„Es ist frustrierend“
Ein Südtiroler Handwerksbetrieb muss 3.333 Euro Strafe zahlen, weil er eine Stellenanzeige nicht geschlechterneutral verfasst hat. Reine Schikane – oder ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau?
von Matthias Kofler
Der Fall sorgt landesweit für Aufregung: Ein Handwerksbetrieb aus Algund wurde vom Arbeitsinspektorat zu einer Verwaltungsstrafe von 3.333 Euro verdonnert, weil er eine auf einem Jobportal geschaltete Stellenanzeige nicht geschlechtergerecht verfasst hatte. „Wir suchen Mitarbeiter und Geometer für das Büro“, hieß es in der Annonce. Laut dem Arbeitsinspektorat stellt das eine „Diskriminierung bezüglich des Geschlechts beim Zugang zum Arbeitsplatz“ dar. Die Argumentation: Frauen könnten sich trotz persönlicher und fachlicher Eignung diskriminiert fühlen, weil sie in der Stellenanzeige nicht direkt angesprochen werden – und sich deshalb nicht für den Job bewerben.
Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber bezeichnet die Entscheidung des Arbeitsinspektorats als „Gängelung der arbeitenden Bevölkerung“. Er fordere Landesrat Philipp Achammer auf, „diesen Irrsinn einzustellen, die Strafe umgehend zu annullieren und das Arbeitsinspektorat anzuhalten seine Energien auf die wahren Missstände und Probleme in der Südtiroler Arbeitswelt zu lenken und unseren Arbeitnehmern wie Arbeitgebern konstruktiv zur Seite zu stehen“, so Leiter Reber. Sein Credo: Wenn eine Hotelierin gezielt einen männlichen Hausmeister suche, ein Metzger aus irgendwelchen Gründen Wert darauflege, dass seine Schlächter männlich sind oder eine Tochter eine Frau als Haushälterin für ihren alten Vater suche oder eben umgekehrt, dann dürfe dies keine Straftat sein.
Hat der Freiheitliche recht? Ist die verhängte Geldstrafe wirklich nur eine Schikane – oder ein notwendiger Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau?
Die Veränderung der Sprache hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit ist ein umstrittener Prozess. Die Gender-Theorien gehen davon aus, dass sich Sprache auf die Gesellschaft auswirkt. Sie baut Rollenbilder (Männer arbeiten, Frauen bleiben zu Hause) auf und zementiert die Machtverhältnisse.
Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass sich Frauen häufig gar nicht oder weniger von Jobinseraten angesprochen fühlen, in denen das generische Maskulinum, also die männliche Schreibweise, dominiert. Dabei gilt in Italien seit 1977 ein Gesetz, das die Pflicht der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz vorsieht. Diese Gleichbehandlung beinhalte auch, dass die Stellenauschreibungen neutral formuliert werden, erklärt die SVP-Senatorin und Frauenrechtlerin Julia Unterberger. „Denn wenn weiterhin ein Arzt und eine Krankenschwester oder ein Akademiker und eine Sekretärin gesucht werden, zementiert das die Rollenzuschreibungen. Diese müssen nach allgemeinem gesellschaftlichen Konsens abgebaut werden, damit Frauen und Männer ihre Neigungen und Fähigkeiten bestmöglich und ohne Zwänge verwirklichen können. Dies trotz ,biologischer Natur‘, wie der Experte Leiter Reber das seiner Meinung nach ultimative Hindernis für die Gleichstellung bezeichnet“, so Unterberger.
Aber wie funktioniert das mit dem Gendern in Stellenanzeigen überhaupt? Weiterhin wird für die Jobtitel häufig das generische Maskulinum gewählt und dahinter die Buchstabenfolge m/w hinzugefügt. Soll heißen: Die Stellenanzeige richtet sich an beide Geschlechter. Aber ist das ansprechend? Julia Unterberger empfiehlt, statt Akademiker (m/w) die Formulierung AkademikerIn zu verwenden. So ist nicht nur die männliche, sondern auch die weibliche Form bereits im Jobtitel enthalten. Es gibt aber auch Alternativen, nämlich Jobtitel, die sich keinem Geschlecht zuordnen lassen. Zum Beispiel Jobtitel im Plural: Aus dem „Kaufmann“ werden so die „Kaufleute“. Eine andere Möglichkeit für eine gendergerechte Stellenausschreibung: eine neutrale Bezeichnung als Jobtitel. Auch das geht meist sehr unkompliziert. Aus dem „Projektleiter“ wird dann die „Projektleitung”. Aus der „Assistentin der Geschäftsleitung“ wird die „Assistenz der Geschäftsleitung“. Solche Formulierungen finden sich inzwischen immer häufiger in Stellenanzeigen. Auf diese Weise werden von vornherein alle Geschlechter angesprochen und niemand ausgeschlossen.
„Die Sanktion mag zwar überzogen erscheinen – und vor allem hat es nur einen von sehr vielen erwischt, aber es ist frustrierend, wenn das Prinzip nach bald 50 Jahren immer noch nicht verstanden wird“, kommentiert Julia Unterberger den Fall des Handwerksbetriebs im Burggrafenamt. Feststehe, „dass solche Anzeigen die Bilder in unseren Köpfen, was für Frauen und was für Männer geeignet ist, immer wieder reproduzieren“. Doch offensichtlich hätten manche Politiker wie Leiter Reber Schwierigkeiten, dieses einfache Prinzip zu verstehen. So gesehen sei eine Diskussion darüber auf jeden Fall förderlich. Die SVP-Politikerin appelliert an die Anzeigenabteilungen, die KlientInnen auf die geschlechterneutrale Schreibweise aufmerksam zu machen.
Auf die Frage, wie viele Frauen sich für eine Stelle bewerben, wenn ausschließlich nach „Handwerkern“ oder „Technikern“ gesucht wird, antwortet die Frauenrechtlerin: „Hier muss man sehen, ob die Arbeitgeber, die eine Annonce schalten, tatsächlich nur Männer für bestimmte Positionen einstellen wollen oder ob es sich nur um eine unkorrekte Ausdrucksweise handelt und Frauen ,mitgemeint‘ waren. Der Gesetzgeber der 70er Jahre wollte hauptsächlich dafür sorgen, dass Frauen Zugang zu allen Berufen haben und für ihre Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Bis dahin gab es Geschlechtertabellen für die verschiedenen Tätigkeiten, für die Frauen ganz offiziell viel weniger Lohn erhalten haben. Das wurde mit dem Gesetz verboten, auch wenn das Phänomen des ungleichen Lohns für gleiche Arbeit de facto immer noch vorhanden ist.“ Es ist also noch ein weiter Weg in Richtung echter Gleichstellung.
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