„Große Sorgen“
Während die Produktionskosten seit zwei Jahren rasant steigen, müssen Südtirols Bergbauern auch 2021 mit einem leicht rückläufigen Milchpreis auskommen.
„Die Pandemie hat die Milchwirtschaft noch weiter unter Druck gesetzt, die Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe leidet und es ist fraglich, wie lange sie noch durchhalten können“, so Obmann-Stellvertreter Georg Egger anlässlich der Vollversammlung des Sennereiverbandes. Egger fordert daher ein Überdenken der Wertschöpfungskette in der Lebensmittelproduktion.
Waren andere Sektoren pandemiebedingt in eine Krise gerutscht, greift die Krise der Milchwirtschaft und damit der Berglandwirtschaft sehr viel tiefer und ist im vergangenen Jahr sowie nun auch durch den Krieg in der Ukraine noch zusätzlich verschärft worden.
Georg Egger, stellvertretender Obmann des Sennereiverbandes, nennt dafür gleich mehrere Gründe, angefangen mit dem Lockdown-bedingten Ausfall der Wintersaison 2021. „Noch sehr viel größere Sorgen bereiten uns aber die explodierenden Preise für wichtige Rohstoffe, für Treibstoff und Energie, durch die nicht nur die Kosten in den Verarbeitungsbetrieben, sondern auch die Produktionskosten unserer Bauern in die Höhe schnellen“, so Egger. „Und leider ist das keine Momentaufnahme, sondern ein Trend, dessen Ende nicht absehbar ist.“
Damit die Milchproduktion rentabel bleibt, müsse auf die Steigerung der Produktionskosten mit einem Anstieg der Milchpreise reagiert werden.
„Da die Kostensteigerungen in der Verarbeitung und Produktion jedoch so massiv sind, können diese immer nur schrittweise und zeitversetzt an den Lebensmitteleinzelhandel weitergegeben werden“, so der Obmann-Stellvertreter, „dadurch ist das langfristige Überleben unserer Berglandwirtschaft in Gefahr und mit ihr die Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Qualitätsprodukten“. Egger fordert daher, die Wertschöpfungskette in der Lebensmittelproduktion zu überdenken, was konkret heißt: die Leistungen der Produzenten müssen stärker abgegolten und Qualität muss auch finanziell belohnt werden.
Gleichbleibende Menge, sinkende Preise, weniger Betriebe
Dass den angestiegenen Kosten nicht genügend Steigerungen der Einnahmen gegenüberstehen, zeigt ein Blick auf die Entwicklung von Milchpreis und -menge. Letztere ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben, auch 2021 wurde mit 403,9 Millionen Kilogramm nur 0,5 Prozent mehr Milch produziert als im Jahr davor. Zugleich mussten die Bauern mit weiter sinkenden Milchpreisen wirtschaften. 2021 wurde in Südtirol ein durchschnittlicher Auszahlungspreis von 50,17 Cent pro Kilogramm erreicht, das sind 0,66 Cent weniger als noch im Vorjahr. Diese negative wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich auch in der Zahl der Milchbetriebe im Land wider, die 2021 weiter gesunken ist. So haben allein im vergangenen Jahr 62 Betriebe die Milchproduktion eingestellt, in den letzten zwei Jahrzehnten hat Südtirol damit mehr als 1500 Milchbetriebe verloren.
Long-Covid auch in der Milchwirtschaft
Auch wenn sich die Pandemiesituation 2021 im Vergleich zum Jahr davor gebessert hat, haben die Folgen von Covid-19 in der Milchwirtschaft doch angehalten. Vor allem der Ausfall der Wintersaison und der nahezu totale Wegfall des Städtetourismus in Italien im ersten Halbjahr 2021 haben die Milchwirtschaft hart getroffen. „Der Absatz unserer Produkte ist in den ersten Monaten des vergangenen Jahres eingebrochen, der Versandmilchanteil musste angehoben werden“, erklärt Annemarie Kaser, Direktorin des Sennereiverbandes Südtirol, die zudem auf Engpässe bei Verpackungsmaterialien und Rohstoffen verweist. „Selbst ein gutes zweites Halbjahr hat den Absatzrückgang im ersten nicht wettmachen können“, so Kaser.
