„Preise bleiben hoch“
Laut WIFO-Direktor Georg Lun wird es keine spürbare Entspannung des Preisniveaus geben. Was können Betriebe und Verbraucher tun?
Tageszeitung: Herr Lun, die Familien und Betriebe stöhnen unter den starken Kostensteigerungen. Werden uns die extrem hohen Preise in verschiedenen Bereichen noch lange erhalten bleiben?
Georg Lun (Direktor Wirtschaftsforschungsinstitut der Handelskammer): Solange der Krieg in der Ukraine anhält, werden die Preise etwa im Bereich Gas, Strom und Heizöl kaum massiv sinken. Es wird zwar versucht, Gas aus anderen Ländern herzuholen, aber das wird sicher nicht so günstig sein. Ich gehe davon aus, dass sich die Preise zwar ein bisschen reduzieren, aber das Niveau wird konstant höher bleiben als wir es von vor der Krise kennen.
Dass die Inflation auch die 10-Prozent-Marke knacken könnte, glauben Sie nicht?
Die hohe Inflation wird im Wesentlichen von den Energiepreisen ausgelöst, aber auch von den extrem gestiegenen Rohstoffpreisen etwa für Getreide oder Nickel. Das wird sich irgendwann auf die Verkaufspreise auswirken – bei den Lebensmitteln genauso wie bei allen anderen Dingen. Wir haben jetzt eine Inflationsrate zwischen fünf und sechs Prozent auf Jahresbasis. Ich gehe davon aus, dass dieses Niveau heuer im Durchschnitt erhalten bleibt.
Was können oder müssen die politischen Entscheidungsträger tun?
Auf lokaler Ebene gibt es ehrlich gesagt wenig Spielraum, weil man die Preise ja nicht beeinflussen kann. Die lokale Politik kann versuchen, die untersten Einkommensschichten zu entlasten, da diese mehr oder weniger ihr ganzes Geld für Lebensmittel, Wohnen und Heizen ausgeben. Diese Menschen müssen weiterhin in der Lage sein, die unbedingt notwendigen Spesen zu decken.
Ist die Akzisen-Senkung beim Treibstoff nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?
Es ist sicher eine positive Maßnahme, die Druck wegnimmt. Man hat an den Zapfsäulen ja gesehen, dass die Preise tatsächlich um 30 Cent zurückgegangen sind. Für den Staatshaushalt ist es kein großes Problem, weil die Steuereinnahmen angesichts der hohen Inflation ja deutlich höher ausfallen.
Was kann man angesichts der hohen Kostensteigerungen als Verbraucher oder auch als Betrieb tun? Beginnen wir bei den Betrieben…
Für sie stellt sich die Frage, ob sie in der Lage sind, die Kostensteigerungen kurzfristig als Preissteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Das ist unterschiedlich je nach Branche. Das Ausmaß der Kostensteigerungen ist in bestimmten Bereichen so groß, dass höhere Preise notwendig sind und in nächster Zeit auch umgesetzt werden. Mittelfristig wird es ein großes Thema sein, die Energieintensität zu reduzieren und auf Erneuerbare Energien umzusteigen – durch Energiesparmaßnahmen, Photovoltaik-Anlagen und neue Fertigungsprozesse.
Die hohen Kosten werden also an die Verbraucher weitergegeben. Was können diese tun, um mit der Situation zurechtzukommen?
Für die untersten Einkommensschichten sind Maßnahmen des Landes notwendig, damit sie nicht verarmen. Die Mittelschicht und Besserverdiener können versuchen zu sparen: die Heizung zurückdrehen oder auf eine Fahrt mit dem Auto verzichten. Es gibt Spielraum, weniger zu verbrauchen, wenngleich das natürlich die Freiheit einschränkt. Auf etwas zu verzichten, ist gerade nach der Pandemie nicht leicht, wenn das Bedürfnis sehr groß ist zu reisen und am Wochenende unterwegs zu sein. Aber das sind Kostenfaktoren, bei denen man am ehesten sparen kann.
Was sehen Sie noch auf uns zukommen, wenn der Konflikt in Osteuropa anhält oder sich sogar ausweitet?
Ein großes Thema sind sicher die Flüchtlinge. Wenn von bis zu zehn Millionen Flüchtlingen die Rede ist, die auf Europa verteilt werden müssen, wären in Südtirol umgerechnet 10.000 Menschen zu integrieren. Das wäre eine große Herausforderung und nicht zu vergleichen mit der Situation von 2015. Wirtschaftlich gesehen erleben wir derzeit ja einen Aufschwung, aber wenn der Ukraine-Krieg anhält und zu einer Rezession führt, hätten wir die dritte Wirtschaftskrise. Von Einbruch zu Einbruch wird es für die Unternehmen schwieriger und die Reserven werden geringer. Aber es gibt ja durchaus noch Hoffnung, dass der Krieg nicht zu einem Flächenbrand wird.
Interview: Heinrich Schwarz
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