurac Research aus dem Jahr 2017, bei der über 300 Gemeindevertreterinnen befragt wurden. „Obwohl Frauen die Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung stellen, sind sie in politischen Entscheidungsgremien leider immer noch unterrepräsentiert. Wir müssen uns als Gesellschaft mit den Gründen dafür auseinandersetzen, um gemeinsam bessere Voraussetzungen zu schaffen. Für eine sozial nachhaltige und zukunftsfitte Gesellschaft ist eine stärkere Mitsprache der Frauen unerlässlich“, betont der für Chancengleichheit zuständige Landesrat, Landeshauptmann Arno Kompatscher im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Handlungsleitfadens „Für mehr Frauen in der Politik … und wie wir dieses Ziel erreichen“.
„Die Beteiligung von Frauen an der Politik ist eine Voraussetzung für eine lebendige Demokratie, auch in Südtirol. Wenn Frauen stärker in der Politik vertreten sind, wird auch sichergestellt, dass Themen, die ihre Lebensrealität stärker betreffen, auf die politische Agenda gesetzt werden. Dafür gilt es die Rahmenbedingungen zu schaffen“, unterstreicht auch Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit. Einige dafür notwendigen Maßnahmenvorschläge wurden im Handlungsleitfaden gesammelt und reichen von einem verstärkten Austausch zwischen der Gemeindepolitik und den ehrenamtlichen Vereinen vor Ort, über Sensibilisierung für frauenpolitische Themen durch Schulinitiativen bis hin zur Organisation von Frauenstammtischen. Es gebe dafür auch konkrete Beispiele, berichtet Eurac-Forscherin Melanie Gross: „In Taufers im Münstertal treffen sich aktive und ehemalige Mandatarinnen regelmäßig. Es bietet sich auch an, Frauen aus unterschiedlichen Vereinen und ehrenamtlichen Organisationen zu solchen Stammtischen einzuladen und zu involvieren. Dadurch erhalten interessierte Frauen einen Einblick in deren politische Tätigkeit.“
Aus ihrem (politischen) Alltag berichteten bei der Vorstellung der Broschüre die beiden Bürgermeisterinnen Astrid Kuprian (Tscherms) und Giorgia Mongillo (Branzoll). „Die paritätische Vertretung beider Geschlechter in der Gemeinde Branzoll unterstreicht die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, hebt aber gleichzeitig auch die positiven Aspekte hervor“, umschreibt Bürgermeisterin Mongillo den Mehrwert einer gleichberechtigten politischen Entscheidungsebene. Die Chancengleichheit müsse deshalb unbedingt weiter gefördert werden, ist auch die Bürgermeisterin von Tscherms, Astrid Kuprian, überzeugt: Denn die größte Hürde, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik ließe sich durch „gute Organisation, Teamwork in der Familie und, bei Bedarf, mit funktionierenden Betreuungsangeboten für Kinder meistern.“
Die Bereiche, in denen Schritte gesetzt werden müssen, sind vielfältig. Sie reichen von der Gesetzgebungsebene über die Medien hin zur Unterstützung im Bereich der Vereinbarkeit. 78 Prozent der Wählerinnen und Wähler sowie 59 Prozent der Mandatarinnen geben in der Eurac-Umfrage an, dass es für Frauen schwerer sei, ein politisches Amt zu übernehmen. Als Gründe dafür nennen sie unter anderen die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch die Fakten, dass die Gesellschaft Frauen weniger zutraue und die Politik nach wie vor eine Männerdomäne mit ihren männlich geprägten Umgangsformen sei, werden als Motive für die mangelnde Frauenpräsenz aufgezählt. „Diese Zahlen sind auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen. Einerseits ist es für eine Frau nicht einfach, Familie, Beruf und Politik unter einen Hut zu bringen. Aber auch das traditionelle Rollenbild in Südtirol erschwert es Frauen, in der Politik Fuß zu fassen. In der Umfrage geben nämlich 40 Prozent der Befragten an, es sei besser, wenn die Verantwortung für den Haushalt und die Kinder hauptsächlich bei der Frau liegt – auch wenn beide Eltern erwerbstätig sind“, erklärt Kurt Promberger, Leiter des Instituts für Public Management von Eurac Research.
Der Handlungsleitfaden „Für mehr Frauen in der Politik … und wie wir dieses Ziel erreichen“ ist im Frauenbüro des Landes und im Forschungszentrum Eurac Research kostenlos erhältlich. Zudem kann das PDF von der Landeswebseite heruntergeladen werden. Dort ist auch ein Video von der Vorstellung der Broschüre zu sehen.
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