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„Es ist frustrierend“

Foto: lpa/pixabay

Ein Südtiroler Handwerksbetrieb muss 3.333 Euro Strafe zahlen, weil er eine Stellenanzeige nicht geschlechterneutral verfasst hat. Reine Schikane – oder ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau?

von Matthias Kofler

Der Fall sorgt landesweit für Aufregung: Ein Handwerksbetrieb aus Algund wurde vom Arbeitsinspektorat zu einer Verwaltungsstrafe von 3.333 Euro verdonnert, weil er eine auf einem Jobportal geschaltete Stellenanzeige nicht geschlechtergerecht verfasst hatte. „Wir suchen Mitarbeiter und Geometer für das Büro“, hieß es in der Annonce. Laut dem Arbeitsinspektorat stellt das eine „Diskriminierung bezüglich des Geschlechts beim Zugang zum Arbeitsplatz“ dar. Die Argumentation: Frauen könnten sich trotz persönlicher und fachlicher Eignung diskriminiert fühlen, weil sie in der Stellenanzeige nicht direkt angesprochen werden – und sich deshalb nicht für den Job bewerben.

Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber bezeichnet die Entscheidung des Arbeitsinspektorats als „Gängelung der arbeitenden Bevölkerung“. Er fordere Landesrat Philipp Achammer auf, „diesen Irrsinn einzustellen, die Strafe umgehend zu annullieren und das Arbeitsinspektorat anzuhalten seine Energien auf die wahren Missstände und Probleme in der Südtiroler Arbeitswelt zu lenken und unseren Arbeitnehmern wie Arbeitgebern konstruktiv zur Seite zu stehen“, so Leiter Reber. Sein Credo: Wenn eine Hotelierin gezielt einen männlichen Hausmeister suche, ein Metzger aus irgendwelchen Gründen Wert darauflege, dass seine Schlächter männlich sind oder eine Tochter eine Frau als Haushälterin für ihren alten Vater suche oder eben umgekehrt, dann dürfe dies keine Straftat sein.

Hat der Freiheitliche recht? Ist die verhängte Geldstrafe wirklich nur eine Schikane – oder ein notwendiger Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau?
Die Veränderung der Sprache hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit ist ein umstrittener Prozess. Die Gender-Theorien gehen davon aus, dass sich Sprache auf die Gesellschaft auswirkt. Sie baut Rollenbilder (Männer arbeiten, Frauen bleiben zu Hause) auf und zementiert die Machtverhältnisse.

Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass sich Frauen häufig gar nicht oder weniger von Jobinseraten angesprochen fühlen, in denen das generische Maskulinum, also die männliche Schreibweise, dominiert. Dabei gilt in Italien seit 1977 ein Gesetz, das die Pflicht der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz vorsieht. Diese Gleichbehandlung beinhalte auch, dass die Stellenauschreibungen neutral formuliert werden, erklärt die SVP-Senatorin und Frauenrechtlerin Julia Unterberger. „Denn wenn weiterhin ein Arzt und eine Krankenschwester oder ein Akademiker und eine Sekretärin gesucht werden, zementiert das die Rollenzuschreibungen. Diese müssen nach allgemeinem gesellschaftlichen Konsens abgebaut werden, damit Frauen und Männer ihre Neigungen und Fähigkeiten bestmöglich und ohne Zwänge verwirklichen können. Dies trotz ,biologischer Natur‘, wie der Experte Leiter Reber das seiner Meinung nach ultimative Hindernis für die Gleichstellung bezeichnet“, so Unterberger.

Aber wie funktioniert das mit dem Gendern in Stellenanzeigen überhaupt? Weiterhin wird für die Jobtitel häufig das generische Maskulinum gewählt und dahinter die Buchstabenfolge m/w hinzugefügt. Soll heißen: Die Stellenanzeige richtet sich an beide Geschlechter. Aber ist das ansprechend? Julia Unterberger empfiehlt, statt Akademiker (m/w) die Formulierung AkademikerIn zu verwenden. So ist nicht nur die männliche, sondern auch die weibliche Form bereits im Jobtitel enthalten. Es gibt aber auch Alternativen, nämlich Jobtitel, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen. Zum Beispiel Jobtitel im Plural: Aus dem „Kaufmann“ werden so die „Kaufleute“. Eine andere Möglichkeit für eine gendergerechte Stellenausschreibung: eine neutrale Bezeichnung als Jobtitel. Auch das geht meist sehr unkompliziert. Aus dem „Projektleiter“ wird dann die „Projektleitung”. Aus der „Assistentin der Geschäftsleitung“ wird die „Assistenz der Geschäftsleitung“. Solche Formulierungen finden sich inzwischen immer häufiger in Stellenanzeigen. Auf diese Weise werden von vornherein alle Geschlechter angesprochen und niemand ausgeschlossen.

