Wie ist Evi gestorben?
Jetzt spricht erstmals der ATV-Reporter Benedikt Morak, dem der spektakuläre Durchbruch im Fall Evi Rauter gelungen ist. Warum er nicht an einen Suizid glaubt. Und: Welchen Spuren er noch nachgehen will.
von Artur Oberhofer
Benedikt Morak zögerte lange, ob er den Fall der unbekannten Toten aus Spanien überhaupt bearbeiten soll.
Der Grund: Es gab zunächst keinen direkten Österreich-Bezug. Doch dann kam es zu einer Verkettung von Zufällen, die Morak im Nachhinein „Schicksalsglück“ nennt.
Der Journalist arbeitet eng mit der Plattform „Österreich findet euch“ zusammen, die nach vermissten Personen aus der Alpenrepublik sucht. Durch Zufall stieß Morak zunächst auf den mysteriösen Fall eines unbekannten Mädchens, das am 4. September 1990 in Portbou in Spanien erhängt aufgefunden wurde.
Wiederum durch Zufall sah eine in Dornbirn urlaubende Südtirolerin am 23. April dieses Jahres die ATV-Sendung „Ungelöst – Cold Case Austria“. Die Frau sah die Autopsiebilder – und war sicher: das ist Evi Rauter!
Und tatsächlich: Es gelang der gleich unerwartete wie unfassbare Durchbruch.
Bei der bis dahin unbekannten Toten von Portbou handelt es sich – wie man jetzt weiß –mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die seit 32 Jahren vermisste Evi Rauter aus Lana.
Die damals 19-jährige Evi Rauter hatte im September 1990 ihre Schwester Christine, die in Florenz studierte, besucht. Am Morgen des 3. September 1990 verließ Evi Rauter die Wohnung. Auf einem Zettel hatte sie geschrieben, sie wolle nach Siena fahren und sei bis zum Abend wieder zurück.
Seither war Evi Rauter wie vom Erdboden verschluckt.
Die TAGESZEITUNG hat bei Benedikt Morak nachgefragt, wie er auf diesen Cold Case gekommen ist – und wie er ihn „aufgeklärt“ hat.
TAGESZEITUNG Online: Herr Morak, wie sind Sie eigentlich auf den Fall der unbekannten Toten von Portbou gekommen?
Benedikt Morak: Ich arbeite intensiv mit „Österreich findet euch“ zusammen, diese Community sucht vermisste Personen aus Österreich. Der einzige österreichische Zugang zu diesem Fall in Spanien waren die sechs Österreicher, die in jener Nacht unweit der Stelle, wo die Leiche aufgefunden wurde, gecampt haben …
Sie sind also davon ausgegangen, dass es sich bei der unbekannten Toten um eine österreichische Staatsbürgerin handeln könnte?
Richtig. Gleichwohl ist uns der Fall von Beginn an sehr rätselhaft vorgekommen. Im Fall der Toten hat vieles nicht zusammengepasst. Die Leiche hat an einem Baum gehangen, und zwar in einem steilen Gelände. Die Tote hatte keine Abschürfungen, die Füße waren ganz sauber, das Seil war sehr, sehr kurz. Kurzum: Die Gerichtsmediziner haben uns gesagt, ein Suizid sei sehr unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich. Die Gerichtsmediziner sagen, die Leiche sei wohl in den Baum hineingehängt worden.
Sie haben – in Zusammenarbeit mit den spanischen Kollegen von Crims – auch die Österreicher kontaktiert, die in jener Nacht in der Nähe der Fundstelle campiert haben?
Ja, wir haben mit einem Herrn aus dieser Gruppe gesprochen, die damals dort war. Diese Leute waren Studenten, sie waren auf Urlaub. Dass sie dort waren, war Zufall, sagen sie.
Sie zweifeln daran?
Ich traue mir da kein Urteil zu. Der Herr sagt, sie seien damals um 03.00 Uhr in der Früh in Portbou angekommen und in der Früh von der Polizei geweckt worden.
Sie haben nichts mitbekommen?
Ja, sie sagen, sie wüssten nichts.
Die Jugendlichen aus Österreich wurden damals auch von der spanischen Polizei angehört, allerdings soll es da Verständigungsprobleme gegeben haben …
Das ist richtig, man müsste beispielsweise wissen, woher die Österreicher gekommen sind. Wenn sie aus Italien angereist sind, dann würde dies eine neue Sachlage ergeben. Aber, wie gesagt, bitte jetzt keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Sie werden weiterrecherchieren?
