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Gerissene Schafe 

39 Schafe hat Karl Messner auf eine eingezäunte Weide nach Franzensfeste gebracht. Mehrere Tiere wurden in den letzten Tagen von einem Raubtier – vermutlich von einem Wolf oder Goldschakal – gerissen, andere stürzten in ihrer Panik einen steilen Abhang hinunter. Die Vorwürfe des Schafbesitzers.

von Erna Egger 

Karl Messner aus Pfitsch und sein Bruder sind leidenschaftliche Schafzüchter. Im Sommer weiden ihre Tiere auf der Pfitscher Hochalm. Im Herbst werden sie abgetrieben. Ein Teil der Herde überwintert auf dem Partlerhof des Bruders, die Lämmer und Muttertiere von Karl Messner verbringen hingegen die kältesten Wochen im Jahr im Stall eines Hofes in Freienfeld, der nicht mehr bewirtschaftet wird. Jetzt im Frühjahr hat Messner die 39 Schafe auf eine große Weidefläche nach Franzensfeste gebracht, dort hätten sie bis zum Almauftrieb verbleiben sollen. Das Areal hat er mit einem 1,5 Meter hohen Wildzaun, wie man ihn entlang der Autobahn vorfindet, eingezäunt – zum Schutz vor Wölfen und anderen Raubtieren.

Nur einen Tag lang war den Schafen das Weiden in der Talsohle vergönnt. Am Dienstag erlebte Messner eine böse Überraschung: „Nach nur zwei Tagen habe ich 13 Schafe weniger“, klagt der Schafzüchter.

Gleich zweimal in Folge statten Raubtiere der Herde einen Besuch ab: In der Nacht von Montag auf Dienstag wurden sechs Schafe attackiert. Messner entdeckte die erste Bluttat am Dienstagvormittag: „Drei Schafe waren totgebissen, weitere drei mussten notgeschlachtet werden. Fünf Schafe wurden versprengt: In ihrer Panik sind sie vermutlich über den 1,5 Meter hohen Zaun gesprungen und das steile Gelände hinabgestürzt. Zwei tote Tiere liegen im abschüssigen Gelände, das zur Bergung unzugänglich ist“, schildert Messner.

Die Raubtiere kehrten in der Nacht auf Mittwoch zurück und zerrissen weitere zwei weitere Jungtiere.

Am Dienstag nahmen Amtstierarzt Alberto Covi und Förster der Forststation Brixen einen Lokalaugenschein vor: „Am Dienstag wurden beim Obersalcherhof drei Schafe gerissen, sechs Tiere sind laut dem Besitzer abwesend. In der Nacht auf Mittwoch wurden weitere zwei gerissen“, bestätigt Covi.

Die Forstbehörden entnahmen Proben, um festzustellen, welches Raubtier die Schafe attackiert hatte.

„Es kann sich um Wölfe, Goldschakale oder Hunde handeln. Weil in der Gegend aber keine Hunde gehalten werden, vermute ich, dass Wölfe oder Goldschakale am Werk waren. Aber das muss erst über die DNA-Probe, die es nun abzuwarten gilt, erwiesen werden“, sagt Covi.

Er erklärt: „Jetzt ist die gefährlichste Zeit: Im Frühjahr verlassen die jungen 2-jährigen Wölfe das Rudel, wandern umher und suchen nach einem Revier. Weil nun die Schafe auf die Weide getrieben werden, sind Risse zu verzeichnen.“ Er schließt nicht aus, dass die Raubtiere nochmals zurückkehren, weil leichte Beute vorzufinden ist.

Ob das Raubtier über ein Loch unterm Zaun auf die Weide gelangt ober über den Zaun gesprungen ist – letztere ist die unwahrscheinlichere Variante – ist unbekannt.

