Der Parteien-Check
Am Sonntag stimmen die Italiener in einem Referendum über die Justizreform ab. Wie sich Team K, Freiheitliche und Co. positionieren.
Giuliano Vettorato (Lega): Fünf Mal Ja
Der automatische Amtsverlust für verurteilte Bürgermeister und Lokalverwalter hat zu Machtlücken und zur Suspendierung unschuldiger Menschen geführt. Das Referendum hebt den Automatismus auf und lässt die Richter entscheiden, ob das Amtsverbot verhängt wird oder nicht. Jedes Jahr werden Tausende von unschuldigen Menschen ihrer Freiheit beraubt, bevor ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Indem wir die Möglichkeit einer Untersuchungshaft wegen „Wiederholungsgefahr“ ausschließen, stellen wir sicher, dass nur diejenigen, die schwerer Straftaten beschuldigt werden, ins Gefängnis kommen. Es gibt Richter, die jahrelang als Staatsanwälte Anklagen erheben und dann plötzlich Richter werden. Mit einem Ja sorgen wir für eine Trennung der Laufbahnen, um jedem Bürger einen wirklich unparteiischen Richter zu garantieren. Der Richter muss sich zu Beginn seiner Laufbahn für die Richter- oder Anklagefunktion entscheiden und diese Funktion dann sein ganzes Berufsleben lang beibehalten. Genug der „Drehtüren“, genug der Interessenkonflikte, die oft zur Verfolgung unschuldiger Bürger geführt haben!
Philipp Achammer (SVP): 5 Mal Nein
Wir sind gegen die Abschaffung des Severino-Gesetzes, das es rechtskräftig verurteilten Personen verbietet, für politische Ämter kandidieren oder in Parlamente sitzen zu können. Wir sind der Meinung, dass ein derartiges allgemeines Verbot aufrecht bleiben soll. Was die Abänderung der Regelung betreffend die Untersuchungshaft betrifft, sind wir der Meinung, dass die Gesetzgebung zur Vermeidung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von hassbedingten Straftaten in Italien noch sehr wenig ausgeprägt ist. Vor diesem Hintergrund würde die Aufweichung der Untersuchungshaft eine vollkommen falsche Richtung darstellen, um den Opfern derartiger Straftaten den notwendigen Schutz zu bieten. Was das Nein zu den drei restlichen Fragestellungen betrifft, so muss unterstrichen werden, dass die genannten Teilbereiche sowieso schon Gegenstand einer weitreichenden Justizreform – der sog. Cartabia-Reform – sind. Ein Umstand, der eine entsprechende Aufhebung mittels Volksentscheids obsolet machen würde. Andreas Leiter Reber (Freiheitliche): 5 Mal Ja Seit Jahrzehnten krankt Italien an seiner schwerfälligen Verwaltung und seiner langsamen Justiz. Im Gegenzug für das 200 Milliarden Euro hohe Hilfspaket wurde das Kabinett Draghi nun von der EU gezwungen endlich die entsprechenden Reformen auf den Weg zu bringen. Ich begrüße alle Maßnahmen, welche zu schnelleren und verbesserten Verfahren und mehr Rechtssicherheit für uns Bürger und die Wirtschaft führen. Auch bei den fünf Punkten des anstehenden Referendums empfehlen wir Freiheitliche fünf Mal mit Ja zu stimmen. Auch wenn wir eine Anpassung und Verbesserung des sogenannten Severino-Dekrets befürworten, sind wir gegen seine völlige Abschaffung. Politiker die rechtskräftig wegen Mafia, Terrorismus, Korruption und anderen schweren Verbrechen verurteilt wurden sollen, nicht im Amt bleiben oder kandidieren dürfen.
