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„Wird keinen Erfolg haben“

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Das Gesundheitsministerium hat die Provinzen dazu aufgefordert, die Corona-Impfkampagnen zu intensivieren. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb zeigt sich aber skeptisch.

von Markus Rufin

Keine Corona-positiven Intensivpatienten mehr in den Spitälern, kaum mehr Positive auf den Normalstationen und die niedrigste Sieben-Tage-Inzidenz seit letztem Herbst – angesichts dieser Zahlen ist es nur verständlich, dass immer mehr Menschen in Südtirol davon ausgehen, dass die Pandemie nun ein für alle Mal beendet ist. Ob das aber tatsächlich so ist, wird sich wohl erst im Herbst zeigen, wenn die Zahlen voraussichtlich wieder steigen.

Das italienische Gesundheitsministerium blickt jedenfalls mit etwas Unruhe Richtung Herbst (obwohl der Sommer noch nicht richtig begonnen hat). Weil beobachtet wird, dass sich die Menschen bereits vor der Abschaffung der Maßnahmen kaum mehr darangehalten haben, ist die Sorge vor einer erneuten Welle im Herbst groß.

Vor allem aber ist das nahezu nicht mehr vorhandene Impfinteresse Grund für die Verunsicherung im Gesundheitsministerium. 20 Prozent der Italiener seien unzureichend geimpft – damit sind auch die wenigen Viertimpfungen gemeint. Die Provinzen und Regionen sowie die lokalen Sanitätsbehörden wurden nun in einem Rundschreiben dazu aufgefordert, das zu ändern. In erster Linie sollen die Impfkampagnen wieder intensiviert werden.

Wenn bereits für ganz Italien gilt, dass die Impfzahlen aufgebessert werden müssen, gilt das für Südtirol erst recht. Die Provinz befindet sich im nationalen Vergleich nach wie vor an letzter Stelle. Nur 75,4 Prozent der Gesamtbevölkerung sind erstgeimpft und mit 57,7 Prozent sind nur etwas über die Hälfte zum dritten Mal geimpft. In Italien sind es 84,2 Prozent bei den Erstdosen beziehungsweise 66,6 Prozent bei den Drittdosen.

Einzig bei den Viertdosen befindet sich Südtirol aktuell im Mittelfeld: 0,74 Prozent der Bevölkerung haben den vierten Stich erhalten, wobei diesen bislang nur Risikopatienten und Personen, die über 80 Jahre alt sind, bekommen konnten.

Wenn Italien also seine Impfquote als zu niedrig einschätzt, dann ist es diese von Südtirol erst recht. Dementsprechend muss sich auch der Südtiroler Sanitätsbetrieb vom Rundschreiben des Gesundheitsministeriums betroffen fühlen.

Potenzial, die Impfkampagne wieder anzukurbeln, wäre jedenfalls vorhanden. Generaldirektor Florian Zerzer betont aber: „Ich glaube nicht, dass es auch nur eine Region in Italien gegeben hat, die ähnlich viel Werbung wie wir gemacht haben. Wir hatten zahlreiche Aktionen und haben unter anderem die Therme Meran und den FC Südtirol in unsere Kampagne eingebunden.“ Hinzu komme die Sensibilisierungskampagne.

Selbst jetzt bemühe sich der Sanitätsbetrieb noch um eine umfassende Aufklärung. So wurde gerade erst gestern eine Pressemitteilung zur vierten Impfung verschickt.

Doch eine Kampagne wie im vergangenen Jahr gibt es schon lange nicht mehr. Das ist aber auch begründet. Zerzer macht keinen Hehl daraus, dass er eine Kampagne in dieser Phase für wenig nützlich hält: „Jetzt, wo die Zahlen sinken, keine Intensivpatienten mit Corona behandelt werden müssen und die Leute prinzipiell das Gefühl haben, dass die Pandemie vorbei ist, wird man mit einer Kampagne wohl nicht ganz so viel Erfolg haben. Ich habe jedenfalls meine Zweifel.“

Nichtsdestotrotz mache man sich im Sanitätsbetrieb laufend Gedanken darüber, wie man die Impfung weiter bewerben könne. „Letztendlich hängt der Erfolg einer solchen Kampagne aber immer mit der Entwicklung der aktuellen Lage zusammen“, zeigt sich Zerzer überzeugt.