Der Schafzüchter, der sich darüber ärgert, „dass Forstbeamte die Risse einem Fuchs zuordnen wollten“ (in diesem Fall entfällt die Entschädigung), hat seine verbliebenen Tiere am Mittwoch noch abtransportiert und auf den Hof seines Bruders gebracht. Dort müssen sie nun bis zum Almauftrieb im Stall ausharren. „Mir bleibt nichts anderes übrig.“ Messner ist außer sich: „Gerade bei meinem Beispiel zeigt sich: Ein Herdenschutzzaun ist total unnütz, eine Augenauswischerei. Und im Sommer auf der Alm einen Hirten mit Hirtenhunden anzustellen, kann ich mir finanziell nicht leisten. Ich habe das Gefühl, dass die Behörden diese Vorkommnisse einfach nur verheimlichen oder bagatellisieren wollen. Schafzüchter sind in Südtirol nicht erwünscht. Die Südtiroler Kleintierzüchter und Almbauern haben zurzeit die schlechteste Lobby.“

Schon im vergangenen Jahr fielen einige seiner Schafe Wolfsrissen zum Opfer: „Vor zwei Jahren wurde von der Politik versprochen, dass – weil Wölfe nicht geschossen werden dürfen – für Südtirol bei Wolfsrissen 20 Millionen Euro als Entschädigungssumme bereitgestellt werden. Wo sind diese? Über 27 Tiere wurden im Juni vergangenen Jahres in Pfitsch und auf dem Hochland auf 2.500 Metern gerissen – und wir haben nur eine lächerliche Entschädigung erhalten, nicht mal die Hälfte ihres Wertes. Gar einige Tiere, die tot auf der Almweide lagen, wurden nicht entschädigt, weil nicht nachgewiesen werden konnte, welches Raubtier die Schafe gerissen hatte.“

Zurzeit werde in Südtirol das Tierwohl großgeschrieben, forciert auch von der BRING – dem Beratungsring Berglandwirtschaft. „Aber wie ist es um all diese zerbissenen Schafe bestellt, die oft nach solchen Attacken qualvoll verenden?“

Messner ist sich sicher: „Die Almwirtschaft, diese lange Kultur, wird nicht mehr lange überleben. Die Anzahl der Schafe ist in Südtirol jetzt schon um rund ein Drittel zurückgegangen.“

Der Unmut unter den Bauern ist seit Jahren groß – und er wird noch größer werden, zumal sich die Wolfs- und Goldschakalrisse heuer weiter häufen.

Erst vor einem Monat war ein Lamm in unmittelbarer Nähe des jetzigen Vorfalls von einem Goldschakal getötet worden, wie die DNA-Probe ergab. „Welches Tier in den vergangenen Tagen diese Schafe gerissen hat, wissen wir erst nach Auswertung der DNA-Proben“, so Luigi Spagnolli, Direktor im Amt für Jagd und Fischerei. „Es könnte sich auch um einen Wolf gehandelt haben. Landesweit haben in den letzten Wochen Wölfe blutige Spuren hinterlassen, wie im Ahrntal oder in Gsies, wo sie bisher noch nicht gesichtet wurden.“

Was steht den Schafbauern heuer bevor?

„Das ist schwer zu sagen: Wir haben in Südtirol zurzeit sicherlich Wolfsrudel, die uns bisher noch nicht bekannt waren. Im Trentino leben zurzeit an die 25 Rudel. Das heißt: Mehr als 100 Welpen kommen jährlich auf die Welt. Weitere Rudel leben im Veneto, in der Lombardei, in der Schweiz und es wurden auch in Nordtirol welche verzeichnet. Wir sind umzingelt und alle diese Tiere wandern. Manchmal tauchen Wölfe auf, verschwinden aber bald wieder“, so Spagnoli.

Demnächst präsentiert das Amt für Jagd und Fischerei den Jahresbericht 2021: „Dieser soll auch eine Unterstützung sein, für unsere Politiker, in Rom und Brüssel eine Lockerung der bisherigen gesetzlichen Regelungen zu erwirken“, so Spagnoli.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (11)

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  • heinz

    Mit Herdenschutzhunden wäre das sicher nicht passiert.

  • gorgo

    Wie hoch sind eigentlich diese nicht nennenswerten Entschädigungen? 2019 wurden für 92 Schafe und 19 Ziegen 27.533€ ausbezahlt.
    Was ist da alles enthalten?
    Und warum will der Bauer wissen, dass ein Herdenschutzzaun es nicht bringt, wenn es offenbar nur mit einen Wildzaun versucht hat?
    Sollte in einen solchen Fall die Entschädigung tatsächlich bezahlt werden?
    Wie viele der über 80.000 aufgetrieben Tiere sterben durch andere, vielleicht ebenso qualvolle Tode die durch mehr Aufsicht verhindert werden könnten?

