Der Alpini-Streit
Der neu eingeführte Gedenktag zu Ehren der Alpini am 26. Jänner erhitzt die Gemüter. Warum Historiker von Geschichtsrevisionismus sprechen. Und wie die SVP ihre Zustimmung rechtfertigt.
von Matthias Kofler
Auf Vorschlag der Lega hat das römische Parlament den 26. Jänner zum nationalen Gedenktag für die Alpini erklärt. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde ohne Gegenstimme von den beiden Kammern genehmigt. Der „Tag des Gedenkens und der Opfer der Alpini“ nimmt Bezug auf den 26. Jänner 1943: In der sogenannten Schlacht von Nikolajewka unterlagen die faschistischen Truppen der sowjetischen Arme. Die Alpini-Division Tridentina schaffte es, eine Einkesselung der Roten Armee zu durchbrechen und damit den Fluchtweg aus der von ihnen selbst okkupierten Sowjetunion freizumachen. Das Gesetz soll „das Andenken an den Heldenmut bewahren, den das Alpini-Armeekorps in der Schlacht von Nikolajewka während des Zweiten Weltkriegs gezeigt hat, sowie die Werte der Verteidigung der Souveränität und der nationalen Interessen fördern“.
Die Entscheidung des Parlaments, den 26. Jänner zum Gedenktag für die Alpini zu erklären, sorgt nicht nur für Zustimmung, sondern auch für Kopfschütteln. Kritiker werfen der Politik Geschichtsrevisionismus vor: So wird beispielsweise unter den Tisch gekehrt, dass die glorifizierte Schlacht von Nikolajewka Folge des nazi-faschistischen Vernichtungskriegs auf sowjetischem Boden war. Die Alpini waren Teil des italienischen Heeres, das im Zweiten Weltkrieg unter der Führung von Benito Mussolini Okkupation, Deportierung und Genozid zu verantworten hatte. Außerdem geben Historiker zu bedenken, dass mit dem Alpini-Gedenktag der nur einen Tag später begangene Internationale Gedenktag an die Opfer des Holocaust abgewertet werde.
Die Vorsitzende der Autonomiegruppe, Julia Unterberger, betont, dass der Gedenktag darauf abziele, die sozialen Leistungen der Alpini, die heuer ihr 150-jähriges Bestehen feiern, zu würdigen. Sie selbst habe mit dieser Art der Heldenverehrung nichts am Hut, aber nicht nur die italienischen Männer bräuchten ihre Helden. Die SVP hat geschlossen für den Gesetzentwurf gestimmt. Unterberger sagt, dass sie die Kritik an der Entscheidung, den 26. Jänner als Gedenktag auszuwählen, durchaus nachvollziehen könne. Die Alpini seien Teil des italienischen Heeres gewesen, das unter Mussolini einen Angriffskrieg auf die Sowjetunion gestartet habe. Unterberger hätte daher einen anderen Tag bevorzugt.
Was die SVP-Politikerin aber nicht auf sich sitzen lassen will, ist der Vorwurf, das Parlament huldige mit dem Gedenktag dem faschistischen Angriffskrieg. Der Gesetzentwurf sei von allen Abgeordneten, also sowohl von den Linken als auch von den Rechten, mitgetragen worden. „Es wäre absurd, dem gesamten Parlament die Verherrlichung des Faschismus vorzuwerfen“, meint die Vorsitzende der Autonomiegruppe und spricht von einer „aufgebauschten Polemik“.
Unterberger führt weiters aus, dass es den Südtiroler Abgeordneten nicht zustehe, Italien vorzuschreiben, welche Gedenktage es einführen wolle, zumal diese nicht verpflichtend abzuhalten seien. Die Südtiroler würden sich schließlich auch keine Einmischung des Staates bei den eigenen Traditionen und Gedenkfeiern wünschen. „Als Abgeordnete müssen wir auch wissen, wie wir uns im Parlament zu bewegen haben“, sagt Unterberger. Eine Gegenstimme zum Gesetzentwurf mit der Begründung, ein antifaschistisches Zeichen setzen zu wollen, wäre „undiplomatisch bis zum Geht-nicht-mehr“ gewesen, entgegnet die SVP-Politikerin der Kritik aus dem rechten Lager. Die Kritik komme zum Teil ausgerechnet von jenen, die der SVP das Schüren von ethnischen Konflikten unterstellen.
