Kleine und Kleinste
Im Südtiroler Landtag ging es in der abgelaufenen Woche um den Zusammenschluss von Gemeinden unter 1.000 Einwohnern.
Der Landtagsabgeordnete Peter Faistnauer hat in der vergangenen Woche im Landtag einen Antrag eingebracht, der unter anderem vorsah, über die Gemeindefinanzierung stärkere finanzielle Anreize für Gemeinden unter 1.000 Einwohner zu schaffen, damit diese sich auf Verwaltungs- und auch politischer Ebene zusammenschließen.
„Bei den immer komplexer werdenden Aufgabenbereichen in dem immer dichteren und unübersichtlichen Dschungel von Gesetzen und Vorschriften können Nachteile für kleinere und Kleinstgemeinden entstehen, die sich immer schwerer zurechtfinden”, erklärte Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol).
Faistnauer im Landtag
„Mit nur wenigen oder gar nur einem Mitarbeiter sollen sie immer mehr unterschiedlichste Dienste und Aufgaben übernehmen, immer professioneller und effizienter arbeiten. Die großen Herausforderungen und vor allem deren Vielfalt ist von kleinen Gemeinden kaum zu bewältigen. Von Vorteil kann da die Zusammenlegung von kleineren Gemeinden sein und finanzielle, strukturelle und personelle Kosteneinsparungen ermöglichen. Spannungspunkte, an denen sich Vor- und Nachteile überschneiden ergeben sich beispielsweise hinsichtlich Neutralität und Bürgernähe. Dass die individuelle Identität einer Ortschaft unabhängig von einer Zusammenlegung bestehen bleibt, ist am historisch gewachsenen Beispiel der Gemeinde Eppan gut erkennbar. Jeder Ortsteil, ob St. Pauls, Girlan oder beispielsweise Montiggl, weist damals wie heute ein aktives individuelles Gemeinschaftsleben des eigenen Ortsteils auf.”
Man müsse Vor- und Nachteile der beiden Modelle – Fusion und Zusammenarbeit – gegeneinander abzuwägen.
Der Antrag sei etwas einfach gestrickt, bemängelte Gerhard Lanz (SVP). Er sah die Notwendigkeit von viel mehr Kooperationen, wobei man die Kirchtürme stehen lassen müsse. Er sehe die Vielfalt als Mehrwerte, man müsse sich aber überlegen, wie man sich diese in Zukunft noch leisten könne und wie man vielleicht gewisse Strukturen gemeinsam nutzen könne.
Im Brixner Raum sei man seit Jahren dabei, Dienste gemeinsam zu nutzen, berichtete Paula Bacher (SVP). Die Brixner Gemeindepolizei sei z.B. auch in Natz-Schabs unterwegs. Bei einer Fusion würden sich die einzelnen Gemeinden nicht mehr so betreut fühlen. Der Druck zur Zusammenlegung würde auch viel Widerstand erzeugen. Solche Dinge müssten sich entwickeln.
Der Wunsch zur Fusion müsse von den Gemeinden selbst ausgehen, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Wenn es mit Druck von oben geschehe, werde es problematisch. Es gebe auch Kleinstgemeinden, die sehr gut funktionierten. Das Modell Steiermark sollte man sich aber einmal anschauen, von dort gebe es viele positive Rückmeldungen.
Josef Unterholzner (Enzian) gab Knoll recht. Auf jeden Fall müsse man bei solchen Entscheidungen die Gemeinden und die Bevölkerung einbinden. Der Verwaltungsaufwand für die Gemeinden nehme mit jeder Landtagssitzung zu. Vielleicht sollte man hier einmal einen Riegel vorschieben. Man sollte die Möglichkeiten prüfen, Vor- und Nachteile abwägen – in diesem Sinne stimme er dem Antrag zu.
Es sei schwer, auf das Gewohnte zu verzichten, meinte Alex Ploner (Team K). Es gebe einen Lokalpatriotismus, der die Leute dazu bringe, für ihr Dorf etwas zu tun. Die Frage sei, ob man sich die Vielzahl noch leisten könne. Deswegen sollte man sich das Modell Steiermark ansehen und eine Studie erstellen, aber für Maßnahmen sei es noch zu früh. Daher stimme man nur den beiden ersten Punkten zu.
Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) zeigte sich skeptisch gegenüber Gemeindefusionen. Bereits in Bozen sehe man die großen Unterschiede zwischen Gries, Rentsch usw. Die Bürger würden sich nicht gerne fusionieren lassen, es gehe auch um Identitäten. Der Antrag wäre eigentlich dem Regionalrat vorzulegen, denn die Gemeindefusionen seien Regionalkompetenz. Er warnte außerdem: Studienreisen des Landtags hätten jüngst zu persönlichen Gefahrensituationen geführt.
Die Zuständigkeit für die Gemeindefusionen liege in Trient, nicht in Bozen, bestätigte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche).
