So wird der Sommer
Der Biostatistiker Markus Falk erklärt, wie sich die Corona-Situation im Sommer entwickelt – und warum es in manchen Bereichen noch die Maske braucht.
Tageszeitung: Herr Falk, seit dem 1. April ist der Covid-Notstand beendet, damit wurden auch einige Maßnahmen aufgehoben. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Markus Falk: Ein schrittweises Lockern wurde bereits vor Wochen angekündigt und ist aus meiner Sicht richtig. Den vorsichtigen italienischen Weg kann man nur befürworten, da es allemal besser ist, noch etwas aufzupassen, als hernach jammern zu müssen.
Die größte Lockerung betrifft wohl die engen Kontakte von positiv getesteten Personen. Sie müssen sich nur noch selbst überwachen…
Auch diesen Schritt kann man begrüßen. Selbst wenn es zunächst riskant erscheinen mag, ist all dies im Kontext der vielen bereits Immunisierten zu sehen. Wie bei jedem anderen Infekt auch, bedeutet ein Folgeinfekt bei Covid nun nicht mehr zwangsläufig ein Problem für die Gemeinschaft. Man muss sich aber darauf verlassen können, dass jemand, der möglicherweise infiziert ist, die Maske verwendet und zuhause bleibt. Dies gilt es nun zu praktizieren und wenn sich der Großteil daranhält, werden wir keine Probleme habe.
Sehen Sie kein Risiko darin, wenn nun jeder selbst entscheiden kann, ob er sich testen lassen kann?
Bei der Omikron-Variante entwickelt fast jeder irgendwann Symptome. Bei Geimpften ist es sogar so, dass man bereits vor einem positiven Test meist symptomatisch ist. Eine asymptomatische Übertragung ist somit bei Geimpften nicht mehr die Regel, sondern eher die Ausnahme. Die Auflage, dass sich Kontaktpersonen von positiv Getesteten selbst beobachten und die Maske verwenden sollen, ist daher sehr wohl vertretbar. Wenn ein Großteil aber gar nichts mehr machen würde, dann könnte es wieder problematisch werden.
Vor allem wegen der Maskenpflicht gibt es noch Diskussionen: Während Kinder in der Schule diese für mehrere Stunden am Tag tragen müssen, wird in Bars oder Diskotheken kaum darauf geachtet. Ist die Maskenpflicht in den Schulen also überzogen?
Ich selbst bin der Meinung, dass es die Maskenpflicht am Sitzplatz in den Oberschulen – wo die Impfquote entsprechend hoch ist – kaum mehr braucht. Diskotheken und Schulklassen haben mehr oder weniger dasselbe Risiko. Man ist in beiden Fällen mit vielen Menschen über einen längeren Zeitraum in einem geschlossenen Raum. Die Inzidenzrate der 20- bis 30-Jährigen ist seit langem weitaus die niedrigste und auch von den absoluten Zahlen her, ist diese Altersgruppe, die auch gerne in die Disko geht, nicht auffällig. Das heißt, das Risiko in den Diskotheken ist zwar hoch, da aber nicht jeder dort angetroffen wird, zudem viele schon immunisiert wurden, sind die Auswirkungen nur bedingt spürbar. In den Schulen wären diese hingegen viel größer, daher ist der Staat auch noch vorsichtig, auch wenn die Oberschüler meiner Ansicht nach abgestraft werden.
In den Volksschulen braucht es aber die Maske noch?
Ja, genau. So leid es mir tut, kann man trotz der guten Zahlen, kein grünes Licht geben. Dort wo die Impfquoten gering sind oder in besonders sensiblen Bereichen, braucht es die Maske nach wie vor. Völlig los werden wir die Maske erst im Sommer. Es kann sein, dass man bereits zuvor lockert, weil von außen Druck ausgeübt wird, aber so oder so wird es noch einige Wochen dauern. Was passiert, wenn man zu früh lockert, sieht man in England. Dort sind zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung laufend infiziert und die Krankenhauslast steigt wieder. Deutschland könnte dies nun ebenfalls bevorstehen, da man bei hohen Inzidenzen, die Maske in vielen Bereichen abgeschafft hat.
Das Screening wurde bis Ostern verlängert. Wird es darüber hinaus die Tests an den Schulen brauchen?
