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Premiere: „Die Stadt der Blinden“

Stadt der Blinden: Eine düstere, eine packende, aber vor allem eine berührende Inszenierung! (Foto: Adam Kammerer)

Das Kleine Theater Bruneck feiert am vergangenen Freitag vor vollem Haus Premiere seiner Jahresproduktion “Die Stadt der Blinden“.

Es wäre vermessen und bagatellisierend, von guter Unterhaltung zu sprechen. Dafür ist das, was in der Aula der Grundschule Josef Bachlechner in Bruneck gezeigt wurde, viel zu überwältigend. Den Zuschauer*innen stockte der Atem, das Hinsehen war Verpflichtung voller Faszination und Abscheu zugleich. Schonungslos aktuell führten die Schauspieler*innen dem Publikum den Menschlichkeitsverfall einer Pandemie-Gesellschaft vor Augen.

Welche Seuche auf der Bühne ihr Unwesen treibt? Wie es der Titel schon sagt, ist es die Blindheit, die einen nach dem anderen befällt; in einer Geschwindigkeit, die keine Zeit zur Flucht lässt. Die Erkrankten werden restriktiv weggesperrt und vom Militär überwacht. Die Zelle, in denen die Blinden gefangen sind, wird zu einem Albtraum aus Angst, Hunger und Belästigung. Es kommt noch grausamer: Auch Tod und Vergewaltigung werden – zwar das Publikum möglichst schonend, aber dennoch immens beklemmend – nicht ausgespart.

Wäre der dem Stück zugrunde liegende Text erst in den letzten beiden Jahren entstanden, wäre die Handlung plakativ. Wissend, dass der Roman von José Saramago bereits 1995 veröffentlicht wurde, ist das Dargestellte zwar erschreckend, aber noch faszinierender ist, wie minutiös Saramago menschliches Handeln in Extremsituationen seziert.

„Die Stadt der Blinden“ ist ein beklemmendes Stück, vielleicht sogar ein grenzwertig übergriffiges – wäre da nicht dieser Schluss. Ein Schluss, der doch Anlass zur Hoffnung gibt, ohne ein banales Happy End zu sein. Er lässt den Zuschauer erleichtert, aber dennoch nachdenklich zurück – wohl der Königsanspruch beim Theatermachen.

Die Macher*innen hinter sowie auf der Bühne verstehen jedenfalls ihr Handwerk. So imitiert das Bühnenbild – bis an die Decke reichende surrealistische Steilwände, welche die Blinden zu erdrücken scheinen – die thematische Beklemmung. Eindringliche Chorpassagen hallen von den Wänden wider. Die nostalgische Melodie von „Maikäfer flieg!“ führt leitmotivisch durch die Handlung.

Die Blinden (Mareike Rottensteiner, Hanna Krautgasser, Kerstin Winkler, Katja Renzler, Romy Gatterer, Giulio Viale, Philipp Bologna, Klaus Kaneider, Markus Schwärzer, Norbert Pedevilla und Felix Hitthaler) überzeugen kollektiv mit dem wohl mehr als schwierigen Mimen des Nichtsehens. Patrizia Hainz brilliert in der Hauptrolle der Sehenden Frau, welche all das Unerträgliche mitansehen muss. Enorm dynamisch erweisen sich die drei Jungspunde im Team. Martin Unterhuber, Tudor Andrei Bors sowie Paavo Peter Aichner lassen als grausame Soldaten dem Publikum das Blut in den Adern gefrieren.

Es ist ein ständiger Spagat zwischen zumutbaren und unerträglichen Bildern, die auf der Bühne angedeutet im Kopf des Publikums zu eskalieren drohen. Der Regisseur Georg Aichner schafft es bis zuletzt, die Zuschauer*innen nicht zu überfordern und dennoch die Eindringlichkeit beizubehalten. Eine erdenklich schwierige Aufgabe in Anbetracht der Thematik. Das Gruseln wird bei diesem Stück ob der radikalen Realitätsnähe mitgeliefert, das ist garantiert. Eine düstere, eine packende, aber vor allem eine berührende Inszenierung! (Alexandra Oberhauser)

Weitere Termine:

Mittwoch, 18.05.2022, 20.00 Uhr

Freitag, 20.05.2022, 20.00 Uhr

Sonntag, 22.05.2022, 18.00 Uhr

Freitag, 27.05.2022, 20.00 Uhr

Sonntag, 29.05.2022, 18.00 Uhr

 

Reservierungen unter +39 371 5848163, täglich ab 15.00 Uhr (nur telefonisch, keine SMS oder EMails

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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