„Wir werden Druck ausüben“
Tony Tschenett, Chef der Gewerkschaft ASGB, über die notwendigen Schritte, um gegen die starken Preissteigerungen anzukommen.
Tageszeitung: Herr Tschenett, die Familien sind mit starken Preissteigerungen konfrontiert – und mit Energie, Treibstoff und Lebensmitteln gerade in jenen Bereichen, wo man nicht ausweichen kann. Sehen Sie Anzeichen für eine baldige Entspannung?
Tony Tschenett: Absolut nicht. Das neue Dekret der Regierung zur Senkung der Benzinpreise gilt erst einmal bis Ende April. Das betrifft alle, die auf ein Auto angewiesen sind. Wie es ab Mai weitergeht, weiß man aber nicht. Ein großes Thema sind die Energiekosten: Der Staat hat zwar den ISEE-Wert für die Bonuszahlung erhöht, aber es fallen nur sehr wenige Familien hinein. Vor allem die Familien sind derzeit die Leidtragenden.
Wie Sie sagen, hilft der Staat mit Entlastungen auf der Stromrechnung und mit einer Akzisen-Senkung beim Treibstoff. Und das Land gewährt der untersten Einkommensklasse einen 500-Euro-Bonus. Das reicht nicht?
Das Land hat ja abgewartet, was der Staat entscheidet. Während der Staat den ISEE-Wert von 8.000 auf 12.000 Euro erhöht hat – was aber weiterhin zu wenig ist –, zahlt das Land einmalig 500 Euro an all jene, die über die Sozialsprengel einen Beitrag für Wohnungsnebenkosten beziehen. Letztere fallen aber sicher auch in die Kriterien der staatlichen Unterstützung. Hier ist aufzupassen, denn doppelte Beiträge können bedeuten, dass diese Menschen unterm Strich mehr kriegen als die Mehrkosten ausmachen. Das Land muss deshalb schauen, dass wirklich diejenigen in den Genuss von Hilfsgeldern kommen, die vom Staat nichts bekommen.
Es heißt immer, das Land habe kein Geld für größere Sonderausgaben. Wo würden Sie Finanzmittel abzwacken?
Ich habe bereits einen Vorschlag unterbreitet. Bisher wurden die Familienzulagen bei Land, Sanität, Schulen und Gemeinden ja direkt über den Lohnstreifen auf Kosten des öffentlichen Arbeitgebers ausgezahlt. Mit der jetzigen Reform um den „assegno unico“ ist das weggefallen. Ob Privatwirtschaft, Selbständige oder öffentlich Bedienstete: Der „assegno unico“ wird direkt von der INPS ausgezahlt. Ich habe bei Land und Sanität nachgefragt, wie viel sie in Vergangenheit ausgezahlt haben: sechs Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommen noch die Gemeinden. Diese sechs Millionen Euro sollte man für den Bereich Soziales zweckbinden und jenen Familien geben, die im Vorjahr das Covid-Kindergeld erhielten.
Warum das?
Das Covid-Kindergeld war eine einmalige Zahlung von 400 Euro. Es konnten alle ansuchen, die arbeitslos oder in Lohnausgleich waren, ohne nach Einkommen zu unterscheiden. Mit diesem Kriterium könnte man jetzt diejenigen unterstützen, die schon im letzten Jahr wegen Covid weniger verdienten. Wichtig ist auch, bei den Rentnern nachzubessern: Derzeit erhält man bei Renten bis 9.000 Euro eine Unterstützung. Die Grenze sollte man auf 12.000 bis 15.000 Euro an jährlicher Rente erhöhen. Dann würde man den Großteil der Rentner mit niedrigen Einkommen berücksichtigen.
Der SVP-Arbeitnehmer Helmuth Renzler sagt sinngemäß, der Mittelstand sei die Melkkuh, wenn es um Steuern geht, aber erhalte keine spürbaren Steuervorteile oder andere Entlastungen. Stimmen Sie dem zu?
Der Begriff Mittelstand stört mich immer, weil man ihn nicht definieren kann. Deswegen sage ich, dass man die jetzigen Unterstützungen an das Covid-Kindergeld koppeln soll. Dann würde man alle berücksichtigen, die wenig verdient haben, weil sie arbeitslos oder im Lohnausgleich waren. Das wäre ein gerechteres Kriterium. Denn diese Personen und Familien hatten schon im Vorjahr durch Covid Nachteile.
