„Der endgültige Beweis“
Nach der Auffindung des zweiten Schuhs von Günther Messner: Was der Fund für seinen Bruder Reinhold bedeutet.
von Markus Rufin
Der Nanga Parbat ist Reinhold Messners Schicksalsberg. Im Jahr 1970 unternahm die Bergsteigerlegende dort seine erste Himalaya-Expedition, bei der auch sein Bruder Günther tragischerweise verunglückte (siehe Info-Kasten).
52 Jahre nach diesem Unglück und 17 Jahre nach dem Auffinden der ersten sterblichen Überreste wurde nun der zweite Schuh von Günther Messner gefunden. Die Bergsteigerlegende gab den Fund selbst in den sozialen Netzwerken bekannt. Dementsprechend sei der Schuh bereits vergangene Woche am Fuße des Daimir-Gletschrs von Einheimischen gefunden worden: „Die Nanga-Parbat-Tragödie bleibt genau wie Günther für immer in Erinnerung“, schreibt Messner in den sozialen Medien.
Es war der gebürtige Villnösser selbst, der feststellte, dass es sich um Günthers Schuh handelte: „Ich habe am 1. Juni die Nachricht und das Foto des Schuhs bekommen“, erklärt Messner der TAGESZEITUNG. „Ich habe den Schuh sofort erkannt, da diese Schuhe nur bei der Expedition 1970 eingesetzt wurden, sie wurden eigens dafür von einer deutschen Firma produziert.“
Aktuell befindet sich der Schuh im Basislager des Nanga Parbat, ein Vertrauter Messners verwahre in derzeit, bringe ihn dann aber entweder nach Deutschland oder nach Südtirol.
Der Schuh sei genau dort gefunden worden, wo er ihn vermutet habe. Der Schuh sei vom Gletscher weiter talwärts getragen. Das ist ganz natürlich, denn ein Gletscher bewegt sich langsam talwärts. Wo es genügend Wärme gibt, wird das Eis auf der Stirnseite weggeschmolzen. Daher kam nun der Schuh zum Vorschein.
Emotional gesehen könne man den Fund des zweiten Schuhs nicht mit dem ersten Leichenfund von 2005 vergleichen, meint Messner: „Beim ersten Fund war ich vor Ort. Damals habe ich sofort verstanden, dass es mein Bruder sein muss. Der Fund des zweiten Schuhs ist für mich nun nur noch eine Bestätigung.“
Vor allem aber sieht Messner im Fund des zweiten Schuhs die endgültige Widerlegung aller Verschwörungstheorien rund um den Tod seines Bruders. Denn auch nachdem 2005 erste Leichenteile am Daimir-Gletscher gefunden wurden, gab es nach wie vor Kritiker, die glaubten, Mesner lüge, der zweite Schuh müsse schließlich auch in der Nähe liegen. „Nun sieht man aber, dass alles ganz logisch nach der Natur des Berges abgelaufen ist“, sagt der Extrembergsteiger. „Nur wenn mein Bruder an der Daimir-Seite ins Eis kam, kann er da auch auftauchen. Damit sind alle Kolportagen darüber, dass ich meinen Bruder auf die Gegenseite runtergeschickt habe, widerlegt.“
Über 50 Jahre lang seien diese Verschwörungstheorien verbreitet worden – laut Messner auch in den Südtiroler Medien: „Viele haben gesagt, ich hätte meinen Bruder dem Ehrgeiz geopfert. Das habe ich nicht vergessen.“
Er glaubt allerdings nicht, dass die Kritiker nun verstummen werden: „Ich selbst habe bereits 2005 mit der Tragödie abgeschlossen, die anderen werden aber nach wie vor nicht zugeben, dass sie das alles nur erfunden haben.“
Für die Familie seien diese Kolportagen nur schwer erträglich gewesen. Die Anschuldigungen seien auch seinen Eltern gegenüber nie zurückgenommen worden. Das bezeichnet Messner als Verbrechen. „Es wäre zwar interessant zu erfahren, warum diese Verschwörungstheorien entstanden sind, das werden wir aber wohl nie. Fakt ist, dass jeder einzelne Punkt widerlegt wurde“, sagt Messner.
Was nun mit dem zweiten gefunden Schuh geschieht, weiß der Extrembergseteiger noch nicht. Darüber werde er noch mit den restlichen Familienmitgliedern sprechen. In dieselbe Vitrine wie den ersten Schuh, der in einer Kapelle des MMM in Firmian untergebracht ist, werde er ihn nicht unterbringen. Denkbar sei hingegen, dass er den Schuh in der Felsenmuseumsstätte am Helm unterbringt.
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Kommentare (7)
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leser
Ich bin der auffassung, dass das land nochmal 30 millionen locker macht und dem unternehmer messner ein weiteres museum spendiert
semperoper
Ich muss mich wiederholen: was sollen die Funde beweisen? Dass die beiden auf der Diamirflanke abgestiegen sind? Das stand ja nie in Frage, und an eine Behauptung, dass Reinhold Günther auf der Aufstiegsroute zu den anderen zurückgeschickt hätte, kann ich mich auch nicht erinnern. Die große Frage ist und bleibt: hatte Reinhold die Überschreitung geplant und sie dann trotz des schlechten physischen Zustandes von Günther durchgezogen? Diese Frage beantworten die Funde nicht, sie lenken eher ab. Die Antwort weiß nur Reinhold allein (auch nicht seine damaligen Bergkameraden). Und darum gilt ganz einfach die Unschuldsvermutung.
treter
@semperoper
Bin ganz deiner Meinung! Was ich aber nicht nachvollziehen kann: wieso hat Reinhold seinen stark angeschlagenen Bruder Günther im Schlussabstieg der Diamirflanke einen anderen Weg gehen lassen wo er dann von einer Eislawine begraben wurde?
semperoper
So weit ich mich erinnern kann, ist er immer wieder vorausgegangen, um die Route auszukundschaften. Das wäre schon schlüssig und auch verantwortungsvoll. Und vielleicht gab es dann auch Situation/en, wo ein Rückstieg zu Günther nicht notwendig erschien, da vielleicht eine benachbarte Route sicher zu sein schien und sie dann wenig später unterhalb dann wieder zusammentreffen würden. So wie es uns hier in den Bergen ja auch oft geht, wenn man auf einer unbekannten Route absteigt. Aber das sind alles Spekulationen…
dn
Wer in dieser Höhe unterwegs ist, reskiert auch heute noch Kopf und Kragen. Eislawinen lassen sich nicht planen, genausowenig wie Seracs. Schlimm genug, seinen Bruder bei einer gemeinsamen Strapaz zu verlieren, in der Haut möcht ich nicht leben. Auch wenns die Bergsteiger nicht gerne hören, der Tod begleititet die Bergtour. Ich bin froh, dass ich das nicht mehr brauch um mich lebendig zu fühlen. Kammerlander hatte nicht Unrecht, wenn er von Bergsucht gesprochen hat.