„Die Sanktion mag zwar überzogen erscheinen – und vor allem hat es nur einen von sehr vielen erwischt, aber es ist frustrierend, wenn das Prinzip nach bald 50 Jahren immer noch nicht verstanden wird“, kommentiert Julia Unterberger den Fall des Handwerksbetriebs im Burggrafenamt. Feststehe, „dass solche Anzeigen die Bilder in unseren Köpfen, was für Frauen und was für Männer geeignet ist, immer wieder reproduzieren“. Doch offensichtlich hätten manche Politiker wie Leiter Reber Schwierigkeiten, dieses einfache Prinzip zu verstehen. So gesehen sei eine Diskussion darüber auf jeden Fall förderlich. Die SVP-Politikerin appelliert an die Anzeigenabteilungen, die KlientInnen auf die geschlechterneutrale Schreibweise aufmerksam zu machen.

Auf die Frage, wie viele Frauen sich für eine Stelle bewerben, wenn ausschließlich nach „Handwerkern“ oder „Technikern“ gesucht wird, antwortet die Frauenrechtlerin: „Hier muss man sehen, ob die Arbeitgeber, die eine Annonce schalten, tatsächlich nur Männer für bestimmte Positionen einstellen wollen oder ob es sich nur um eine unkorrekte Ausdrucksweise handelt und Frauen ,mitgemeint‘ waren. Der Gesetzgeber der 70er Jahre wollte hauptsächlich dafür sorgen, dass Frauen Zugang zu allen Berufen haben und für ihre Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Bis dahin gab es Geschlechtertabellen für die verschiedenen Tätigkeiten, für die Frauen ganz offiziell viel weniger Lohn erhalten haben. Das wurde mit dem Gesetz verboten, auch wenn das Phänomen des ungleichen Lohns für gleiche Arbeit de facto immer noch vorhanden ist.“ Es ist also noch ein weiter Weg in Richtung echter Gleichstellung.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (24)

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  • criticus

    Unsere Landesbeamten helfen uns Probleme zu bewältigen, die wir ohne SIE nicht hätten. Unnötiges Geplänkel!!

  • gorgo

    Bin eigentlich kein großer Freund vom immerundüberall-gendern, teilweise scheint es auszuarten, aber es gibt eben Bereiche wo es wichtig wäre. Inserate, Politik usw. sollten schon beide Geschlechter ansprechen.
    Wen ein Arbeitsgeber dann einstellt ist natürlich seine Sache. Die Strafe ist überzogen, man sollte vom Inseratersteller darauf hingewiesen werden.

  • huggy

    Wenn ein Betrieb lieber Männer einstellen möchte dann ist das wohl seine Entscheidung .
    Da sehe ich jetzt keine Probleme und schon gar keinen Grund zu bestrafen

  • na12

    Ja, plärren das können die Betriebe gut. Zuerst sich über Fachkräftemangel beschweren und dann in Inseraten nur Männer ansprechen und am besten nur der deutschen Sprachgruppe zugehörig.
    Die Vorgaben sind klar und dass diese Fehler nun doch „zufällig“ in Inseraten passieren, daran glaubt kein natives Kind mehr.

  • nochasupergscheiter

    Auch hier sieht man wie weit die Politik und Beamtenschaft vom Bürger entfernt ist…
    Ein kleines Problem, eine unangemessene Strafe…
    Normalerweise wird ein professioneller angestellter eines protals oder Zeitung das sowieso zurechtbiegen…
    Eine Strafe von 50 Euro täte hier auch schon weh…
    Lustigerweise wurden auch Anzeigen von landesbetetrieben gefunden, wo man jetzt den Verantwortlichen die gleichen strafen ausstellen müsste…
    Hallo Rechnungshof!
    Aber das wollen die Herrn Politiker und Beamten ja nicht..
    Gleich ist es bei Arbeitsunfällen…
    Auch hier ist es nicht gewünscht die anderen anders zu bestrafen als die Politik, und sich mit Geld der Bevölkerung fett zu versichern bzw andere verantwortliche zu finden und festzunageln und damit Steuergelder zu verschwenden… Obwohl man selbst ja soviel verdienen muss weil man soviel Verantwortung hat…
    Es ist immer net andere su gängeln und zu strafen wenn man selbst einen Ausweg hat oder sich ohne Kosten einen zimmern kann…
    Ich wäre vorzugsweise dafür dass die Gesetze die für die Bürger und Firmen gelten auch für Beamte und Politiker gelten…
    Und für sie weil sie s ja wissen müssten noch scharfer angewandt würden..