Ja, wir werden in diesem Fall weiterrecherchieren. Wir sind auch demnächst in Südtirol.
Die zentrale Frage ist: Wie ist Evi Rauter von Florenz bzw. Siena nach Portbou gelangt, wo sie am darauffolgenden Morgen tot aufgefunden wurde?
Zeitlich geht sich das aus. Mit der Bahn ist man in zwölf Stunden von Florenz oder Siena in Portbou. Aber Sie haben recht: Wie sie dorthin gekommen ist, ist die große Frage, die wir uns alle stellen.
Aus dem Vermisstenfall Evi Rauter ist jetzt ein mysteriöser Kriminalfall geworden?
Ja, bestimmt. Die erste große Frage war für uns: Wer ist dieses Mädchen? Das gibt’s ja nicht, dass niemand nach ihr sucht! Wir wollten also herausfinden, wer das junge Mädchen ist. Das ist uns gelungen, und das war – ehrlich gesagt – auch toll für mich.
Wie kam es konkret zum spektakulären Durchbruch?
Das war ein Zufall. Ich nenne es Schicksalsglück. Wir haben auf ATV am 23. April dieses Jahres den Fall des erhängten Mädchens ausgestrahlt. Eine Frau aus Südtirol machte zufällig in jenen Tagen in Dornbirn Urlaub bei einer Freundin. Sie sah zufällig die Sendung und Fotos der Leiche, die wir veröffentlichten, und erkannte Evi Rauter. Sie selbst wollte uns anfangs gar nicht kontaktieren, ihre Tochter hat sie dann aber dazu überredet, uns zu schreiben.
Wann war Ihnen klar, dass das die richtige Spur war?
Eigentlich recht bald. Ich habe dann selbst gegoogelt und es stellte sich heraus, dass die Kleidung der Toten – ein türkises T-Shirt, eine Latzhose, die Schuhe und die Casio-Uhr – mit den Angaben in der Vermisstenmeldung von Evi Rauter perfekt übereinstimmten. Wir sind dann sehr behutsam vorgegangen. Ich habe die Schwester von Evi Rauter kontaktiert. Und dann stand relativ bald fest, dass es sich bei der Toten von Portbou um Evi handeln würde.
Der Vater von Evi Rauter, Hermann, sagt, er sei erleichtert, dass jetzt in Bezug auf das Schicksal seiner Tochter endlich Gewissheit herrsche …
Man ist sich als Reporter nie so sicher, wie die Familien reagieren. Der Anfangsschock ist für viele Mütter und Väter schlimm. Aber noch schlimmer – das ist meine Erfahrung aus zahlreichen Fällen – ist die Ungewissheit, also wenn man nicht weiß, was mit dem eigenen Kind passiert ist. Ich kann die Reaktion von Herrn Rauter verstehen und ich hoffe, dass es für die Familie ein Abschluss sein kann und dass sie ihre Tochter in irgendeiner Form begraben können.
Ist Evi Rauter ermordet worden?
Ich bin kein Polizeiermittler. Ich kann aber sagen, dass es viele Ungereimtheiten gibt. Ich weiß auch nicht, was in Evi Rauters Leben passiert ist …
Sie denken nicht an Suizid?
Ich frage mich, warum jemand nach Spanien fahren sollte, um sich das Leben zu nehmen. Wie gesagt: Es gibt so viele Ungereimtheiten – das sagen auch die Gerichtsmediziner –, dass es mir schwerfällt, nicht an ein Gewaltverbrechen zu glauben. Aber wie gesagt: Wir werden weiterrecherchieren, wir wollen herausfinden, was mit Evi Rauter passiert ist.
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Kommentare (4)
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criticus
Werte JournalistInnen der Tageszeitung, wem dient es, dass Evis Leiche immer wieder hergezeigt wird??
zeit
Die Fotos im Netz könnten ja für den nächsten Zufall hilfreich sein.
criticus
@zeit
Aufnahmen von lebenden Personen dienen sicherlich für sachdienliche Hinweise! Mittlerweile weiß man ja wer die tote Person ist.
zeit
Jedenfalls ist für die Eltern,Geschwister ein abschliessen mit ihrer geliebten Tochter
möglich,das sicher nicht leicht fällt.