„Das tut uns sehr weh“
Keine leichten Zeiten für Frei.Wild: Im Interview spricht Philipp Burger über neue Projekte in Pandemiezeiten – und über die aufgeheizte Speicherbecken-Debatte im Ex-Nato-Areal.
Tageszeitung: Herr Burger, Sänger und Frontman von Frei.Wild, Bauer und nun werden Sie auch noch Gastwirt?
Philipp Burger: (lacht) Hierzu muss ich Sie leider sofort korrigieren: Bei Frontmann und Sänger von Frei.Wild und Landwirt gehe ich beim „Ich“ noch mit. Beim Thema Gastronomie verweise ich aber auf das „Wir“ oder „Sie“. Denn hier sind meine Bandkollegen und Partner weitaus die treibenderen Kräfte. Ich hätte hierfür auch gar keine Zeit. Unsere neuen Projekte, wie die beiden Imbisse „Börgers and Kings“ in Brixen und Sterzing, aber auch das „Queens and Kings“, unsere neue Bar in Brixen, sind zwei langersehnte Herzensprojekte von uns allen. Die allergrößten Leidenschaften hierfür liegen aber nicht bei mir, sondern bei den anderen Jungs. Aufgrund von Corona hatte unsere Gruppe jedenfalls viele Freiräume, die wir zuvor, als wir permanent auf Tour oder im Studio waren, nicht hatten. Jetzt haben wir diese langersehnten Träume umgesetzt.
Wo liegt das neue Frei.Wild-Gastlokal, wann wird es eröffnet und wer hilft euch?
Die „Queens and Kings“-Bar in Brixen ist bereits geöffnet, die offizielle Eröffnungsfeier findet jedoch erst am 14. Mai statt. Das neue Gastlokal liegt in der Dantestraße und ist die Ex-Frieda-Bar, sie befindet sich also unweit vom „Rookies & Kings Store“, und ebenso nicht weit weg von unserem „Börgers and Kings“-Imbiss. Das neue Gastlokal ist jedenfalls eine Symbiose aus Biergarten und Frühstückskaffee – wir öffnen schon um 6.30 Uhr –, Eisdiele und Loungebar. Ein Treffpunkt für Jung und Alt. Wir haben das große Glück, dass wir gute Schwägerinnen und Verwandte, aber auch einen großen Freundeskreis haben – und dadurch zum Glück kein Problem mit der Personalsuche hatten. Jedenfalls haben diese Projekte meine Kollegen und Partner zur Vollendung gebracht und ich habe mich derweil um die Arbeiten im Studio gekümmert.
Warum in Brixen?
Zum einen war die Frieda-Bar eine weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bar, in die wir selbst gerne eingekehrt sind und die zuletzt geschlossen war. Zudem komme ich aus einer Lehrer-Familie, gerade diese Berufssparte hat es bedauert, dass in dieser Gegend keine Bar mehr offen war. Auch für die Jugendlichen und alle anderen Brixner ist das Lokal gut gelegen – Schulen, Krankenhaus, Sporthallen, Geschäfte und Bushaltestellen befinden sich in unmittelbarer Nähe. Der Standort ist also super. Der neue Name „Queens and Kings“ passt zudem gut in unser Konzept.
Welche sind die nächsten Projekte?
Oje. Die Figös Company besteht aus Band, Manager und zwei guten Freunden. Mit ihr führen wir die Lokale. Demnächst eröffnen wir auch den neuen „Börgers and Kings“-Imbiss in Sterzing. Die Figös Company hat auch unsere Modemarke „Vafancoolo “ auf den Weg gebracht. Das wärs dann auch. Das Augenmerk der Band selbst liegt jetzt, und das dürfte verständlich sein, zu 100 Prozent auf allem, was Frei.Wild betrifft. Wir hoffen und beten dafür, dass wir endlich wieder auf die Bühne kommen. Mit neuer Kraft, mit vollen Hallen und überglücklichen Menschen. Und das trotz der ganzen Schwierigkeiten, in denen die Livebranche gerade steckt.
Welche Schwierigkeiten?
Es beginnt beim mangelnden Fachpersonal: Dieses ist zu großen Teilen in die Privatbranche, z.B. zum Messe- und Gerüstbau gewechselt. Es fehlt an Technikern, an Technik selbst durch ein Überangebot an Nachholterminen. Hinzu kommen verunsicherte Fans durch Angst vor Corona, aber auch aus Pietät vor den Kriegsopfern. Ein weiteres Problem ist, dass die Behörden in Deutschland nur sehr zaghaft Live-Lizenzen ausstellen. Teils stehen auch die Locations nicht zur Verfügung, weil dort ukrainische Flüchtlinge untergebracht sind. Wir haben zwar im Sommer einige Festivals, starten unsere Tour aber erst im Dezember, was unser großes Glück ist. Viele Bands mussten ihre Konzerte bereits absagen. Nicht zuletzt macht unserer Branche auch der enorme Preisanstieg zu schaffen. Es gibt also sehr viele Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Aber wir bleiben optimistisch: Unsere Branche war zurückblickend schon immer mal wieder mit unterschiedlichsten Krisen konfrontiert, die gemeistert wurden. Wir werden auch das schaffen.