    • andreas1234567

      Hallo @gorgo,

      die Zahlen sind aus dem offiziellen Landesbericht zum Wolfswesen in 2019 und kann sicher auch zitiert werden

      https://umwelt.provinz.bz.it/wasser/wasserqualitaet-trinkwasserleitungen-suedtirol.asp

      Die angeführten Zahlen finden sich auf Seite 14.

      Es ist deutlich eine massive Steigerung zu erkennen, die Entwicklung ist das Problem, von 2010 „fast nix“ auf eben jetzt 119 dokumentierte Vorfälle.
      Es sind nur die dokumentierten Fälle, verstörte, versprengte, nicht mehr auffindbare Tiere und wo der DNA-Nachweis nicht gelingt gelangen nicht zu den „Schäden“ , das ist die Dunkelziffer.
      Und mit Verlaub, um 250 Euro Entschädigung um jeden Riss (da waren immer auch wertvolle Zuchttiere dabei mit Wert im vierstelligen Bereich wofür es auch nichts gibt) sind nun wirklich kein „Geld in den Hintern stopfen“, da gehen die Arbeit um den Nachweis, das Austragen aus den Büchern, die Kadaverbeseitigung wie selbstverständlich von ab.
      Das Wiedereinstallen der Kleintiere mit allen Kosten wenn diese Landplagen wieder üb er die Almen streifen wird auch nirgends gerechnet.

      Die 119 Fälle und die 29000 Euro Entschädigung ist die Zusammenfassung der Schäden die zweifelsfrei nachgewiesen wurden von Bauern die den Nerv und die Zeit hatten das durchzuboxen,die meisten werden die gerissenen Tiere wütend und ohnmächtig Fuchs und Geier überlassen haben, die günstigste Lösung wenn man Aufwand und lächerliche Entschädigung in Relation setzt

      Gruss nach Südtirol

  • andreas1234567

    Hallo nach Südtirol,

    jetzt geht die Verarsche der bergbäuerlichen Kleintierhalter durch gelangweilte Bürokraten und „Tierwohlaktivisten“ wieder los.

    Entschädigt wird nur nach „DNA-Nachweis“, gelingt er nicht schaut der Halter durch die Finger.
    Bei versprengten Tieren gibt es gar nichts, auch keine Entschädigung für tagelange Nachsuche.
    Ebenso für verstörte Tiere die keinen Wert mehr haben.
    Den Papierkram gerissene Tiere aus den Büchern auszutragen, ein unbezahltes Hobby der Opfer.
    Die Tierkörperbeseitigung geht zu Lasten des Betroffenen, finanziell und vom Zeitaufwand her.

    Die Entschädigungen sind komplett lächerlich, da werden Schlachtpreise für das Kilo Fleisch ausbezahlt, nach tagelangem Papierkrieg.Deswegen lassen es viele Betroffene schlicht, lohnt den Aufwand nicht.

    Und zuletzt, ein Zuchtwert von hochwertigen und prämierten Tieren wird gleich gar nicht anerkannt, es gibt immer nur den Kilopreis ab Schlachthof.Es geht den Fanatikern nicht in den Kopf wertvolle Tiere sind das Ergebnis jahrzehntelanger Zuchtarbeit, da steckt voiel Mühe und Herzblut drinnen.

    Eine dummdreiste Frechheit sind Empfehlungen wie Bewirtung und stabile Zäune, diese Grossraubtierfans gehören aus ihren Schreibstuben an den Ohren ins nächste Hochtal gezerrt um dort ihre „Ideen“ in der Praxis vorzuführen, insbesondere die Bezäunung und bei der Gelegenheit sollen sie auch gleich erklären was der Bauer im Winter mit den tollen Herdenschutzhunden anfangen soll.
    Die muss er dann ebenso durchfüttern wie er jetzt schon sein Kleinvieh mit teurem Zusatzfutter im Stall halten muss weil auf der Weide wieder einmal ein herbeigeklatschtes Drecksvieh seine Runden dreht.

    Es braucht selbstverständlich geschützte Hochalmzonen sonst können sich die Sonntagsredner von wegen Stärkung der lokalen und kleinteiligen Berglandwirtschaft ihre Manuskripte in den Ofen oder sonstwohin stecken.

    Lebensfremde Spinner die nächstes Mal auf den Höfen herumstreichen um in den Remisen der Bauern nach SUV und vergoldeten Fendts zu forschen können ja einmal mit den dortigen Bergbauern in den Dialog treten wenn sie den Schneid haben

    Auf Wiedersehen auf einem Südtiroler Berghof

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