Daher habe man aktuell und für die kommenden Wochen auch keine Kampagne geplant, das sei aber in den anderen Regionen genauso wenig der Fall. Man müsse sich in Erinnerung rufen, dass eine Werbekampagne mit großen Ausgaben verbunden ist.

Dass versucht werden muss, die Impfbeteiligung und vor allem die Beteiligung bei den Viertimpfungen zu steigern, ist auch dem Generaldirektor klar. Er kündigt deshalb an, spätestens im Herbst wieder Werbung für die Impfung machen zu wollen: „Im Herbst wird sich viel ändern. Eventuell ist die Viertimpfung für noch mehr Personen möglich, außerdem könnte es einen neuen Impfstoff geben, der noch besser gegen die Varianten schützt.“

Außerdem wird im Herbst traditionell eine Grippe-Impfkampagne gestartet. Dies wäre der perfekte Zeitpunkt auch die Corona-Impfung zu bewerben.

Dieser Ansicht ist auch Impfkoordinator Patrick Franzoni. Vor allem habe man aus medizinischer Sicht gesehen derzeit keinen Zeitdruck. Man muss also nicht schnell handeln: „Solange sich nichts verändert und keine neue Variante sich durchsetzt, können wir bis zum Herbst beruhigt sein. Wir wissen nämlich, dass der jetzige Impfstoff auf jeden Fall vor schweren Verläufen schützt.“

Ein neuer, an der Omikron-Variante angepasster Impfstoff befinde sich derzeit in der dritten Phase der Zulassung. Das heißt, dieser könnte tatsächlich bereits im Herbst auf den Markt kommen.

Zerzers Hoffnung ist, dass dieser dann in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Denn er würde am liebsten erneut ein Impfwochenende organisieren: „Wir verfügen ja über die Logistik, die Organisation und das nötige Know-How und könnten sofort ein Impfwochenende organisieren. Das ist meiner Meinung nach der beste Ansatz. Dafür brauchen wir aber genügend Dosen – vor allem wenn es sich um einen neuen Impfstoff handelt.“

Etwas anders sehen es sowohl Zerzer als auch Franzoni, wenn es um die Viertimpfung für ältere Personen geht. Seit rund einem Monat wird auch in Südtirol die zweite Auffrischungsimpfung, auch vierte Impfung oder zweiter Booster genannt, für Menschen über 80 und für über 60-Jährige mit fragilem Gesundheitszustand angeboten.

Patrick Franzoni, Impfkoordinator des Sanitätsbetriebes, sieht es tagtäglich mit eigenen Augen, dass diese Viertimpfung wichtig für den Schutz vor dem Virus ist: „Wir impfen in den Seniorenheimen und sehen dadurch, dass dort, wo eine gute Durchimpfung herrscht, deutlich weniger Corona-Infektionen auftreten – und wenn, dann mit viel geringeren Symptomen. Es ist mir daher ein Herzensanliegen, besonders Menschen über 80 und Personen ab 60 mit Risikoerkrankungen zu sensibilisieren, sich auch ein viertes Mal impfen zu lassen, da die erste Auffrischungsimpfung meist schon länger her ist. Bitte schützen Sie sich, um gesund über den Sommer zu kommen, diese zweite Auffrischungsimpfung ist besonders für ältere Menschen absolut notwendig.“

Die Primarin der Abteilung für Infektionskrankheiten am Krankenhaus Bozen, Elke Maria Erne, sieht die ungeimpften oder vor längerer Zeit geimpften Patientinnen und Patienten dann meist als behandelnde Ärztin vor sich: „Leider sehe ich immer wieder ältere Menschen mit schweren Verläufen. Manchmal sind diese direkt durch die Corona-Infektion bedingt, manchmal aber auch einfach, weil die Person bereits einen angegriffenen Gesundheitszustand hat und Corona hier der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt: Der ohnehin abwehrschwache Körper schafft es nicht mehr, auch noch mit dieser Infektion fertig zu werden. Es stimmt mich dann jedes Mal nachdenklich, wenn ich überlege, dass dieser Mensch vielleicht hätte überleben können, hätte er sich durch eine rechtzeitige Impfauffrischung zumindest vor dieser Infektion geschützt.“

Bis zum Stichtag 15. Mai 2022 wurden in Südtirol 3.774 vierte Dosen verimpft, dazu  kommen noch geschätzte 1.000 Personen, die durch eine Erkrankung und drei Dosen ebenfalls denselben Status haben.

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