    Glaubt mir leute es würde wenig dumme und unanagsmessene Gesetze geben

    • hallihallo

      ja. bin auch der meinung, daß eine strafe von euro 50,00 ausreichen würde, um auf dieses gesetz aufmerksam zu machen. immer diese unangemessenen strafen. wenn der beamte gut aufgelegt ist , kommst du mit einer verwarnung davon, wenn nicht, dann passieren die sachen, wie im bericht beschrieben.

  • prof

    Wie ist es eigentlich bei einer Partnersuche in den Zeitungen.
    Etwa so, Suche Partnerin oder Partner , Heirat nicht ausgeschloßen.

  • aufmerksamerbeobachter

    Als Privater werde wohl noch ich entscheiden, wen ich als Arbeitskraft haben will.

  • kirchhoff

    Der feine Herr Ach_Hammer_da_Probleme, und dieses Pressepack, beide schaffen es, den friedlichen Alltag mit System zu zerstören!

  • gerhard

    Unter Umständen grenze ich die potentiellen Kandidaten ein und verpasse einen Volltreffer wegen 10 cm an der falschen Stelle.
    Das wäre unklug.
    Die Entscheidung trägt aber ganz allein der Unternehmer.
    UND DAS IST GUT SO!

    Das ist wieder einmal ein Gesetz, das von völlig weltfremden Politikern gemacht wurde.
    Als Unternehmer stelle ich den ein, den ich will.
    Ich muss mit dem Bewerber arbeiten und ihn bezahlen.
    Somit erspare ich allen, die eh nicht in Frage kommen, unnötige Zeit und Geld für die Bewerbung.
    Aber wenn politische Vollpfosten das so wollen, dann machen wir das halt so.
    Alle Bewerbungen von Menschen, die vom Geschlecht, dem Namen, der Hautfarbe oder der Länge der Nase nicht in Frage kommen, werden aussortiert, die Interessanten zum Bewerbungsgespräch eingeladen.
    Wen ich beschäftige, entscheide ganz alleine ich, und sonst gar niemand.

  • olle3xgscheid

    Naja, anstellen kann man wen man will, das ist klar.
    Aber auschreiben einfach m/w/d einfügen. Macht das Inserat nur a bissl teuer.
    Sollte von der befugten Person aber darauhingewiesen werden.
    Aber we are the best in the Alps gell liebe PolitikerInnen 😉
    Das ist schon eine Stange Geld.

  • romy1988

    Diese Beamten müssen zeigen, dass sie noch da sind, denn eigentlich vermisst und braucht sie niemand.

  • laura

    Ja der Genderwahn, und die weiblichen Truthähne heißen jetzt Putin 😉

  • artimar

    Richtig so. Eine Stellenanzeige darf generell niemand diskriminieren. Niemand. Die amtlich gültige deutsche Sprachnorm ist hier eindeutig: „Mitarbeiter“, „Geometer“ (Sg., Pl.) sind maskulin bzw. generisch, d.h. in allgemeingültigem, geschlechtsübergreifendem Sinne, (d.w.m.), ebenso wie z.B. die feminen Formen in Person, Lehrperson …, Kraft, Arbeitskraft …
    Ein öffentlicher Dienst sollte vielmehr dienen und nicht Bürger-innen nun gar, aus Gesinnungsgründen mit amtlich zudem falschem Binnen-I und Verwaltungsmaßnahmen schikanieren und insbesondere nicht selbst bei eigenen Stellenanzeigen Arbeitssuchende beim Zugang zu einem Arbeitsplatz diskriminieren. Das geht so gar nicht. Es ist zu hoffen, dass Verantwortliche dienst- und schadensrechtlich nun persönlich dafür haften.

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