Sie würden das als Grenze ansehen, bis zu der Hilfe gerechtfertigt ist und wo diese darüber hinaus nicht gerechtfertigt ist?
Genau. Dann würde man jenen helfen, die im letzten Jahr finanzielle Einbußen hatten. Und man käme vom Begriff Mittelstand weg.
Die Preissteigerungen sind ein europäisches und sogar internationales Phänomen. Was ist der Ausweg aus der Preisspirale nach oben?
Grundsätzlich müssen die Kollektivverträge im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft verbessert werden. Und der Staat muss die Renten endlich der Inflation anpassen. Zudem braucht es Unterstützungen seitens des Staates. Beim Thema Energie sollte man wirklich prüfen, ob Südtirol einen eigenen Weg gehen kann. Das wird zwar kurzfristig schwierig sein, aber mittel- und langfristig sollte man sich schon Gedanken machen. Letztendlich muss sich die EU überlegen, wie man bei der Energie zukünftig eigene Wege gehen kann.
Die Lohnverhandlungen stocken seit Jahren. Warum geht wenig voran?
Wir müssen hier unterscheiden. Für den öffentlichen Dienst hat der Landtag den Auftrag, die Gelder für Kollektivverträge zweckzubinden. In der Privatwirtschaft wurden zum Teil nationale Kollektivverträge abgeschlossen. Etwa im großen Sektor Metallindustrie, wo die Arbeitnehmer mit Juli die nächste Lohnerhöhung erhalten. Zudem ist die Inflationsanpassung im Vertrag enthalten. Weiters wurde vor zwei Wochen auf nationaler Ebene der Bau-Kollektivvertrag abgeschlossen, wo ebenfalls die Inflationsanpassung vorgesehen ist. Dort ist es sicher möglich, auf lokaler Ebene noch Zusatzverträge abzuschließen. Im Sektor Metallhandwerk wurde der Vertrag auf nationaler Ebene im Jänner unterschrieben und es ist ebenfalls wichtig, jetzt noch territoriale Verträge zu verhandeln. Ein großer Vertrag, der noch offen und seit 2019 verfallen ist, betrifft den Handel. Wir warten auf die Unterschrift auf nationaler Ebene, um dann die lokalen Vertragsverhandlungen aufzunehmen.
Sehen Sie auf lokaler Ebene den Willen der Arbeitgeberverbände, die Löhne zu erhöhen?
Ja und Nein. Bei den Obstgenossenschaften etwa sind die Verhandlungen jetzt gestartet. Andere Sektoren warten auf die Unterschrift bei den nationalen Kollektivverträgen, ehe die territorialen Verhandlungen beginnen können. Im Metallhandwerk sind wir auf einem guten Punkt für den Verhandlungsstart. In der Metallindustrie werden die Verträge auf Betriebsebene vereinbart, wobei vor allem in größeren Betrieben bereits Verhandlungen laufen. Im Tourismus muss man noch den nationalen Kollektivvertrag abwarten.
Was sagen Sie Arbeitnehmern, die Lohnerhöhungen erhoffen? Dass es bald soweit sein wird oder dass man Geduld haben muss?
Wir werden sicher Druck ausüben, damit bald etwas kommt.
Interview: Heinrich Schwarz
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Kommentare (4)
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stanislaus
Jeder der kann gibt die hohe Inflation und die gestiegenen Lebenshaltungskosten weiter… das geht bis zum Endverbraucher von Waren und Dienstleistungen: den Arbeitnehmern und Pensionisten… Beiträge braucht es für einzelne Härtefälle, wobei in einigen Fällen auch die Schwarzarbeit kontrolliert werden sollte. Was es wirklich braucht sind dem südtiroler Preisniveau angepasste Löhne…
sepp
Der werd vor nix
sepp
Gor nix plodrer suscht nix
leser
Lieber tschenett
Hast du in deinem neuen job schon dafür gesorgt, dass die hoteliere und gastronomen viel billige arbeitskräfte bekommen?
Damit dich due schafe nächstes jahr ja wählen