„Kein Grund zur Besorgnis“
Europaweit sorgen schwere Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern für Aufmerksamkeit. Pädiatrie-Primar Markus Markart erklärt, warum man sich in Südtirol darum nicht sorgen muss.
Tageszeitung: Herr Markart, in den letzten Tagen wurde viel über schwere Hepatitis-Fälle bei Kindern berichtet. Häufig wird von mysteriösen Erkrankungen gesprochen. Was ist daran so mysteriös?
Markus Markart: Mysteriös ist, dass diese Hepatitis – also diese Leberentzündungen – nicht von den üblichen Viren, die wir bereits kennen, ausgelöst werden. In Vergangenheit haben wir Hepatitis A, B, C, D und E nachgewiesen, diese kann man dann auch gewissen Krankheitsbildern zuordnen. Es gibt eine ganze Reihe andere Viren, die Leberentzündungen hervorrufen, wie die Mononukleose oder CMV. Diese Viren lösen allerdings nur leichte und meist unerkannte Leberentzündungen aus. Jede Grippe kann eine Hepatitis auslösen, das fällt aber nicht auf. Nun erkranken aber Kinder im Alter von eins bis 16 Jahren. Diese Leberentzündungen verlaufen in zehn Prozent der Fälle so schwer, dass man eine Leber transplantieren muss, letzthin gab es sogar einen Todesfall. Mysteriös ist es also deshalb, weil es sich um ausgesprochen schwere Entzündungen handelt, die nicht auf die üblichen Viren zurückzuführen sind.
Diese schweren Leberentzündungen bei Kindern wurden mittlerweile in ganz Europa nachgewiesen. Gibt es dafür eine Erklärung?
Es gibt insgesamt 169 gemeldete Fälle. Rund 114, also am meisten, kommen aus Großbritannien, in Spanien gibt es 13 und in Israel zwölf Fälle. In Italien wurden nur vier Fälle gemeldet, in Deutschland nur einer. Ob man hier bereits von einer europaweiten Ausbreitung sprechen kann, wird derzeit auf wissenschaftlicher Ebene diskutiert. Dieses Auftreten der Fälle in ganz Europa könnte nämlich auch mit einer erhöhten Sensibilität zu tun haben. Vielleicht wurden diese Fälle in Vergangenheit einfach nicht gemeldet oder es wurde einfach nicht beachtet. Sicher ist, dass in Großbritannien mehr Fälle gemeldet wurden, ob das in Europa nur durch die erhöhte Sensibilität der Fall ist, ist noch unklar und Gegenstand der Diskussion.
Viele Eltern sind durch diese Meldungen beunruhigt. Haben Sie bereits Anrufe bekommen?
Nein, bisher nicht. In Südtirol gibt es keinen Fall und auch in Italien gibt es nur wenige. Je mehr Aufmerksamkeit diese Fälle bekommen und je öfter Medien darüber berichten, desto mehr Menschen werden sich melden. Das ist klar. Derzeit sind die Fälle aber so selten, dass es in Italien und Südtirol nicht ins Gewicht fällt.
Was sind die Symptome einer schweren Hepatitis?
Primär sind Patienten abgeschlagen und schwach, verbunden mit Symptomen im Bauchraum, das heißt Erbrechen oder Durchfall. Vor allem erkennt man eine Leberentzündung aber daran, dass sich die Haut und das Weiße in den Augen gelblich wird. Auch Harn verfärbt sich dunkel und Stuhl entfärbt sich. Das ist das erste, was über eine normale Bauchgrippe hinaus geht. Deshalb nennt man die Krankheit auch Gelbsucht.
Kann es ausgeschlossen werden, dass die derzeit auftretenden Fälle mit der Corona-Impfung oder einer durchgestandenen Infektion zu tun haben?
Man sucht noch nach dem Virus, der die Krankheit auslöst. Bisher hat man häufig Adenoviren gefunden, diese kommen häufig in der Bevölkerung vor, verursachen im Normalfall aber nur eine leichte Infektion oder einen Schnupfen. Die Frage ist, ob es nun ein neues Adenovirus gibt, das erst identifiziert und sequenziert werden muss. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Kombination aus Sars-Cov-2 und Adenovirus die Hepatitis auslöst, beides wurde bereits gefunden. Was sicher nicht möglich ist, ist dass die Impfung die Fälle ausgelöst hat, da es sich vor allem um kleine Kinder handelt, die daran erkranken und diese nicht geimpft sind.
