Pflege-Vorbild Burgenland
Als Maßnahme gegen den steigenden Personalmangel und zur Kostensenkung in der Pflege können im Burgenland pflegende Angehörige vom Land angestellt werden. Auch Südtirol denkt darüber nach.
von Heinrich Schwarz
Die Pflege wird eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Denn die Bevölkerung wird immer älter und gleichzeitig besteht schon heute ein Personalmangel im Bereich der Pflegeberufe. Wer also soll künftig die vielen pflegebedürftigen Menschen betreuen? Und wer soll die explodierenden Kosten bezahlen?
Südtirol arbeitet an entsprechenden Strategien zur Pflegesicherung. Im Blickfeld ist dabei jetzt auch das Pflegemodell im österreichischen Bundesland Burgenland. Dort läuft ein Pilotprojekt, das die Betreuung zu Hause durch Angehörige forciert. Im In- und Ausland wird gespannt auf die Ergebnisse gewartet.
Zum burgenländischen Pflegemodell hat jetzt die SVP-Fraktionssprecherin Magdalena Amhof einen Beschlussantrag im Landtag eingereicht. Sie beschreibt die Ausgangslage so:
„Wir werden immer älter. Dies ist vor allem der Achtsamkeit und dem Gesundheitsstreben der Menschen sowie dem gut funktionierenden Gesundheitssystem zu verdanken. Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft hat die Gewinnung und Qualifizierung von geeigneten Pflegekräften einen immer größer werdenden Stellenwert. Fakt ist, dass es zunehmend schwieriger wird, Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern.
Der Fachkräftemangel ist in diesem Bereich besonders stark spürbar. Will man mehr Pflegerinnen und Pfleger einsetzen, müssen diese künftig besser bezahlt werden.
Derzeit gibt das Land Südtirol rund 255 Millionen Euro jährlich allein an Pflegegeld aus. Bis 2030 werden in Südtirol im Vergleich zu heute rund 13 Prozent mehr Menschen leben, die über 75 Jahre alt sind. Das bedeutet etwa, dass man bis dahin, bei Beibehaltung der derzeitigen Versorgungslage, rund 600 Seniorenwohnheimplätze schaffen und grundsätzlich im Pflegebereich mit erheblichen Mehrkosten rechnen muss.
Sämtliche Lösungen, die Betreuung und Pflege älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger betreffen, müssen deshalb genauestens überprüft werden. Neue Lösungen müssen erarbeitet und Pflege muss neugestaltet werden.“
Ein besonderes Augenmerk, so Magdalena Amhof, sei dabei eben auf die Pflege von Angehörigen zu richten. „Diese ist nicht nur die kostengünstigste Pflegevariante, sondern auch jene, die für zu pflegende Familienmitglieder große Vorteile bietet. Zum Beispiel die Chance, in gewohnter Umgebung mit vertrauten Menschen die verbleibenden Jahre zu erleben“, erklärt die SVP-Politikerin.
Doch leider sei es für viele Menschen nicht oder nur begrenzt möglich, ihre Angehörigen zu Hause zu betreuen und zu pflegen. „Denn zumeist lassen sich Pflege und Job nicht miteinander vereinbaren. Gerade Frauen sind von dieser Mehrbelastung stark betroffen. Übernehmen sie die Pflege eines Angehörigen, können sie häufig nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr ihrem Beruf nachgehen“, schildert Magdalena Amhof die Situation.
Sie verweist auf das Burgenland, das jüngst mit seinem „Zukunftsplan Pflege“ hat aufhorchen lassen, in dem genau diesem Aspekt besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet werde.
Amhof erläutert, dass das Pilotprojekt die Anstellung von pflegenden Angehörigen im erwerbsfähigen Alter ermöglicht: „Ihnen wird neben einer Grundausbildung im Bereich der Betreuung und Pflege auch die Möglichkeit einer qualifizierten Ausbildung angeboten, damit sie nach ihrer Pflegetätigkeit in der Familie jederzeit in einen Pflegeberuf einsteigen können. Sie sind zudem sozialversicherungsrechtlich abgesichert und erhalten einen angemessenen Lohn auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung.“
Der Lohn setze sich zu einem guten Teil aus dem Pflegegeld, zu einem weiteren Teil aus der Pension der pflegebedürftigen Person sowie zu einem dritten Teil aus einem Landesbeitrag zusammen.
