„Pandemie war traumatisch“

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Die Kinder- und Jugendanwältin zieht Bilanz: Insgesamt 1.600 Fälle hat Daniela Höller mit ihrem Team im vergangenen Jahr bearbeitet – die Meldungen über Gewaltsituationen haben stark zugenommen.
von Lisi Lang
Die Zahlen steigen seit Jahren an: Im vergangenen Jahr hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft insgesamt 1.613 Akten bearbeitet, 808 davon wurden im Jahr 2021 neu eröffnet. „Das entspricht einem Anstieg von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und man muss bedenken, dass wir bereits 2020 einen Anstieg von 40 Prozent im Vergleich zu 2019 verzeichnet haben“, sagt Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller, die daran erinnern möchte, dass hinter diesen Zahlen hunderte Kinder stehen, die eine Intervention benötigt haben. „Wir sprechen oft von sehr komplexen und zeitintensiven Angelegenheiten, die eine längere Bearbeitung benötigen“, so Höller.
Die Kinder- und Jugendanwältin hat am Donnerstag im Südtiroler Landtag ihren Tätigkeitsbericht vorgestellt – und dieser zeigt, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft immer öfter eingreifen muss, um die Interessen und Rechte der Minderjährigen zu schützen.
Die Anliegen, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen selbst, deren Eltern oder auch deren Familienangehörigen an die Kinder- und Jugendanwaltschaft gewandt haben, sind vielfältig. Die Auswirkungen der Pandemie lassen sich allerdings in mehreren Bereichen deutlich erkennen. So wurde die Jugendanwältin am häufigsten zu Fragen konsultiert, die in den Bereich Schule fallen (28,22 Prozent). „Die Pandemie war für viele Kinder und Jugendliche traumatisch und die Auswirkungen treffen sie in besonderem Maße – die Öffnung der Schulen war oft Thema von Anfragen, genauso wie die Schutzmaßnahmen, die Nasenflügeltests oder der Fernunterricht“, erklärt Daniela Höller. Abgesehen davon betrafen die Themen vor allem nicht begleitete ausländische Minderjährige (13,12 Prozent), Situationen mit Mehrfachproblematiken (11,39 Prozent), Trennung und Scheidung (8,66 Prozent), Jugendschutz (7,18 Prozent) sowie den Bereich Gewalt und Missbrauch (5,82 Prozent). „Die behandelten Fälle betrafen oft delikate, meist tragische und fast immer dringende Angelegenheiten: Ob es sich nun um körperliche, psychische oder sexualisierte Gewalt, Diskriminierung von jungen Menschen, Integration und Inklusion von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in der Schule und im Alltag, familiäre Konflikte oder Mobbing und Cybermobbing handelt“, so Höller.
Weil die Kinder- und Jugendanwältin in einigen Fällen auch das Kindeswohl gefährdet sah, hat sie im vergangenen Jahr 30 Meldungen verfasst, die Gewaltsituationen jeglicher Art zum Inhalt hatten: verbale, psychische, physische, sexualisierte und miterlebte Gewalt sowie Vernachlässigung. „Die Situationen häuslicher Gewalt mit Minderjährigen als Opfer, die der Kinder- und Jugendanwaltschaft herangetragen wurden, haben in den letzten zwei Jahren um 57,9 Prozent zugenommen“, unterstreicht die Kinder- und Jugendanwältin. Dazu müsse aber auch gesagt werden, dass es gerade in den sogenannten Lockdownphasen an sozialen Kontrollen fehlte, die es ermöglichen würden, diese Umstände an die Oberfläche zu bringen. „Die Dunkelziffer ist demnach noch höher“, sagt Daniela Höller.
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