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Kommentare (12)
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criticus
Die SVP-Politiker hatten wohl kaum eine Chance nein zu dieser „patriotischer Aktion “ zu sagen.
Ich glaube aber, dass die italienischen Politiker in Rom, inklusive der SVP-Abgeordneten die Wahrheit über die Kämpfe um Nikolajewka nicht informiert sind. Die Wahrheit um die „Kesselschlacht von Ostrogoschsk-Rossosch, dauerte vom 13. Jänner bis 27. Jänner 1943, wird von den Italienern leider, wie immer, verschwiegen. Für Russland war es die Angriffsoperation Ostrogoschsk-Rossosch, die zur Zerstörung der 2. ungarischen Armee sowie starken Verlusten der 8. Alpini Armee und der 387. Infanteriedivision führte. Der damalige Rückzug der Alpinieinheiten war so chaotisch, dass der Befehlshaber der deutschen Rückzugstruppen, General Karl Eibl, irrtümlich von den italienischen Truppen angegriffen und getötet wurde. Abgesehen, dass es schon Gedenktage für den unbekannten Soldaten in allen Ländern (auch Italien) gibt finde ich das Datum nicht gerade gut. Am 26. Jänner gedenkt man der Folgen eines faschistischen Angriffskrieges und am 27. Jänner ist der Holocaust-Gedenktag. Zudem werden solche Gedenktage, wie immer in Italien, zu einseitig abgehalten.
robby
Es wäre absurd, dem gesamten Parlament die Verherrlichung des Faschismus vorzuwerfen
Doch Frau Unterberger – genau das ist vorzuwerfen. Auch ihnen. Auch wenn Sie und ihre SVP Kollegen möglicherweise nur aus Feigheit und fehlender Zivilcourage zugestimmt haben
brutus
An einem Krieg gibt es nur das Ende zu feiern!
…alles andere ist Schwachsinn!
frechdachs
Welch kuriose Logik: Wenn das gesamte Parlament (einem Angriffskrieg!) zugestimmt hat, kann es keine faschistische Entscheidung sein.
dn
In der heutigen Zeit in irgendeiner Form irgendeinem Krieg zu gedenken ist grotesk. Ewiggestrige die einem verqueren Heldengedenken nachhängen sind nur bedauernswert.
kritiker
dn Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod
artimar
Ein weiterer hochoffizieller Tag der Festigung des staatlich verordneten Geschichtsnegationismus und Revisionismus in Italien und damit auch in Südtirol, das ja in seiner realen Selbstverwaltung bekanntermaßen nicht mal selbstständig eine Flix-Bushaltestelle innerhalb Bozens ohne vorherige Genehmigung aus Rom verlegen kann.
Ein reflektierter und kritischer Umgang mit Geschichte sieht jedenfalls anders aus.
Sehr selbstoffenbarend, was da Unterberger von sich gab/gibt und es dann nicht mal für eine Stimmenthaltungen reichte. Wie das?
Ob Unwissenheit oder Geschichtsvergessenheit, so meint sie sich offenbar sogar rechtfertigen zu dürfen oder aus Eigeninteresse an der Nominierung für eine röm. Position: Im Zeitalter der Gleichzeitigkeiten hat es nun für sie für einen weiteren Posten gereicht. Egal, ob nun verdient oder nur bestraft, eine solche röm. Ernennung unter solchen Annahmen auch nur zu erwägen anzunehmen.
Die Opfer krimineller Gewalt, ob in der Vergangenheit oder im Jetzt, sie hätten es immerhin verdient, eine glaubhafte und vertrauenswürdige Interessensvertretung zu haben.
Besonders in den Institutionen der Politik.