„Das wäre fatal“
Lvh-Präsident Martin Haller ärgert sich über die ständigen Änderungen beim Superbonus. Und eine Abschaffung ohne Alternative berge die Gefahr einer Vollbremsung im Baugewerbe.
Tageszeitung: Herr Haller, die italienische Regierung will den 110-Prozent-Superbonus für energetische Sanierungen auslaufen lassen – vor allem weil die Maßnahme zu teuer ist. Ihre Reaktion?
Martin Haller (Handwerkerverband lvh): Es ist beim Thema Superbonus sehr ärgerlich, dass sich ständig die Regeln ändern. Wenn man etwas bauen will, dauert bereits die Planung und die Einholung der Genehmigungen fast ein Jahr. Hinzu kommt ein Jahr für die Bauarbeiten. Es ist deshalb wichtig, längerfristig Sicherheit zu schaffen. Nun werden aber das x-te Mal mittendrin die Regeln geändert. Das ist ein großes Problem, denn viele Bauherren gehen in Vorleistung und sind jetzt wieder großer Unsicherheit ausgesetzt. Man muss solche Maßnahmen vorab besser durchdenken und erst dann starten – und das Vereinbarte einhalten. Mittendrin zu stoppen ist fatal, denn teilweise sind Projekte kurz vor dem Start oder gerade gestartet. Schon in Vergangenheit hat es Kollateralschäden gegeben: Teilweise hatten Betriebe bereits die Gerüste aufgebaut, konnten dann aber nicht mit den Arbeiten starten, weil die Bauherren nicht wussten, ob sie den Bonus noch beanspruchen können. Das ist ungut für alle Seiten und führt auch zu finanziellen Problemen bei den Bauherren.
Was sollte die Regierung jetzt tun?
Wenn sie das Thema anders regeln will, muss sie es definitiv tun und klare Regeln für den weiteren Verlauf festlegen. Vor allem für Projekte, die schon am Laufen sind. Es braucht Sicherheit, dass diese Projekte noch abgeschlossen werden können. Grundsätzlich wissen wir, dass die Ökoboni gut funktionieren. Wir haben in Südtirol gute Erfahrungen mit dem 50- und 65-Prozent-Bonus für energetische Sanierungen gemacht. Vielleicht waren die 110 Prozent nicht ganz so richtig. Man hätte auch 80 Prozent machen können – mit einer Verhältnismäßigkeit, damit die Maßnahme auch funktioniert.
Seit einigen Monaten ist in Sachen Superbonus vielfach von Stillstand die Rede, weil die Banken das Steuerguthaben nicht mehr übernehmen. Wie ist die Lage?
Viele Banken haben aufgrund der Unsicherheiten verständlicherweise gebremst und keine neuen Projekte angenommen. Das hängt auch damit zusammen, dass der Superbonus in Italien missbraucht worden ist. Mit den Lokalbanken hat das System relativ gut funktioniert – gerade wenn der Bauherr selbst das Steuerguthaben seiner Hausbank abgetreten hat.
Um die Blockade zu lösen, überlegt man in Rom, die Abtretung der Steuerguthaben an beliebige Unternehmen auch abseits des Bankenwesens zu ermöglichen. Wäre das sinnvoll?
Beim Bankenwesen ist garantiert, dass das Ganze einen gewissen Ablauf hat. Das hat auch gut funktioniert. Man wird Regeln festlegen müssen, damit jene, die den Superbonus missbrauchen, nicht zum Schaden für andere werden. Wenn die Bank ein Steuerguthaben an ein anderes Unternehmen abtritt, würde es schon gut gehen, weil es dabei einen gut funktionierenden Ablauf gibt.
Falls der Superbonus nun definitiv abgeschafft wird: Welche Auswirkungen hätte das auf den Bausektor?
Das würde der Bausektor sicherlich spüren – vor allem in Kombination mit den Preissteigerungen, die bereits große Unsicherheit bei Privatinvestoren verursachen. Es gibt also das Risiko, dass die Bautätigkeit von einem Halbjahr auf das andere komplett gebremst wird. Das wäre sehr ungut, weil die Betriebe bis jetzt eine relativ starke Auslastung hatten, was vielleicht nicht immer gesund ist. Aber es wäre fatal, wenn jetzt komplett alles wegfällt. Wenn der Superbonus abgeschafft wird, muss man andere Ökobonus-Maßnahmen ergreifen.
Interview: Heinrich Schwarz
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Kommentare (6)
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perikles
Die Abschaffung des Steuerbonus wäre keineswegs fatal: die Nachfrage nach Baumaterialien würde verlangsamt, somit die Preise wieder sinken, die Inflation zurück gehen, das Problem der fehlenden Mitarbeiter abgeschwächt. Gesunde Betriebe hätten damit sowieso kein Problem .
semperoper
Dieser Superbonus ist einer der größten Skandale der italienischen Steuergesetzgebung überhaupt. Hier wird jemandem, der bereits Eigentümer einer Immobilie ist, seine Bude vollständig saniert, mit Geldern die von Personen stammen, die kein Eigentum haben, und damit diese Gelder nicht nutzen können, vornehmlich Arbeitnehmer. Und das ohne irgendwelche Bedingung (z.B. nur für Erstwohnung oder Pflicht zur Weitervermietung). An diesem Prinzip ändert sich auch nichts, sollten die 110% (hoffentlich) irgendwann auf weniger reduziert werden.