Die WHO untersucht derzeit einen Zusammenhang mit Adenoviren. Handelt es sich nur um einen Verdacht oder gibt es Hinweise darauf, dass diese der Auslöser sind?
Adenoviren hat man in 74 von 169 Fällen nachgewiesen. Es stellt sich also die Frage, ob es tatsächlich der Auslöser ist, oder ob man diese Viren nur zufällig gefunden hat. Mindestens bei der Hälfte der aufgetretenen Fälle hat man hingegen auch andere Viren nachgewiesen, bei der anderen Hälfte überhaupt keine. Um aber klar sagen zu können, dass der Virus der Auslöser ist, müssten wir diesen bei allen finden.
Ist es möglich, dass Kinder für etwaige Virenerkrankungen anfälliger sind, weil sie in den letzten zwei Jahren Maske getragen und Abstand gehalten haben und dadurch ihr Immunsystem schwächer gegen Adenoviren geschützt sind?
Auch darüber wird gesprochen. Tatsächlich zirkulieren Adenoviren aufgrund der Hygienemaßnahmen der letzten Jahre nun stärker. Auf der anderen Seite betreffen die Hepatitis-Fälle nicht nur Kleinkinder, die bisher nie mit Adenoviren in Kontakt getreten sind, sondern auch Kinder bis zu 16 Jahren. Diese hatten mit Sicherheit mehrmals Kontakt mit Adenoviren. Diese Argumentation ist also nicht sehr schlüssig.
Unabhängig von den Hepatitis-Fällen wirkt es im Moment so, als würden Kinder deutlich häufiger erkranken. Können Sie das bestätigen?
Nein, das kann ich nicht bestätigen. Wir haben derzeit eine ruhige Situation in unserer Abteilung. Wir haben einige Kinder mit Durchfall, aber keine sehr schweren Erkrankungen. Das ist aber völlig normal für diese Zeit. Im Herbst hatten wir allerdings sehr viele RSV-Erkrankungen, also Erkrankungen mit respiratorischen Synzytial-Viren. Wir mussten vermehrt kleine Säuglinge auf die Intensivstation verlegen. So wie Sars-Cov-2 für ältere Personen für Problemen sorgt, sorgen RS-Viren bei Säuglingen für Probleme. Derzeit gibt es das Problem aber nicht mehr, auch sonstige Erkrankungen gibt es zumindest im Krankenhaus nicht. Banale Infekte wird es allerdings viele geben.
Was raten Sie nun Eltern, die sich wegen der Hepatitis-Fälle dennoch Sorgen machen?
Wie schlimm die Situation ist, erkennt man sehr gut daran, wenn Reisewarnungen ausgesprochen werden. Wenn man jetzt nach England fahren würde, gibt es aber keine Warnung. Das heißt, die Hepatitis-Fälle stellen im Moment kein großes Problem dar. Sie bekommen nur so viel Aufmerksamkeit, weil es bedeutsam ist, wenn ein Kind so schwer erkrankt. Man wird es dennoch weiter beobachten. Grund zur Besorgnis gibt es aber keinen.
Interview: Markus Rufin
Ähnliche Artikel
Kommentare (2)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
andreas1234567
Hallo nach Südtirol,
ein wohltuend sachlicher Experte, bislang gab es aus meinem Gedächtnis heraus keine Aussendung des Herrn zu lesen.
Wollte ich nur mal gesagt haben, das Leben war mir eine Freude, sachlich fundiert, abwartend,abwägend.
Ein schöner Kontrast zu den „Experten“ der letzten Jahre welche in der Mehrheitspresse immer eine gefegte Bühne bekommen haben und dort ihren „Massnahmen! Regeln! Strafen! Zwang! Mehr Geld! Noch mehr Geld! Rom gehorchen! Abweichler brechen um jeden Preis! „-Veitstanz aufführen durften.
Wäre schön wenn solche Experten wieder die Richtung vorgeben.
Kernaussage: Da ist was, passt ein bissel auf, wir schauen drüber, sobald wenn wir näheres wissen geben wir Auskunft.
Es ist das was die ganzen als „Coronaleugner und Impfskeptiker “ mit Schimpf und Schande überkübelten Kritiker in der der Mehrzahl immer wollten, genau das, nichts anderes.
Gruss nach Südtirol