Auch Franz Locher (SVP) nahm das Argument auf. Das Regionalgesetz sehe bei Fusionen eine Volksbefragung in den betroffenen Gemeinden vor. Faistnauer habe recht, wenn er auf die zunehmenden Aufgaben der Gemeinden hinweise. Hier gebe es durchaus Handlungsbedarf. Die Gemeinden hätten aber in Südtirol eine historische Bedeutung. Zusammenarbeit ja, Zusammenschluss nein.
Hanspeter Staffler (Grüne) bestätigte, dass die Kleinstgemeinden immer mehr in die Krise gerieten. Die Finanzierung sei nicht das große Thema, wohl aber die Effizienz der Dienste.
Die Initiative für eine Fusion sollte immer von den Gemeinden ausgehen, es sei aber richtig, Unterstützung für fusionswillige Gemeinden zu bieten.
Jede Gemeinde habe ihre Geschichte, und das mache eine Zusammenlegung schwierig, meinte Giuliano Vettorato (Lega Salvini Alto Adige Südtirol). Besser sei eine Zusammenarbeit, z.B. beim Bauhof, beim Bauamt usw. Eine Fusion von oben werde nicht funktionieren und werde von den Bürgern nicht angenommen.
Das Thema sei nicht neu, meinte Arnold Schuler (SVP), der an die Zusammenlegungen unter dem Faschismus erinnerte, die gegen den Willen der Bevölkerung erfolgt sei.
In der Steiermark sei die Durchschnittsgröße der Gemeinden nach der Zusammenlegung gleich wie in Südtirol. Die Zusammenlegung habe dem damaligen Landeshauptmann den Kopf gekostet. Man müsse etwas tun zur Kostensenkung für die Gemeinden. Die Identifikation mit der Gemeinde sei wichtig, in Kleingemeinden würden die Bürger Gemeinschaftsaufgaben erledigten, für die größere Gemeinden zahlen müssten.
Im Trentino habe man bei den Fusionen große Schritte gemacht, bemerkte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia), der auch auf die Zuständigkeit der Region verwies. Er sei für eine Zusammenlegung der Kleingemeinden, wobei man auch auf den Erhalt der Identitäten achten müsse. Der Wille zur Fusion müsse aber von unten kommen, sie dürfe nicht durch Druck zustandekommen.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) wies darauf hin, dass das Urbanistikgesetz das Land in 34 funktionale Gebiete einteile, in welche die Gemeinden zusammengefasst seien. Die Raumordnungskommission sei dann für mehrere Gemeinden dieselbe. Für die Zusammenarbeit gebe es auch gezielte Unterstützungsmaßnahmen. Das sei der bessere, der zukunftsträchtigere Weg.
Faistnauer habe ein Thema angestoßen, das viele Bereiche betreffe, bemerkte LH Arno Kompatscher.
Im Regionalgesetz sei eine Förderung von 7 Mio. Euro im Jahr vorgesehen, um die Zusammenarbeit von Gemeinden zu unterstützen. Kleinstgemeinden hätten relativ hohe Fixkosten, z.B. für den Gemeindesekretär. Studien zeigten, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei 25-30.000 Einwohnern am besten sei, darüber führe die Komplexität zu mehr Kosten. Gemeinden lebten aber auch von ihrer Identität, das Vereinswesen hänge stark damit zusammen. Die Anreize zur Zusammenarbeit hätten gefruchtet, es gebe jetzt viel mehr Kooperationen, vor allem im Backoffice. Ein Landesgesetz, das zur Fusion zwinge, wäre verfassungswidrig. Die Gemeinderäte verursachten keine hohen Kosten, wo man optimieren könne, sei die Verwaltung.
Er habe nirgends “Zwang” geschrieben, präzisierte Peter Faistnauer. Er beantragte die Streichung von der Worte nach “Eurac” in Punkt 2 und der Punkte 3 bis 6.
Der Antrag wurde in Abstimmungen zu den einzelnen Punkten mehrheitlich abgelehnt.
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Kommentare (1)
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hallihallo
zusammenschlüsse gut und recht.
wenn man aber sieht, wie der zusammenschluss der tourimusorganisationen vonstatten gegangen ist, dann ist von zusammenschlüssen wohl abzuraten.
die idm ist ein riesenapparat mit zwei/drei aussensektionen, die neben den anderen tourismusverbänden arbeiten. also statt weniger gibt es jetzt mehr organisationen. aber die landesregierung hat nicht den mut , den fehler einzugestehen und einen schritt zurückzumachen.
der zusammenschluß der vier großen Organisationen SMG (Südtirol Marketing Gesellschaft), BLS (Business Location Südtirol), EOS (Export Organisation Südtirol) und TIS (Techno Innovation Südtirol) ist sogar wieder rückgängig gemacht worden.
wer immer meint , mit zusammenschlüssen spart man geld, liegt leider oft falsch.
wenn ich richtig informiert bin, dürfen die kleinen gemeinden 1 mitarbeiter pro 150 einwohner haben, die großen 1 mitarbeiter pro 120 einwohner.
wenn dies so stimmt, dann müßte man die großen gemeinden zerschlagen und nicht die kleinen zusammenschließen.