„Um pflegenden Angehörigen auch notwendige ‚Auszeiten‘ wie Urlaub, Krankheit usw. zu gewähren, wurden zusätzliche Kurzzeitpflegeplätze, Seniorentageszentren sowie mehrere Angebote zur Mehrstundenbetreuung geschaffen“, weiß Magdalena Amhof.
Sie kommt zum Schluss: „Das burgenländische Modell gilt als wegweisendes Anstellungsmodell für pflegende Angehörige, das einzigartig für ganz Österreich ist und auf das die Nachbarländer und Nachbarstaaten mit großem Interesse schauen.“
Das Pflegemodell im Burgenland befinde sich derzeit in der Evaluierungsphase, die Ergebnisse daraus sollen im Spätherbst vorliegen.
Mit dem Beschlussantrag (der im Landtag sicher angenommen wird, weil er von der SVP kommt) soll die Landesregierung beauftragt werden, die Entwicklung des Pflegemodells für pflegende Angehörige des Burgenlandes weiter zu verfolgen. Und: Es soll die Umsetzbarkeit des Modells in Südtirol durch die Aufnahme der Pflegenden in den Landesdienst geprüft werden – gegebenenfalls auch in angepasster Form.
Soziallandesrätin Waltraud Deeg kann dem burgenländischen Modell viel abgewinnen und ist im Austausch mit ihrem Berufskollegen im Burgenland. Sie nennt drei besonders positive Aspekte: „Erstens ist es im Sinne der Prävention der Altersarmut, wenn pflegende Angehörige angestellt und rentenmäßig abgesichert werden. Denn es betrifft vor allem Frauen. Zweitens ist die Kombination mit einem Entlastungsangebot im Sinne eines Urlaubs von der Pflege ein ganz wichtiges Thema. Drittens ist es sehr wertvoll, dass den Menschen eine Ausbildung angeboten wird und sie den Beruf mit der ganzen Erfahrung aus der Pflege zu Hause später auch außerhalb der Familie ausüben können.“
Jetzt warte man die Ergebnisse der Evaluierungsphase im Burgenland ab und werde dann die Möglichkeiten genau überprüfen. „Wir müssen schauen, was ökonomisch und auch rechtlich umsetzbar ist, denn wir sind in einem staatlichen System und müssen uns im Rahmen unserer Kompetenzen bewegen“, erklärt Deeg.
Es gelte jedenfalls, für Südtirol angepasste Modelle zu finden, „sodass man der Realität und den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden kann“, so die Landesrätin. Es gebe mehrere Möglichkeiten.
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Kommentare (3)
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gorgo
Gute Idee. Was ich allerdings nicht verstehe ist, dass die 1:1 Pflege soviel kostengünstiger sein kann, als wenn in einem Altersheim mehrere zusammen untergebracht sind.
hallihallo
ein teil ist sicher, daß der angehörige ein gehalt bekommt, während im altersheim für die 24h drei turnusse notwendig sind. außerdem braucht es keinen bau, da man in der eingentumswohnung bzw.haus wohnt.
gorgo
Vermutlich. Und natürlich die anderen Kosten wie Wäsche, Essen, Fahrten zum Arzt usw. Trotzdem sind Altersheime immens teuer, man hat Glück wenn Pension und Pflegegeld ausreichen und nicht zuzahlen muss.
Aber die Idee ist wirklich nicht schlecht, auch wenn es ohne gutes Netzwerk eben nicht geht, unterstützende Hauspflege, Kurzzeitpflege und die Garantie auf einen Heimplatz, wenn zB. sich der Zustand akut verschlechtert. Weil meine Befürchtung ist groß, dass da viele Frauen in die Pflegefalle tappen. Auf jeden Fall muss man sich rechtzeitig Gedanken machen, auch was evtl. diese Ausbildung als Pflegehelfer betrifft. zZ. ist sie nur möglich, wenn man bereits eine eine Stelle hat und wird blockweise absolviert. Ist gar nicht so leicht in diesen Bereich reinzukommen trotz Bedarf.