Apropos Festivals: Das Alpen-Flair-Festival findet heuer wieder statt. In Natz wird zurzeit ein harter Kampf um das Ex-Nato-Areal geführt, jenem Gelände, wo das Alpen-Flair-Festival stattfindet. Das Bodenverbesserungskonsortium Natz möchte dort ein Speicherbecken errichten. Wie verfolgen Sie die Auseinandersetzung?
Diese Debatte ist für die gesamte Band enorm demotivierend, auch für unsere Partner und die Vereine in Natz. Letztlich profitieren durch das Alpen-Flair alle, die Kultur, die Jugend, die Stadt, das Hochplateau, ja das gesamte Einzugsgebiet und weit darüber hinaus. Letztlich hat das Festival wie kaum was anderes für Millionen an Wertschöpfung gesorgt und auch dem Tourismus schier das ganze Jahr über unter die Arme gegriffen. Den Vereinen sowieso. Wer das nicht zugibt, ist entweder blind oder spielt der jeweiligen Sache dienlich, schlichtweg mit falschen Karten. Die Speicherbeckenfrage und die persönlichen Differenzen dahinter jetzt auf dem Rücken vom Alpen-Flair auszutragen, ist für uns schlichtweg nicht verständlich. Das ist einfach schade.
Falsche Karten?
Nun, gewisse Passagen von Presseaussendungen waren einfach boshaft und arglistig. Ich möchte darauf erst gar nicht eingehen, sie beschämen mich in meiner Ehre als Mitveranstalter, Musiker, aber auch als Landwirt. In Natz von einem ökologisch besonders wertvollen und schützenswerten Gebiet zu sprechen, entspricht jedenfalls meiner Meinung nach, wohlgemerkt nicht anders und genau wie bei allen anderen Gebieten mit intensivem Obstanbau, nicht meiner Ansicht. Ich glaube, ein 4-Tages-Festival ist hier das absolut kleinste Übel. Zudem verstehe ich nicht, dass manche Personen das Alpen-Flair öffentlich auf eine Bier-, Drogen-, Urin- und Kotparty reduzieren, um Stimmung zu machen. Leute, die wohlgemerkt jahrelang von unseren Fans profitiert und ihre Gasthäuser vollgestopft haben. Das ganze Jahr über. Kurz, ich finde diese Art der „Kriegsführung“ einfach schwach und absolut unfair allen gegenüber, auch unehrlich und inkonsequent sich selbst gegenüber.
Konsequent wäre?
Konsequent wäre, dann an besagten Tagen seine Betriebe zu schließen, das allerdings werden wir nicht erleben. Wie gesagt, ich maße mir nicht an, mich in Sachen Speicherbecken auf irgendeine Seite zu schlagen, jeder hat seine Argumente, sicher auch gute. Ich kenne die meisten Befürworter, aber auch Gegner dieses Projektes persönlich und kann privat mit allen gut, auch heute noch. Auch bewundere ich die Leidenschaft und Überzeugung aller, sich hinter diese Ideen zu stellen, bis zu einem gewissen Punkt. Zudem bin ich aus Brixen und habe mich als Letzter einzumischen. Ich habe zu akzeptieren, was die Bürger dort entscheiden. Ich wünschte mir jedenfalls endlich ein aufeinander Zugehen, einen fruchtbringenden Diskurs auf Augenhöhe und auch gegenseitigen Respekt. Am besten ein gegenseitiges Händereichen. Und ich unterstreiche das, von allen Seiten. Sollte das weiter so ausarten, werden wir mit dem Alpen-Flair abziehen.
Spielt die Rockgruppe bereits mit diesem Gedanken?
Ja, das spielen wir, leider. Und das tut uns nach all den Jahren auch sehr weh. Sollte Natz das Alpen-Flair wirklich nicht mehr wünschen und wir als Band weiter zwischen die Getriebe beider Parteien kommen, werden wir uns einen anderen Standort suchen. Auch suchen müssen, so leid es uns tut. Wir brauchen ein geeintes Dorf, das Freude und Spaß an diesem Fest hat, das wirklich mit keinem anderen in Südtirol vergleichbar ist. Dieses Jahr ziehen wir es ohne Zweifel durch, dann sehen wir weiter. Es haben sich aber bereits mehrere Gemeinden gemeldet, die Lust auf das Alpen-Flair mit tagtäglich 15.000 bis 16.000 Besucher haben. Wir lieben Natz, keine Frage, wir schätzen die Menschen, das Dorf selbst und auch den Einsatz und Fleiß der Menschen dort. Auch wir haben dem Dorf viel zu verdanken. Ich hoffe, das haben wir oft und intensiv genug mitgeteilt. So und in dieser Form macht das Alpen-Flair in Natz aber keinen Sinn mehr.
Interview: Erna Egger
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