Mir persönlich wäre es lieber gewesen, das Screening weiterlaufen zu lassen. Man hätte dann nämlich am Testtag – also zwei Mal pro Woche – auf die Maske verzichten können. Man könnte auf diese Weise den Schülern beibringen, dass man die Maske weglassen kann, wenn sichergestellt ist, dass möglichst wenige im Umfeld infiziert sind. Sowohl Tests als auch Maske wegzulassen, wäre dagegen zu riskant. Es würde zu einer neuen Welle kommen, bei der die Auswirkungen unklar sind. Es scheint somit wohl eine Art Kompromisslösung zu sein, bei der man sich aber eher an den Kosten orientiert hat.
Wie sollte man in Sommer auf steigende Infektionszahlen reagieren?
Der Sommer ist wie der Herbst mit Fragezeichen behaftet. Derzeit ist vor allem der Effekt der ablaufenden Booster-Impfungen schlecht abschätzbar. Wir dürfen nicht vergessen, dass nun bei immer mehr Menschen die letzte Dosis mehr als vier Monate zurückliegt. Dies bedeutet, dass der Schutz vor einer Infektion innerhalb des nächsten Monats bei vielen nachlassen wird. Es wäre somit möglich, dass es weiterhin hohe Zahlen gibt. Der Schutz vor Hospitalisierung ist dagegen noch gegeben, zumal man mit den Viertimpfungen von vulnerablen Personen begonnen hat. Grundsätzlich kann man mit der vierten Impfung kurzfristig reagieren, da Studien gezeigt haben, dass der Immunschutz innerhalb kurzer Zeit aufgebaut wird. Es ist aber unklar, was genau im Sommer passieren wird. Aufgrund von Erfahrungen andernorts könnte es eine größere Welle geben – es muss sie aber nicht geben. Zudem ist offen, welche Implikationen eine solche Welle hätte. Es steht und fällt jedenfalls alles mit dem Impfschutz. Sicher ist nur, dass die Krankenhäuser weiterhin sicher sein werden. Bis auf die Impfung und möglicherweise die Maske wird es keine Gemeinschaftsmaßnahmen mehr brauchen. Man muss aber weiterhin rechtzeitig informieren und sensibilisieren. Dies gilt im Übrigen nicht nur für das Coronavirus, sondern wäre bei der Influenza genauso angebracht.
Kann man sich dennoch auf den Sommer freuen?
Aber sicher. Der eine wird es vorsichtiger angehen und der andere nicht. Sicher ist, dass wir nun immer mehr zur Normalität zurückkehren werden, auch wenn uns das Virus noch eine Zeitlang beschäftigen wird, bis die Immunisierung der Bevölkerung vollständig abgeschlossen ist. Wir dürfen uns aber bereits jetzt schon freuen, denn wir haben einen Winter überstanden, der es in sich hatte und wenn sich die Zahlen weiterhin so entwickeln, sollte Ostern ruhig verlaufen.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (9)
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rumer
Herr Falk, so leid es mir tut, sie sollten sich nicht mehr zu diesem Thema äußern, Wer jetzt noch den Kindern Maske verordnen will, hat einige Dinge nicht verstanden. In Südtirol hatten über 200000 Personen schon offiziell Corona. in Wirklichkeit mit Dunkelziffer schon über 500000, also fast 100%. Fast alle Kinder hatten schon Corona, die meisten ohne es zu merken.
Aber Manchen gefällt es den Mahner zu spielen und andere zu drangsalieren . Diese Personen sollten in Pension gehen.
andreas1234567
Hallo aus D,
ein letztes Aufbäumen der „Experten“, ein Mahnen, ein Warnen, ein Drohen und Schwarzmalen.
Es ist vorbei, manch Ego muss wieder Abschied vom Status Halbgott nehmen.
Es gibt seit Monaten kein einziges Land welches die Entscheidung „alles auf den Müll schmeissen“ auch nur ansatzweise bereut hätte.
Und jeden Tag wächst die Wut und die Zahl der Wütenden.
Die „Genesenen“ welche wütend in sich reinschimpfen weil sie für „diesen albernen Schnupfen“ zwei Jahre terrorissiert wurden.
Die Heimkehrer die mehrere Tage die Freiheit (Normalleben) in diesen befreiten Ländern erlebt haben und sich mit diesem Narrenheim in eigenen Landen nicht mehr abfinden wollen.
Persönlich finde ich es wieder befremdlich sich Gesichtsmasken aufzusetzen und anderen Menschen auszuweichen..
Das ist meine Definition von „Genesen“, wer anders handelt gilt für mich als „hochvulnerabel“ oder „im Kopf nicht mehr ganz gescheit“, auf jeden Fall nicht gesund.
Gruss nach Südtirol, freu mich auf einen Südtiroler Berghof, das Zusammenhocken und sich gegenseitig ins Gesicht lachen..