Paul Köllensperger (Team K): Keine Empfehlung
Das Team K gibt den Wählern inhaltliche Informationen, um zu helfen, die fünf Fragen überhaupt zu verstehen. Der Wähler soll dann selbst entscheiden. Als liberale Bewegung teilen wir durchaus einige der Anliegen, aber es stellt sich die prinzipielle Frage, ob das abschaffende Referendum ein geeignetes Instrument für eine technische Teilreferom der Justiz ist. Euthanasie und Cannabis-Legalisierung – das sind Fragen, zu denen man Volksabstimmungen halten kann und soll! Vor allem aber frage ich mich, was es für einen Sinn ergibt, wenn das Referendum zeitgleich stattfindet mit den Cartabia-Justiz-Reformen der Regierung in Rom – der die Lega als Promotor der Volksabstimmungen ja auch angehört, und die in Teilen andere Ziele verfolgt als das Referendum. Da niemand – nicht einmal die Lega – diese Abstimmung aber beworben hat, geht es mit dem Quorum höchstwahrscheinlich eh in die Hosen, mit dem Risiko, dass das so wichtige Instrument der Volksabstimmung an sich Schaden nimmt.
Diego Nicolini (Movimento 5 Stelle): 5 Mal Nein
Wir sagen Nein, weil Ethik, Transparenz und Legalität keine verhandelbaren Werte sind. Das Severino-Gesetz zielt auf ein „sauberes Parlament“ ab. Wir können nicht zulassen, dass verurteilte Täter in den Institutionen sitzen und die Bürger vertreten können. Wir sagen Nein, weil wir nicht zulassen können, dass Schwerstverbrecher, die auf frischer Tat ertappt wurden, auf freiem Fuß bleiben können. Es geht hier um die Sicherheit für die Bürger. Wir finden es absurd, dass die Kriterien für die Untersuchungshaft gelockert werden, weil damit ein Instrument der Justiz zur Bekämpfung vieler Verbrechen geschwächt würde. Es erstaunt uns, dass die Lega-Wähler – vorausgesetzt, dass sie die Tragweite ihrer Entscheidung überreißen – die Untersuchungshaft für so viele schwere Straftaten abschaffen wollen. Wir sagen Nein, weil ansonsten die Autonomie und Unabhängigkeit der Justiz untergraben werden. Wir wollen keine Staatsanwälte, die von der Regierung beeinflusst werden können, sondern wollen Richter, die sich nur an das Gesetz halten. Wir sagen Nein, weil wir Interessenkonflikte verhindern wollen. Die Richter müssen in der Lage sein, Urteile zu fällen, ohne Gefahr zu laufen, von Anwälten mit Repressalien belegt zu werden.
Josef Unterholzner (Enzian): Fünf Mal Ja
Es ist eine demokratiepolitische Gelegenheit, mit der das Volk seinen Willen zur Veränderung des Rechts zum Ausdruck bringen kann. Dies ist das eigentliche große Ziel des Referendums. Achtung: der Verzicht auf die Abstimmung aus Desinteresse oder Demotivation, aus Wut oder Bosheit wird dahin münden, dass das erforderliche Quorum von 50 +1 Wählern nicht erreicht wird. Damit hätten die Regierenden wieder einmal gewonnen. Personen, die wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden, sind bereits im Vorfeld von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Das Severino-Gesetz erweitert den Ausschluss auf verurteilte Personen, die nicht ausgeschlossen wurden oder die ihre Strafe bereits verbüßt haben und daher normalerweise für ein Amt kandidieren könnten. In unserem heutigen Rechtssystem wird jemand, der ein Verbrechen begeht, ins Gefängnis gesteckt oder unter Hausarrest gestellt, bis er vor Gericht steht. Die Untersuchungshaft ist eine Form der Folter in unserem Justizsystem. Richter haben da die Möglichkeit ihre Macht zu missbrauchen. Ein Mensch ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist, während er in unserem Rechtssystem bis zum Beweis des Gegenteils als schuldig gilt, was so weit geht, dass ein Mensch und sein Privatleben zerstört werden, bis man seine Unschuld zu erkennt.
Umfrage: Matthias Kofler
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