Zu wenig Apotheker
45 Apotheken in Südtirol suchen dringend nach neuen Mitarbeitern. Einige Arzneiausgabestellen mussten bereits geschlossen werden – wie sich in Bozen und Villanders zeigt.
von Erna Egger
Zehn Jahre lang – von Anfang 2012 bis Ende 2021 – haben Jörg Aichner und seine Frau Barbara, Besitzer der Apotheke in Klausen, eine Arzneimittelverteilerstelle in Villanders geführt. Vorwiegend eine Erleichterung für die Senioren im Ort, die durch dieses Angebot nicht mehr nach Klausen fahren mussten, um ihre Medikamente zu erhalten.
Seit 20. November 2021 ist diese geschlossen: In der Vitrine wurde ein Schreiben ausgehängt: „Leider müssen wir die Arzneimittelverteilerstelle wegen Personalmangels vorübergehend schließen“, steht dort zu lesen.
„Vorübergehend“: Dieses Wort ließ zwischenzeitlich die Hoffnung aufkommen, dass eine baldige Wiedereröffnung in Aussicht steht. Doch diese Hoffnung ist mittlerweile fast gänzlich geschwunden. In der jüngsten Gemeinderatssitzung in Villanders wurde großes Bedauern zum Ausdruck gebracht: „In der Gemeinderatssitzung wurde angemerkt, dass das Angebot sehr geschätzt wurde und dass es sehr schade sei, dass die Schließung erfolgt ist“, schildert Bürgermeister Walter Baumgartner.
Der Apotheker Jörg Aichner erklärt die Gründe für die Schließung: Die Rentabilität sei immer schlechter geworden, viele VillandererInnen kaufen ihre Arzneimittel auf dem Weg zur Arbeit in Waidbruck oder Brixen.
Früher ordinierte ein Arzt in Vollzeit in Villanders, jetzt hat dieser die Hauptpraxis in Klausen.
Mittlerweile führt eine Ärztin nur mehr zweimal wöchentlich, für jeweils zwei Stunden, in Villanders Visiten durch. „Es gab auch keine konkreten Hilfsangebote von Seiten der Gemeinde“, so Aichner. „Wir haben aber offengehalten, weil wir uns unseren KundInnen gegenüber verpflichtet gefühlt haben.“
Seit 2021 hat aber auch die Apotheke in Klausen akute Personalprobleme: Eine Mitarbeiterin ging in Mutterschaft, durch die Pandemie mussten die Apotheken neue Aufgaben übernehmen, wie die Durchführung von Covid-Tests usw.
„Wir mussten die Arzneimittelausgabestelle in Villanders schließen, um in Klausen einen geregelten Betrieb zu gewährleisten“, schildert Aichner.
Der Personalmangel im Gesundheitswesen ist ein südtirolweites Problem: Laut letztem Rundschreiben der Apothekerkammer suchen 45 Apotheken in Südtirol mindestens einen Apotheker.
„Personalmangel gab es in unserer Sparte immer schon“, schildert Aichner. Der Präsident der Apothekerkammer, Maximin Liebl, fügt hinzu: „In letzter Zeit hat sich der Personalnotstand noch verstärkt, durch die erforderliche Zweisprachigkeit.“ Auch durch die neuen pandemiebedingten Aufgaben – wie die Covid-19-Tests, die Impfungen – werde mehr Personal gebraucht. „Das ich auch ein Thema, aber nicht nur. Mehrere Faktoren tragen zur jetzigen Situation bei: Nach dem neuen Wettbewerb haben beispielsweise neue Apotheken geöffnet, die ebenfalls Mitarbeiter brauchen. Allgemein ist es in Südtirol schwierig, Mitarbeiter zu finden und in unserem Sektor ist es noch schwieriger“, sagt Liebl.
Während früher nur auf dem Land Apotheker knapp waren, ist es nun auch in den Zentren soweit: In Bozen suchen elf Apotheken mindestens 15 Apotheker. „Darunter gibt es Apotheken, teils in bester Lage, die bis zu drei neue Mitarbeiter brauchen“, so Aichner. Die Gemeindeapotheke am Dominikanerplatz, in der drei bis vier Apotheker tätig waren, wurde aus diesem Grund geschlossen.
Um den KundInnen in Villanders entgegenzukommen, haben die Besitzer der Apotheke in Klausen erwogen, ein Abholschließfach zu installieren. „Da uns die Kunden sehr ans Herz gewachsen sind“, berichtet Aichner.
Das neuartige Konzept: Ein Schließfachsystem mit zehn Schließfächern wird installiert. Der Arzt stellt elektronisch die Medikamentenverschreibung aus, versehen mit einer Nummer, die in die Apotheke nach Klausen geschickt wird. Das Medikament wird im Schließfach deponiert, die Kunden erhalten einen Code, mit dem sie tags darauf das Depot öffnen können. „Eine Lösung, die mir sehr gut gefallen hätte. Aber gleichzeitig sind wir mit der elektronischen Vormerkung für die Covid-19-Tests und die Impfungen gestartet und mussten feststellen, dass sich die Kunden mit diesem System sehr schwertun“, so Aichner.
Davon ausgehend kam man zum Schluss: „Die Bedienung dieser Schließfächer wäre für die älteren und gebrechlichen Patienten, für welche das Angebot in Villanders gedacht wäre, wahrscheinlich zu schwierig“, bedauert Aichner. „Deswegen haben wir davon abgelassen.“
„Ich wäre auf das Angebot eingegangen“, sagt dazu Bürgermeister Baumgartner, „aber im Gemeindeausschuss hatten wir hierzu keine Mehrheit. Unsere Leute sind sehr skeptisch: Gerade jene Bürger, die vorwiegend die Ausgabestelle im Ortszentrum aufgesucht haben, weil sie nicht nach Klausen oder Waidbruck fahren, tun sich online oder mit der Bezahlung durch Kredit- oder Bankomatkarte schwer.“
Der Gemeindeausschuss will nun Kontakt mit anderen Apotheken aufnehmen, „um zu sehen, ob diese vielleicht Interesse hätten, die Apotheke wieder aufzusperren“, so Baumgartner. Aber er hat wenig Hoffnung: „Es wird sehr schwierig werden.“
Auch Aichner bezweifelt, dass es zu einer Wiedereröffnung kommt: „Wir haben die Arzneimittelausgabestelle betrieben, weil uns die Leute sehr am Herzen liegen. Andere Apotheken, die dort auch einen Gewinn einfahren wollen, übernehmen diesen Standort sicher nicht.“
Die gute Nachricht: Maximin Liebl weiß von keiner weiteren Apotheke, die vor der Schließung steht. „Ausschließen kann man weitere Schließungen natürlich nicht. Aber die Apotheken werden vorwiegend von Privaten geführt, die irgendwie über die Runden kommen, auch weil dann der Inhaber von früh bis spät im Betrieb steht.“
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