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Die Desolation 

Michael Thomas spielt den Schlagerstar Richie Bravo großartig

Die Stadt Rimini lässt Filmleute an den bunten Fellini denken. Bei Ulrich Seidl ist „Rimini“ aber kalt, nass, verschneit, romantisch desolat. 

von Renate Mumelter

Rimini

Wer nicht gerade in einem akuten Gemütstief steckt, kann sich „Rimini“ ruhig ansehen. Diesmal hat Ulrich Seidl („Paradies: Liebe“, „Safari“, „Im Keller“ z.B.) im Spielfilmmodus gedreht, trotzdem wirkt alles sehr echt. Das hat mit Michael Thomas als Hauptdarsteller zu tun. Er ist als Schlagerstar Richie Bravo so glaubwürdig, dass man fast meinen könnte, er wäre echt. 

Richie

In „Rimini“ geht es zwei Stunden lang um Regenwetter, Nebel, geschlossene Hotels, eine offene Strandbar, einen Spielsalon und eine Disco. In dieser tritt Richie Bravo auf, glamourös  im Glitzergewand, mit Mieder um die Wampe. Er wirkt groß und vertrauenerweckend und hat eine starke Stimme. Die älteren Damen, die er besingt, glauben, er meint genau sie. Ein bisschen ist es ja auch so, denn Richie glaubt an sich, sonst käme er nicht weiter. Er ist gescheitert, die älteren Damen, die mit dem Bus ins winterliche Rimini reisen um ihn zu sehen, sind zwar aufgeputzt, haben aber auch das beste hinter sich. Dass Richie nebenbei in abgefuckten Hotelzimmern als Gigolo arbeitet, bringt ihm Geld, den Frauen vielleicht Lust und Ulrich Seidl seine provokanten Bilder.

Fazit am Lebensende 

Das Desolate des Films kommt aber eigentlich gar nicht aus dem Gescheitert-Sein der Figuren sondern aus der Betrachtung des Lebensendes, die über allem schwebt. Da ist Richies Vater, einsam im tristen Seniorenheim, die Mutter wird von ca. 5 Trauergästen zur letzten Ruhe begleitet, und Richie und seine Anbeterinnen könnten daran denken, ein Fazit zu ziehen so wie Rimini selbst, das trist und quasi tot im Winter angekommen ist. Als es wieder warm wird, ist der Film fast aus. Da gibt es auf einmal neues Leben in Richies Haus. Junge Geflüchtete mit Kindern wohnen da und die Tochter, um die er sich nie kümmerte. Sie ist dabei ist, ihn zum Opa zu machen. 

Richie hat einen Bruder, Ewald, der diesmal nur kurz auftritt. Über ihr wird es einen zweiten Film,  „Sparta“, geben. Bei der Diagonale gab’s am Samstag den Spielfilmpreis. 

Übrigens, dass Richies Nazi war und blieb, versteht sich eh schon von selbst, müsste aber nicht unbedingt sein.

Der menschliche Faktor

Weniger desolat aber mindestens genauso interessant ist Ronny Trockers „Human Factors“, der nur noch heute, morgen und übermorgen um 18h zu sehen ist. Es ist einer der Spielfilme, die öfter angeschaut werden können, weil es bei jedem Durchgang Neues zu entdecken gibt. Die Fragen, denen sich eine gut situierte klassische Kleinfamilie (Vater, Mutter, 2 Kinder) stellen muss, sind jene nach der Wirklichkeit. Was ist wirklich geschehen bei dem Vorfall, der die Familie gehörig durcheinander bringt. Die richtige Antwort kennt eigentlich nur die Ratte Zorro, das Haustier des Sohns, aber die ist am Ende tot und sprechen könnte sie sowieso nicht. Ursprünglich hätte der Film Zorro heißen sollen. Alle anderen Wahrheiten in dieser Geschichte sind geprägt von subjektiven Wahrnehmungen und den Narrativen, die sich alle zusammenbasteln, auch das Publikum im Kinosaal. Es glaubt alles zu sehen, sieht aber nur das, was die Kamera zeigen will, und die startet mit ihrer Überredungskunst schon vor die eigentliche Erzählung beginnt.

Il Vangelo secondo Matteo

Pasolini 100, die Filmreihe zu Pasolinis 100. Geburtstag wird diese Woche fortgesetzt. Zu sehen ist „Il Vangelo secondo Matteo“. Er habe das Evangelium in einem marxistischen Schlüssel gelesen, sagte Pasolini. Herodes‘ Soldaten habe er deshalb so eingekleidet wie jene faschistischen Banden, die wirklich Kinder töteten. Mittwoch und Donnerstag.  

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