Die Absatzkrise zeigt sich nicht zuletzt an den Rückgängen, die in der Produktion aller Südtiroler Milchprodukte (Mascarpone und Sahne ausgenommen) feststellbar sind. Der Frischmilchabsatz sank im Vergleich zu 2020 um rund 2,6 Prozent, jener von Joghurt um 1,84 Prozent, jener von Käse gar um 7,3 Prozent. Entsprechend hatten die Südtiroler Milchhöfe 2021 einen Umsatzrückgang zu beklagen, die Beschäftigungssituation ist davon glücklicherweise allerdings nicht betroffen. Mittlerweile finden weit mehr als 1000 Menschen in den Milchhöfen Arbeit. „Die Milchwirtschaft ist demnach nicht nur grundlegend für die Erhaltung und Pflege unserer Landschaft, sondern auch eine wirtschaftlich wichtige Säule“, so Georg Egger.
Bewährte Qualität
Der Qualitätsanspruch der Südtiroler Milch und Milchprodukte wird durch die umfassende Kontroll- und Untersuchungstätigkeit des Sennereiverbandes untermauert. Allein 2021 wurden im Labor des Verbandes 771.467 Milchproben untersucht, das sind fast 30.000 mehr als im Vorjahr. „Unsere Analysen zeigen, dass die enormen Anstrengungen unserer Bäuerinnen und Bauern um Hygiene und Qualität ein sicheres und wertvolles Produkt garantieren“, erklärt Verbandsdirektorin Kaser. Neben der Rohmilch werden zudem die daraus entstehenden Produkte umfassend analysiert. In diesem Bereich kommt der Verband 2021 auf 24.428 untersuchte Produkte und nicht weniger als 93.423 vorgenommene Untersuchungen. Das sind über 4.300 mehr als im Vorjahr.
Dass der Qualitätsbegriff der Südtiroler Milchwirtschaft nicht „nur“ die Produktqualität umfasst, sondern auch die Qualität in der Produktion, zeigt das Projekt Tierwohl Südtirol, das der Sennereiverband 2021 ins Leben gerufen hat. „Das Tierwohl ist nicht nur eine ethische Notwendigkeit, sondern steht auch am Anfang eines Produktionsprozesses, an dessen Ende qualitativ hochwertige Milch steht“, so Kaser. „Gesundheit und Wohlergehen ihrer Tiere liegen den Bäuerinnen und Bauern daher besonders am Herzen.“
Der beste Milchlieferant
Wie wichtig dem Sennereiverband und den einzelnen Milchhöfen die Qualität ihres Rohprodukts ist, zeigt auch die Tatsache, dass die besten Milchlieferanten Jahr für Jahr ausgezeichnet werden. Ausschlaggebend für die Rangfolge ist dabei ein ausgeklügeltes Punktesystem, das alle Qualitätsparameter einbezieht und die Ergebnisse der Milchproben über das gesamte Jahr berücksichtigt.
In diesem Jahr konnte so Josef Holzer, Wieseler in Mühlwald, zum Landesbesten gekürt werden. Er bewirtschaftet seinen Hof mit 126 Erschwernispunkten im Nebenerwerb und sei, wie Georg Egger betont, ein Musterbeispiel für das Engagement der Bäuerinnen und Bauern selbst auf den kleinsten Höfen. „Ohne diesen unter den gegebenen Umständen fast schon selbstlosen Einsatz der Bergbauern wäre unser Land nicht dasselbe“, so Egger. „Ihnen ist es zu verdanken, dass Südtiroler wie Gäste unsere Landschaft, unsere Wälder, Wiesen und Almen nutzen und genießen können und eine ganze Gesellschaft – nicht nur wirtschaftlich – davon profitiert.“
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Kommentare (3)
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gscheidhaferl
Nicht nur wie viel diese verdienen, sondern auch wie viele Fördergelder die Verbände für ihre Tätigkeiten für die Berg- und Milchwirtschaft bekommen wäre mal interessant… ist ja auch eine indirekte Förderung. Zumal sich Südtirol ja eine große Zahl an Verbänden im diesem Bereich leistet….
dn
Die Heumilch sollte den Bauern eigentlich mehr einbringen. Dafür kommt Zampieri in die Raika-Spitze (auch da erfährt man nicht, was er dann wert ist). Ich bin gespannt, wie lange sich die Bauern noch an der Nase herumführen lassen.